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Edelmetalle: Aufruhr an der Rohstofffront

31.05.13 11:00 Uhr

Palladium und Platin profitieren vom Preisverfall bei Gold und Silber. Steigende Nachfrage und Angebotsprobleme sorgen hier für gute Perspektiven.

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von Oliver Ristau, Euro am Sonntag

Sie sind edel und sie sorgen für Reinheit. Ohne ihr Zutun sähe es auf den Straßen düster aus. Platin und Palladium zählen zu den wichtigsten Rohstoffen der Autoindustrie weltweit. Jeder kommerzielle Kfz-Katalysator braucht die Edelmetalle, um den Abbau giftiger Abgase zu meistern. Und aktuell treiben die boomende Automobilkonjunktur in Asien und die Wiederbelebung des Markts in den USA die Nachfrage für die silberfarbenen Saubermänner an.

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Das gilt insbesondere für das preisgünstigere Palladium, das dem Schwestermetall in den vergangenen Jahren mehr und mehr Marktanteile abgenommen hat. Nach Auskunft des britischen Industriespezialisten Johnson Matthey macht es 90 Prozent des Katalysatormaterials in Benzinfahrzeugen aus. Aktuell kostet Palladium je Gramm mit 19 Euro nur die Hälfte der gleichen Menge Platin. Lediglich in Dieselfahrzeugen liegt Platin vorn, weil es hitzebeständiger ist als das Schwestermetall und damit den heißeren Dieselabgasen besser standhält.

Da in Asien und den USA überwiegend Benziner gekauft werden, stehen die Zeichen für steigende Palladiumpreise auf Grün. „Dieses Jahr ist mit einem Palladiummehrbedarf von fünf Prozent zu rechnen“, meint Edelmetallanalyst Thorsten Proettel von der Landesbank Baden-Württemberg (LBWW). Gleichzeitig wird das begehrte Edelmetall knapper.

Grund: Russland als wichtigstes Förderland wird weniger Palladium fördern als in den Jahren zuvor. Russisches Palladium wird nicht aus eigenen Minen extrahiert, sondern ist ein Nebenprodukt der Nickelproduktion. Moskaus Nickelspezialist MMC Norilsk verarbeitet aber zunehmend Erze mit sinkenden Palladiumkonzentrationen. Zudem ist Russland nicht mehr in der Lage, bei Angebotsengpässen Palladium auf den Markt zu werfen. Die Lager gelten als geplündert. Und im zweitgrößten Förderland Südafrika leidet die Produktion seit Monaten unter Streiks.

Chinesen lieben Schmuck aus Platin
Die Palladiumpreise dürften also weiter steigen, auch wenn das Edelmetall im laufenden Jahr bereits um mehr als zehn Prozent zugelegt hat. Zuletzt kostete eine Feinunze 740  Dollar. Proettel sieht bis Jahresende Potenzial bis 800 Dollar. Wegen des boomenden Palladiums verliert Platin mehr und mehr seine Bedeutung als Industriemetall. 2013 wird die Automobilindustrie laut Johnson Matthey nur noch 90 Tonnen Platin, aber 210 Tonnen Palladium abrufen. Vor Beginn der Finanzkrise lagen beide noch gleichauf. Allerdings hat Platin in der Schmuckindustrie klar die Nase vorn. „Insbesondere in China ist weißer Edelmetallschmuck sehr beliebt“, sagt Proettel.

Und dann gibt es bei Platin ja noch den Faktor Südafrika: Kein Land der Welt verfügt über größere Reserven. Doch Südafrikas Minen werden seit Monaten bestreikt, die Kumpel und ihre kampferprobten Gewerkschaften fordern massive Lohnerhöhungen. Dadurch werden dieses Jahr über sechs Prozent weniger gefördert, schätzt Proettel. Schon 2012 waren die Minenerträge wegen der blutigen Proteste kräftig zurückgegangen.

Auch bei der industriellen Nachfrage sieht der LBBW-Analyst Luft nach oben. Die schwächelnde europäische Autoindustrie mit ihrem hohen Anteil an Platin verbrauchenden Dieselfahrzeugen dürfte allmählich den Tiefpunkt gefunden haben. Früher oder später müssten Europas Autofahrer ihre alte Flotte ersetzen.

Zudem spielen die weißen Edelmetalle für die Erfüllung immer strengerer Abgasnormen in der EU, den USA und andernorts eine zentrale Rolle. Denn dafür sind dickere Schichten in den Katalysatoren nötig. Und trotz diverser Forschungsvorhaben der Industrie zum Ersatz der teuren Metalle gibt es bis heute keine kommerziellen Alternativen. Proettel sieht den Platinpreis vor diesem Hintergrund bis Anfang nächsten Jahres von aktuell 1450 Dollar auf 1800 Dollar ansteigen.

Tausche Gold gegen Platin
Bei Großanlegern stehen die beiden Edelmetalle ebenfalls hoch im Kurs, speziell nach dem Absturz der Gold- und Silberpreise Mitte April. Seitdem haben börsennotierte Rohstofffonds (ETCs) nach Auskunft der Commerzbank ihre Platinbestände um 20 Prozent auf rund zwei Millionen Unzen erhöht — ein Drittel der jährlichen Minenproduktion. Allein in der Pfingstwoche kauften sie 135 000 Unzen zu — das entspricht der Jahresförderung des fünftgrößten Platinproduzenten USA. Ähnlich bei Palladium: Die Lagerbestände der Finanzinvestoren stiegen um drei Prozent auf 2,1 Millionen Unzen.

Dagegen wurde Gold im großen Stil verkauft. Laut Commerzbank warfen Goldfonds seit Mitte April mehr als fünf Millionen Unzen auf den Markt. Auch bei Silber-ETFs sind seit der Pfingstwoche erhebliche Abflüsse zu beobachten.

Ähnlich sieht es bei Gold- und Silberderivaten aus, die nicht mit einer physischen Lieferung der Edelmetalle verbunden sind. Auch hier zogen viele Großinvestoren die Reißleine. Nach Angaben der New Yorker Rohstoffbörse Comex verkaufte allein die US-Investmentbank JP Morgan von Februar bis Mai auf eigene Rechnung fast 15 000 Future-Kontrakte, die ein Goldvolumen von 1,5 Millionen Unzen repräsentierten. Für die fanden sich kaum Käufer, weshalb der Preis am wichtigsten US-Handelsplatz einbrach.

Gold ist weiterhin bei Anlegern gefragt
Doch nicht alle Investoren sind in Sachen Gold skeptischer geworden. Viele Privatanleger reißen sich weiterhin um Münzen und Barren. „Beim Krügerrand gibt es mittlerweile Engpässe“, sagt Robert Hartmann, Geschäftsführer des Münchner Goldhändlers Pro Aurum. Gerade die zuletzt gesunken Preise machen Gold und Silber für viele Anleger wieder attraktiv. Laut Hartmann liegt die Nachfrage 50 bis 70 Prozent über dem Niveau vor dem Preisrutsch. Offenbar bauen Privatanleger in der aktuellen Nullzinswelt nach wie vor auf Gold als sicheren Hafen.

Begehrter Schmuck
Auch aus den „Schmucknationen“ Indien und China wird nach dem Preisverfall von zehn Prozent bei Gold und 20 Prozent bei Silber über einen regelrechten Run auf Gold- und Silberpreziosen berichtet. Und Vermögensverwalter wie Martin Mack von Mack & Weise sind vom Glanz der Edelmetalle nach wie vor überzeugt: „Für unseren Fonds M & W Privat haben wir mit dem Preisrückgang weitere Goldbestände aufgebaut.“ Die Quote am Fondsvermögen habe sich von 20 auf 26 Prozent erhöht. „Solange keine Abkehr der Notenbanken von der Politik der Liquiditätsschwemme und der Niedrigzinsen zu sehen ist, bleiben physische Edelmetalle langfristig ein Investment erster Wahl.“

Doch noch sind die großen Finanzhäuser weiter gegen Gold und Silber positioniert. Für kaufinteressierte Anleger besteht deshalb keine allzu große Eile. Abstürze wie am vergangenen Pfingstmontag, als der Silberpreis im umsatzschwachen Asienhandel innerhalb weniger Minuten um zehn Prozent einbrach, können sich durchaus wiederholen.

„Die Großinvestoren kommen sicher irgendwann als Käufer zurück“, so Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch. „Doch solange die Aktienrally anhält und die Inflationsraten zurückgehen, ist damit nicht zu rechnen.“
Für Palladium und Platin ist das unerheblich: Sie werden unabhängig vom Anlegerverhalten weiter auf den Straßen der Welt gebraucht.

Investor-Info

Palladium-ETC
Edler Industrierohstoff
Wer in Zeiten des großen Goldrauschs vor vier Jahren — zum Tiefstpunkt an den Aktien- und Rohstoffmärkten — in Palladium investiert hat, kann sich heute über ein Plus von mehr als 220 Prozent freuen. Gründe sind der hohe Bedarf als hochwertiger Industrierohstoff und die gewandelte Wahrnehmung hin zu einem Anlage-Edelmetall. Die Perspektiven sind gut, weil das Angebot der Nachfrage kaum hinterherkommt und auch Investoren verstärkt auf den Zug aufspringen könnten. Rückschläge sind aber angesichts vergangener Gewinne nicht auszuschließen. Das einzige hiesige Rohstoffprodukt mit physisch hinterlegter Ware ist der ETFS-Palladium-ETC.

Platin-ETC
Hochwertiger Spezialist

Platin: Teurer Rohstoff
Viel Freude hat er Anlegern bisher nicht bereitet. Wer sein Kapital in den einzigen in Europa investierbaren Platin-ETC angelegt hat, der das Edelmetall auch tatsächlich einkauft, musste in den vergangenen zwei Jahren einen Verlust von 15 Prozent hinnehmen. Das könnte sich angesichts guter konjunktureller Perspektiven und einer Neubewertung als Anlagemetall ändern. Analysten sehen ein Aufwärtspotenzial von mehr als 20 Prozent in den kommenden neuen Monaten. Mittelfristig interessant. Langfristig muss die Entwicklung der Industrienachfrage im Auge behalten werden.

Edelmetallkorb
Glänzende Vielfalt
Anleger, die vor allem in Gold und Silber investieren, aber zugleich ihre Edelmetallpositionen um Palladium und Platin erweitern wollen, können auf den Physical PM Basket von ETF Securities setzen — einen Rohstoffkorb, der alle vier Edelmetalle abbildet und physisch hinterlegt. Wegen der hohen Gewichtung von gut 50 Prozent Gold folgt der Rohstofffonds vor allem dem Goldpreis. Platin (13 Prozent) und Palladium (12 Prozent) sind zusammen nur so stark wie Silber. Dass die Mischung für Anleger trotzdem aufgegangen ist, zeigt die Performance der vergangenen drei Jahre. Mit einem Gewinn von knapp 20 Prozent liegt die Wertentwicklung des Edelmetallkorbs über der von Gold (+ 16 Prozent).

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Bildquellen: Thorsten Rust / Shutterstock.com, Netfalls - Remy Musser / Shutterstock.com, Heraeus

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