Wohnriester-Verträge: Fünf Jahre Schöner Wohnen
Im Herbst 2008 wurden die ersten Wohnriester-Verträge unterschrieben. Bald wird die Millionengrenze überschritten. Trotz Reformen bleiben sie kompliziert.
von Stefan Rullkötter, Euro Magazin
Lieber Steine als Zinsen, Fonds und Policen. So lässt sich die Bilanz der Riester-Rente der vergangenen beiden Jahre zusammenfassen. Während klassische Verträge von Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen kaum noch gefragt sind, stecken die meisten neuen Riester-Sparer ihr Geld lieber in die eigenen vier Wände. Steigende Mieten in den Ballungsräumen und attraktive Baugeldkonditionen tun ein Übriges für den Erfolg des Wohnriester. Bis Jahresende wird die Zahl der „Immobiliensparer“ auf rund 1,1 Millionen steigen. „Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen“, meint Matthias Metz, Vorstandsvorsitzender der größten deutschen Bausparkasse Schwäbisch Hall.
Im November 2008 wurden die ersten Wohnriester-Verträge zertifiziert. Grundidee: Den Kauf von selbst genutztem Wohneigentum staatlich zu fördern. Damit sollen Vorsorgelücken geschlossen werden — im Rentenalter sinkt das Einkommen, die Miete nicht. Fast jeder dritte Rentnerhaushalt muss mehr als 35 Prozent des Einkommens für die Miete aufwenden. Laut Statistischem Bundesamt geben Rentner, die zur Miete wohnen, im Schnitt 26 Prozent ihres Einkommens dafür aus – Tendenz steigend.
Damit sich Wohnriesterkunden diese Ausgaben später ersparen, erhalten sie — wie bei klassischen Riester-Produkten — pro Jahr 154 Euro staatliche Zulage. Für jedes Kind, das seit 2008 geboren wurde, gibt es 300 Euro obendrauf, für ältere Kinder 185 Euro. Um die volle Zulage zu erhalten, muss ein Anleger vier Prozent seines Vorjahres-Bruttoeinkommens, inklusive der Zulagen höchstens 2100 Euro pro Jahr, einzahlen. Ein zusätzlicher fiskalischer Bonus: Geleistete Sparbeträge sind in der Steuererklärung als Sonderausgaben abzugsfähig.
Optionen für Immobiliensparer. Wer sich für Wohnriester entscheidet, hat die Wahl zwischen geförderten Bausparverträgen, Darlehen und einer Kombination aus beiden.
Bei der am stärksten gefragten Bausparvariante wird zuerst ein bestimmter Betrag angespart und verzinst. Ist der Vertrag zuteilungsreif, gibt die Bausparkasse ein Darlehen, das anschließend abbezahlt wird. Die Zuschüsse werden sowohl während der Anspar- als auch während der Tilgungsphase gewährt.
In der Darlehensvariante kann der Kunde auch mithilfe der staatlichen Förderung tilgen. Bausparkassen und Banken bieten dazu spezielle Kreditprodukte an. Dank der Zulagen lassen sich diese Darlehen schneller zurückführen als vergleichbare ungeförderte Kredite — das führt häufig dazu, dass Kreditnehmer einige Tausend Euro Zinsen sparen.
Auch wenn der Wohnriester als der Wegbereiter ins Eigenheim einleuchtet, steckt der Teufel im Detail. Daher hat der Gesetzgeber zuletzt mehrere Punkte neu justiert: Durch das „Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz“, das in weiten Teilen am 1. Juli in Kraft getreten ist, soll der Wohnriester ab 2014 flexibler werden. Eine der wichtigsten Änderungen: Ab Januar 2014 können Wohnriester-Sparer schon in der Ansparphase ihrem Sparvertrag jederzeit Geld entnehmen. Das angesparte Kapital können sie etwa für den Kauf einer Immobilie, den Abbau von Schulden oder Kredit-Sondertilgungen verwenden. Bislang war es nur bei sogenannten Kombiverträgen — ein Vorausdarlehen wird später durch den Bausparkredit abgelöst — möglich, das angesparte Riester-Guthaben bereits in der Einzahlphase zu entnehmen, ohne die staatliche Förderung zu verlieren. Ein weiterer Vorteil: Durften Sparer bisher nur bis zu 75 Prozent oder die gesamte Summe aus einem Riester-Vertrag entnehmen, ist nun außerdem jeder Betrag ab 3000 Euro möglich. Einzige gesetzliche Bedingung: Wer Geld abzieht, muss mindestens 3000 Euro als Kapitalgrundstock in seinem Vertrag belassen.
Weniger Bürokratie. Außerdem können Sparer das Guthaben künftig unbürokratischer nutzen, um ihr Eigenheim altersgerecht oder behindertengerecht umzubauen. „Die Entnahme des Riester-Guthabens für die Finanzierung eines Umbaus hat dann keinen negativen Einfluss mehr auf den Erhalt der Förderung“, erklärt Annabel Oelmann, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Dafür muss der Sparer mindestens 20 000 Euro entnehmen, in den ersten drei Jahren nach dem Kauf der Immobilie aber mindestens 6000 Euro.
Die Hälfte des entnommenen Kapitals muss er in Umbauten investieren, die den Vorgaben für barrierefreies Bauen nach DIN 18040-2 entsprechen. Der Rest muss verwendet werden, um eventuelle Barrieren zu beseitigen. Um die Förderung zu behalten, müssen beide Maßnahmen von einem Gutachter geprüft und genehmigt werden.
Ähnlich flexibel sollen Wohnriester-Verträge künftig auch im Fall eines Umzugs genutzt werden können: Ein Wohnriester-Kunde, der sein selbst genutztes Haus oder seine Eigentumswohnung zu einem späteren Zeitpunkt wechselt, darf seine staatliche Förderung ab dem Jahr 2014 „mitnehmen“. Das bedeutet in der Praxis: Bei einem Umzug darf er einen Betrag in Höhe des sogenannten Wohnförderkontos in seine neue Immobilie investieren.
Das ist wichtig, weil es für Wohnriester-Kunden mit der Rückzahlung des Darlehens nicht getan ist: Damit sie gegenüber klassischen Riester-Sparern nicht steuerlich bevorteilt werden, führt die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen für jeden Wohnriester-Vertrag ein Wohnförderkonto. Dort werden alle Sparleistungen, Zulagen und Tilgungen verbucht. Dieser fiktive Betrag wird jährlich mit zwei Prozent verzinst.
Ab Renteneintritt muss diese Summe mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden, entweder bis zum 85. Lebensjahr oder auf einen Schlag. Wer sich für die letztere Option entscheidet, erhält dann auf seine noch ausstehende Steuerschuld einen Rabatt von 30 Prozent. Diese einmalige Besteuerung ist seit Juli dieses Jahres für Immobiliensparer auch während der gesamten Auszahlungsphase möglich.
Leichter umziehen. Ein weiterer neuer Bonus für umziehende Wohnriester-Sparer: Die „Reinvestitionsfrist“ — die Zeit bis zum Kauf einer neuen Immobilie — wird ab 2014 von zwei auf fünf Jahre nach Ablauf des Veranlagungszeitraums verlängert, in dem der Sparer sein altes Eigenheim letztmals selbst genutzt hat.
Wichtig: Das geförderte Eigenheim muss weiter innerhalb der Europäischen Union liegen. Wer seinen Alterswohnsitz etwa in die Schweiz oder nach Thailand verlegt, muss staatliche Zulagen und Steuervorteile zurückzahlen.
Dennoch bleibt die Eigenheimrente auch fünf Jahre nach ihrer Einführung in mehreren Punkten kompliziert. Der Hauptkritikpunkt: Die Förderbeträge und Wohnriester-Guthaben, die Sparer ansammeln, werden zusätzlich fiktiv verzinst und später besteuert. Der Zins von zwei Prozent erscheint zwar auf den ersten Blick nicht übermäßig hoch, läppert sich aber infolge des Zinseszinseffekts vor allem bei lang laufenden Verträgen zu einem Steuerschuldenberg. „Das kann den Fördervorteil im Nachhinein rapide abschmelzen lassen“, warnt Finanzexpertin Oelmann.
„Hätte der Bundesrat die geplante Senkung der Guthabenzinsen auf Wohnförderkonten von zwei auf ein Prozent nicht gekippt, wären Sparer entlastet worden“, kritisiert Max Herbst von der FMH-Finanzberatung in Frankfurt. Bei dem aktuellen Zinssatz wachse der zu versteuernde Betrag deutlich stärker — und die dadurch ebenfalls erhöhte Steuer zehre einen Großteil der Förderung auf. Zudem ist ungewiss, ob diesem Zinssatz ein ebenso großer jährlicher Wertzuwachs der per Riester finanzierten Immobilie gegenübersteht — besonders wenn das Objekt weit entfernt von gefragten Metropolen liegt. Muss der Immobilienbesitzer später zum Beispiel nach einer Scheidung verkaufen, kann unterm Strich ein dickes Minus stehen.
„Riester-Bausparverträge lohnen sich nur, wenn man nach der Sparphase auch das Darlehen abruft“, bilanziert Zinsexperte Herbst. „Wer sich gegen das Bauen entscheidet, behält ein schlecht verzinstes Guthaben und hätte sein Geld besser in einen guten Banksparplan gesteckt.“ Klarheit erst bei Renteneintritt. Wie viel Steuern Riester-Sparer in Zukunft tatsächlich zahlen müssen, ist kaum vorhersehbar. Spätestens mit 68 Jahren muss das Wohnförderkonto aufgelöst und das im Laufe der Jahre aufsummierte Kapital versteuert werden. Je höher die Alterseinkünfte aus gesetzlicher Rente, Betriebsrente und sonstigen Einkünften sind, desto stärker fällt die Riester-Steuer dann ins Gewicht.
Mit Erreichen des Renteneintrittsalters sollten Sparer daher durchrechnen, ob sie die Steuerschuld mit Abschlag sofort begleichen oder besser bis zum 85. Lebensjahr in voller Höhe abbezahlen. Auch in Sachen Bürokratie gibt es Nachbesserungsbedarf. Wer einen klassischen Riester-Sparvertrag besitzt, kann zwar auch diesen als Eigenkapital einsetzen oder damit ein Baudarlehen tilgen. Kunden, die Kapital entnehmen wollen, müssen dies dagegen weiterhin umständlich bei der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen beantragen.
„Zudem muss man hier die Kündigungsfrist für das Darlehen einkalkulieren“, sagt Oelmann. Diese beträgt oft drei Monate zum Quartalsende, kürzere Fristen sind nur im Einzelfall möglich.“ Experten bemängeln zudem den weiter hohen bürokratischen Aufwand beim Antrags- und Zulageverfahren. Außerdem sind die Wohnriester-Produkte nach wie vor nur schwer vergleichbar.
Dabei muss es unter der neuen Bundesregierung nicht bleiben: „Die Politik hat mit den jüngsten Gesetzesänderungen gezeigt, dass sie willens ist, dieses Altersvorsorgemodell bei Bedarf weiter zu verbessern“, sagt LBS Bayern-Chef Franz Wirnhier. Fortschritte sind zu erwarten, wenn sich die Blockade zwischen Regierung und Bundesrat auflösen sollte.
€uro hat die wesentlichen Tarifmerkmale der beliebtesten Wohnriester-Produkte zusammengestellt (siehe Tabelle unten). Das Fazit: Ob sich der Wohnriester rechnet, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern sollte anhand der Einkommens- und Lebensverhältnisse immer individuell geprüft werden.