Ostseepipeline Nordstream: Wettlauf zur Gas-Quelle
Am 9. April startet der Bau der Ostseepipeline Nord Stream. Wie sich E.on und BASF dadurch den Zugang zu russischem Gas sichern.
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Von Sabine Gusbeth, Euro
Am 9. April, wenn die Laichzeit der Heringe vorbei ist, beginnen die Bauarbeiten für die Ostseepipeline Nord Stream. Sie soll 55 Milliarden Kubikmeter sibirisches Gas pro Jahr über 1220 Kilometer aus dem russischen Wyborg ins deutsche Lubmin bei Greifswald transportieren. Von dort aus wird es über die Leitungen NEL und OPAL nach West- und Mitteleuropa verteilt. Und versorgt dann über 29 Millionen Haushalte. Doch darum allein geht es gar nicht. Die Gas-Magistrale soll ihren Anteilseignern, darunter Eon Ruhrgas und BASF Wintershall, vor allem den direkten Zugang zu den Lieferungen des weltweit größten Erdgasproduzenten sicherstellen, dem russischen Ex-Staatskonzern Gazprom.

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Plus500: Beachten Sie bitte die Hinweise5 zu dieser Werbung.Und zwar über Jahrzehnte „Nord Stream ist notwendig, um die Erdgasversorgung Europas zu garantieren“, betont Geschäftsführer Matthias Warnig, 54, im Interview mit €uro („Sichere und langfristige Renditen“). Noch werden 80 Prozent des russischen Gases für Westeuropa durch die Ukraine geleitet. Das ist riskant. Anfang 2009, als Gazprom den Hahn zudrehte, weil es mit Kiew Streit um die Gasrechnung gab, lief auch nichts mehr in den Westen.
Dieses Versorgungsrisiko soll nun der Gas-Bypass durch die Ostsee ausschalten. Daher hat die Europäische Union Nord Stream als „vorrangiges Energieprojekt“ klassifiziert.
Die Ukraine umgehen wollen auch die europäischen Wirtschaftspartner. Daher hält Eon Ruhrgas, Deutschlands Nummer 1 für Gasimport und -großhandel, 20 Prozent an Nord Stream, genauso viel wie der größte deutsche Erdgasproduzent Wintershall. Die niederländische Gasunie ist mit neun Prozent beteiligt. Der französische Konzern GdF Suez würde sich gerne neun Prozent an Nord Stream sichern. Derzeit verhandelt er mit Wintershall und Ruhrgas, die bereit wären, je 4,5 Prozent abzutreten. Mehrheitsaktionär Gazprom dürfte das recht sein. Immerhin erweitert sich so die Zahl seiner Handelspartner.
Insgesamt hat Gazprom Export „Kaufverträge über mehr als 21 Milliarden Kubikmeter geschlossen“, sagt Nord Stream-Chef Warnig. Wingas beispielsweise, die gemeinsame Tochter von Wintershall und Gazprom, plant nach eigenen Angaben, „über einen Zeitraum von 25 Jahren zusätzlich zu bestehenden Liefermengen jährlich bis zu neun Milliarden Kubikmeter Erdgas über die neue Pipeline Nord Stream zu beziehen.“
Lesen Sie auf der folgenden Seite, welche Marktmacht Gazprom schon heute auf dem deutschen Gasmarkt hat.
Schon heute stammen etwa 37 Prozent des in Deutschland verbrauchten Gases aus Russland. Tendenz steigend. Der deutsche wie der gesamteuropäische Markt sind für Gazprom besonders attraktiv. „Nirgendwo sonst erzielt Gazprom Preise wie hier“, sagt eine Studie des Firmenberaters A.T. Kearney.
Denn noch immer trägt der Gasmarkt oligopolistische Strukturen. Produktion, Import, Transport und Handel werden von wenigen Anbietern dominiert, die die Gaspreise festlegen und die Gewinne untereinander aufteilen können. Wintershall erzielte 2008 einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 3,8 Milliarden Euro. Bei Ruhrgas betrug das EBIT 2,6 Milliarden Euro.
Allerdings machen die europäischen Wettbewerbshüter den Gaskonzernen zunehmend das Leben schwer. Die EU-Kommission verhängte im Juli 2009 eine Kartellstrafe von je 552 Millionen Euro gegen Eon und GdF Suez. Sie hatten beim Bau der MEGAL-Pipeline vereinbart, im Heimatmarkt des Partners kein Gas aus dieser Leitung anzubieten. Zudem hatte Eon Ruhrgas im Dezember auf Druck der EU angekündigt, Kapazitäten in seinen Importleitungen an Wettbewerber freizugeben. Auch das Bundeskartellamt hatte „die marktabschottende Wirkung von langfristigen Kapazitätsbuchungen“ kritisiert.
Doch das bisherige Geschäftsmodell der Gaskonzerne ist nicht allein dadurch gefährdet, dass sie ihre Gasleitungen für mehr Wettbewerb öffnen müssen. Oder auf Druck der EU gar das Gasübertragungsnetz zum Verkauf stellen, wie RWE im Mai 2009 ankündigte. Es sind vor allem die Wirtschaftskrise und eine Schwemme an billigem Flüssiggas, die die Konkurrenz auf der Angebotsseite verschärfen.
Denn die hohen Gaspreise der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass sich nun Verfahren zur Gewinnung oder Verflüssigung von Erdgas (Liquefied Natural Gas, kurz LNG) rentieren, die sich zuvor aufgrund hoher Anfangsinvestitionen nicht gelohnt hatten. „Das Angebot wurde durch neue Fördermöglichkeiten und erweiterte Kapazitäten im LNG-Bereich ausgeweitet“, bestätigte Eon Ruhrgas- Chef Bernhard Reutersberg jüngst. „Das drückt auf die Preise.“
Der Gewinn von Ruhrgas war in den ersten neun Monaten 2009 um über 30 Prozent eingebrochen. An den Spotmärkten kostete Erdgas 2009 zeitweise nur ein Drittel dessen, was Gasimporteure mit langfristigen Abnahmeverträgen für Pipeline-Gas zahlen mussten. Denn in diesen ist häufig eine Ölpreisbindung vereinbart. Klettert der Ölpreis wie Mitte 2008 auf Rekordhöhe, wird auch das Gas für sie teuer. Immerhin rechnen Experten damit, dass Gas künftig stärker für die Stromgewinnung genutzt wird, weil es deutlich weniger CO2 verursacht als Öl oder Kohle.
Doch der wachsenden Nachfrage stehe eine „Gasschwemme“ gegenüber, glaubt Fatih Birol, Chefökonom der Internationalen Energieagentur (IEA). Für die Gaskonzerne bedeutet das: mehr Konkurrenz und fallende Gewinne. Bei Wintershall gibt man sich gelassen. Schließlich spreche die IEA von globalen Überkapazitäten. Dabei sei Erdgas nur bedingt weltweit handelbar. Selbst die IEA rechnet vor, dass die Gaspreise in Europa und im Asien-Pazifik-Raum „tendenziell steigen, da in den dortigen langfristigen Lieferverträgen – anders als in Nordamerika – die Ölpreisorientierung vorherrschend ist“.
Allerdings: Sinkende Spotmarktpreise für Flüssiggas könnten den „Druck auf Gasexporteure und Gashändler“ erhöhen, schreibt die IEA. Und deren Einkommensquelle gefährden.
Schon regt sich Widerstand gegen die langfristigen Lieferverträge, die Gasimporteure und -händler für Jahrzehnte verpflichten, eine Mindestmenge abzunehmen – unabhängig davon, ob sie selbst Käufer dafür finden. Eon wird sogar richtig nervös: Vorstandschef Wulf Bernotat kündigte Ende 2009 an, sein Unternehmen werde sich künftig stärker auch an Spotmärkten orientieren. Aber warum wollen die Betreiber dann überhaupt eine neue Pipeline wie Nord Stream bauen, die sie dazu verpflichtet, über langfristige Abnahmeverträge zusätzlich teures Gas zu importieren?
Erfahren Sie auf der folgenden Seite, warum die deutschen Gaskonzerne trotzdem langfristige Abnahmeverträge mit Gazprom schließen. Bei Eon Ruhrgas heißt es dazu lapidar, „die Liefermengen werden weiterhin zur Versorgung benötigt“. Auch Wintershall geht davon aus, dass „die Bedeutung der russischen Gasreserven für Deutschland und Europa weiter steigen“ wird. Zwar stellten auch Norwegen, Nordafrika und LNG zukünftig wichtige Quellen dar, die „reichen aber nicht aus“.
Dabei dürfte ein anderer Grund viel entscheidender sein: Die deutschen Konzerne versprechen sich von der Kooperation mit Gazprom direkten Zugang zu russischen Gasfeldern. Dann könnten sie ihre eigene Gasförderung ausweiten und verstärkt als Produzent auftreten. Tatsächlich verschärft der rasant wachsende Energiebedarf aufstrebender Schwellenländer wie China und Indien den Wettbewerb um Rohstoffe erheblich. So will PetroChina künftig von Gazprom pro Jahr bis zu 80 Milliarden Kubikmeter Gas kaufen. Das entspricht etwa der Hälfte der Menge, die derzeit nach Europa exportiert wird.
Wer aber direkt an der Quelle sitzt, profitiert von diesem Wettbewerb. Schon jetzt sind Eon Ruhrgas und Wintershall mit je knapp 25 Prozent an dem Gasfeld Yushno Russkoje beteiligt. Nun wollen sie mehr.
Eon Ruhrgas-Chef Reutersberg kündigte im Dezember an, er wolle die „Aktivitäten über den Handel hinaus noch stärker als früher auf die eigene Gasförderung ausdehnen“. Auch Wintershall will die Erdgasförderung in diesem Jahr steigern: „Die deutliche Ausweitung der Produktion wird aktuell vor allem von unseren Aktivitäten in Russland getragen“, sagt Vorstandschef Rainer Seele.
Gazprom wiederum braucht Investoren und Know-how aus dem Ausland, um auch die schwer zugänglichen Gasreserven im Permafrostboden erschließen zu können. Deshalb geht der Konzern aggressiv gegen drohende Konkurrenz vor.
Etwa die geplante Nabucco-Pipeline, die Gas aus dem Mittleren Osten nach Europa bringen soll – und dabei Russland umgeht. Der Pipeline, an der sich RWE beteiligen will, macht der russische Monopolist bereits in der Planungsphase die Zulieferer streitig und will mit South Stream eine Konkurrenz-Trasse nach Südeuropa und Österreich bauen.
Doch während South Stream und Nabucco noch Visionen sind, für die nicht einmal die Investitionszusagen stehen, stapeln sich in Mukran auf Rügen und im finnischen Kotka rund 800 Kilometer verlegefertige Rohre für die erste der beiden Nord Stream-Leitungen. Am 9. April, wenn die Heringsschwärme abgezogen sind, soll es endlich losgehen. Dann haben Eon Ruhrgas und Wintershall und ihr russischer Partner Gazprom vorerst die Nase vorn.
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