€uro-Interview

„Die vergangenen zehn Jahre sprechen gegen Aktien“

05.09.09 12:00 Uhr

Der Mathematiker Roland Weber, 53, ist Vorstand der Debeka Versicherungen in Koblenz. In seine Zuständigkeit fällt der Bereich der Lebensversicherung. Ein Gespräch über die Zukunft der Branche.

von Ulrich Lohrer, €uro

€uro: Herr Weber, die Debeka schreibt ihren Kunden 2009 mit 4,8 Prozent eine hohe laufende Verzinsung gut. Ihr Anlageergebnis laut Nettoverzinsung betrug 2008 aber nur 4,2 Prozent. Halten Sie Ihre Kunden mit den Reserven bei Laune?
Roland Weber: Eigentlich nicht. Neben dem Kapitalergebnis haben wir ja noch Kostenüberschüsse, auf die wir zurückgreifen können. Auch lag die durchschnittliche Verzinsung mit 5,2 Prozent über der Nettoverzinsung. Unser Ziel ist aber auch, die Kundengutschrift zu glätten. Erwirtschaften wir in einem Jahr am Kapitalmarkt weniger, können wir auf die freien Rückstellungen für Beitragsrückgewähr zurückgreifen.

Stark angestiegen sind – im Vergleich zu 2007 – Ende 2008 Ihre stillen Reserven. Auf die könnten Sie ja auch noch zurückgreifen.
Weber: Das wollen wir aber nicht, weil dieser Anstieg der stillen Reserven aus Kursgewinnen der festverzinslichen Wertpapiere resultiert. Und diese Papiere wollen wir bis zu ihrer Endfälligkeit halten.

Nach der Senkung der Leitzinsen durch die Notenbank ist das Zinsniveau nun deutlich niedriger als 2008. Für Neuinvestitionen in diese Papiere bekommen Sie also weniger. Müssen Sie nächstes Jahr etwa Ihre Gutschriften senken?
Weber: Nein. Beim gegenwärtigen Zinsniveau könnten wir sogar zehn weitere Jahre eine laufende Verzinsung von 4,8 Prozent gutschreiben. Zwar investieren wir vor allem in sichere öffentliche Staatspapiere, aber nicht in die iedrigverzinslichen Bundesanleihen. Daraus erhalten wir eine Verzinsung von etwa 4,5 Prozent. Für Papiere mit langer Restlaufzeit und Unternehmensanleihen gibt es sogar sechs Prozent.

In Aktien dagegen investiert die Debeka traditionell kaum. Ende 2007 hatten Sie nur 1,8 Prozent, Ende 2008 sogar nur 0,4 Prozent Ihrer Kapitalanlagen dort angelegt. Auch wenn dies in der Finanzkrise eine gute Entscheidung war: Wäre es jetzt nicht sinnvoll, den Aktienanteil deutlich zu erhöhen?
Weber: Nein, wir bleiben unserer Philosophie treu. Auch wenn gerne behauptet wird, dass sich mit Aktien eine überdurchschnittliche Performance erzielen lässt – die Ergebnisse der vergangenen zehn Jahre sprechen dagegen. Außerdem würde das nicht der Einstellung unserer Kunden entsprechen, die sehr viel Wert auf Sicherheit legen. Viele stammen aus dem Bereich des Öffentlichen Dienstes und der betrieblichen Altersvorsorge. Ein hoher Aktienanteil verursacht überdies hohe Verwaltungskosten und hohe Eigenkapitalkosten.

Tatsächlich gehören Ihre Verwaltungskosten zu den niedrigsten am Markt. Deutschlands größter Lebensversicherer, die Allianz, hat allerdings in den vergangenen Jahren die Kosten radikal gesenkt und Ihr Niveau bei der Verwaltungskostenquote erreicht. Sind weitere Kosteneinsparungen noch möglich?
Weber: Ich glaube, dass wir bald die Grenze bei einer Verwaltungskostenquote von einem Prozent erreicht haben. Weitere Einsparungen wären dann nur noch mit weniger Service möglich. Und das wollen wir nicht.

Achten Anleger überhaupt auf niedrige Kosten und hohe Gutschriften oder vertrauen sie nicht blind ihrem Berater, weil sie die Policen kaum durchschauen können?
Weber: Die Allianz hat seit Beginn ihrer Kostensenkung jedenfalls Marktanteile hinzugewinnen können und wir verzeichnen seit Jahren ein starkes Wachstum. Ich glaube, dass sich mehr Menschen informieren, weil sie merken, dass es sich für sie auszahlt und der Markt in den vergangenen Jahren transparenter geworden ist. Es gibt aber allerdings auch mittelgroße Versicherer, die mit einer Verwaltungs- kostenquote von drei Prozent leben können. Ein Problem werden eher kleinere Versicherer bekommen, die die hohe Kosten für die Erneuerung ihres EDV-Sxstems, die Kosten für die sich ständig ändernde Vorschriften bei der Asset Liability und den Eigenkapitalvoraussetzungen wie etwa durch Solvency II kaum tragen können. Deshalb wird es auch künftig zu weiteren Fusionen in der Branche kommen.

Die Debeka ist eine der größten Gesellschaften in der Rechtsform des Versicherungsvereins. Die meisten großen Lebensversicherer sind Aktiengesellschaften. Welche Folgen hat dies für die Versicherten?
Weber: Sicherlich unterliegen wir nicht dem Interessenkonflikt einer Aktiengesellschaft, die ihre Erträge zwischen Aktionären und Versicherten verteilen müssen. Unsere Versicherte sind gleichzeitig Eigentümer der Gesellschaft. Wir überlegen, ob wir künftig auf diesen Vorteil stärker hinweisen werden.

Worauf legen Kunden bei der Altersvorsorge noch Wert – und wie reagieren Sie darauf?
Weber: Aufgrund der Schwankungen am Arbeitsmarkt und Unterbrechungen des Erwerbslebens – etwa durch die Erziehungszeit von Müttern oder Vätern – haben die Brüche in den Erwerbsbiographien zugenommen. Dadurch lassen sich zum Teil auch höhere Stornoquoten erklären. Wir haben deshalb die Flexibilität unserer Produkte insbesondere bei der Einzahlung deutlich erhöht. Allerdings sind davon die verschiedenen Produktbereiche unterschiedlich betroffen. So lassen sich beispielsweise Produkte der staatlich geförderten Altersvorsorge – die Riester- und Basis-Renten – nur bedingt flexibilisieren. Der Grund: Durch die gesetzlichen Vorgaben sind diese Policen an sich sehr stark reguliert. So sind beispielsweise die Zulagen und die Steuervorteile bei der Riester-Rente auf vier Prozent des Einkommens begrenzt.