Infinus: Halbe Milliarde Anlegergeld im Feuer
Der insolvente Finanzdienstleister Infinus soll ein Schneeballsystem aufgezogen haben. Ab Anfang April können die geschädigten Anleger ihre Forderungen anmelden. Das Bangen bleibt.
von Michael H. Schulz, Euro am Sonntag
Bei der Razzia machten die Fahnder fette Beute: zwei Luxusautos (ein Bentley Continental GT und ein Porsche Cayenne), dazu 24 Kilobarren Gold, zwei Motorboote, mehr als ein Dutzend Luxusarmbanduhren und Sparvermögen im Wert von insgesamt 2,6 Millionen Euro - all dies beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Dresden bei Jörg H. Biehl, der in Untersuchungshaft sitzt und inzwischen pleite ist.
Biehl ist Gründer der ebenfalls insolventen Future Business (Fubus), die Muttergesellschaft der Dresdner Infinus-Gruppe. Diese ist ein wild wucherndes Gestrüpp aus Emittenten und Vermittlern, die Anlegern Anleihen, Goldsparpläne und Genussrechte aus ihrem Bauchladen aufschwatzten. Die Staatsanwaltschaft Dresden beschlagnahmte von fünf Infinus-Bossen und von der insolventen Wertpapierhandelsbank Infinus Finanzdienstleistungsinstitut (IFD) Vermögenswerte in Höhe von rund 14 Millionen Euro. Das Immobilienvermögen ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt.
Gegen Biehl und weitere Tatverdächtige ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlichen Anlegerbetrugs. In Verkaufsprospekten zu sogenannten Orderschuldverschreibungen (siehe Glossar), eine besondere Form von Anleihen der Fubus, sollen die Infinus-Verantwortlichen unrichtige Angaben zur Vermögens- und Ertragslage gemacht haben. Kosten sollen die Fubus-Bilanzakrobaten dank eines Karussellgeschäfts in Erträge gedreht haben, um ihre Unternehmenszahlen für neue Anleger zu schönen.
In Wirklichkeit handelte es sich den Fahndern zufolge um ein betrügerisches Schneeballsystem, bei dem die angeblichen Zinsen nicht aus der Ertragslage stammen, sondern tatsächlich das Geld neuer Anleger sind. Wie hoch der Schaden exakt ist, lässt sich noch nicht beziffern. Fest steht, dass mehr als eine halbe Milliarde Euro Anlegerkapital im Feuer stehen.
Frühestens 2015 Teilauszahlung
Die beschlagnahmten Vermögensgegenstände sind für rund 25.000 Anleger zunächst nur ein schwacher Trost. Die Staatsanwaltschaft hat sie zwar gesichert, darf den Gegenwert in Euro aber nicht an Geschädigte auszahlen. Besitzer von Orderschuldverschreibungen müssen entweder selbst vor Gericht ihre Ansprüche einklagen oder bei den verschiedenen Insolvenzverfahren ihre Ansprüche anmelden. Die durchschnittliche Insolvenzquote - jener Anteil, den die Insolvenzgläubiger nach Abschluss des Verfahrens aus der Insolvenzmasse erhalten - liegt in Deutschland allerdings nur bei drei Prozent. Zeichnern von Genussscheinen und Nachrangdarlehen steht nicht einmal diese Quote zu.
Anfang April soll das Insolvenzverfahren über Fubus eröffnet werden. Das Unternehmen ist der größte Emittent der Infinus-Gruppe und sammelte allein mittels Orderschuldverschreibungen 589 Millionen Euro ein. Anschließend folgt Prosavus. Diese Firma gab Genussrechte heraus (siehe Tabelle). Doch Anleger müssen sich noch gedulden, bis sie Geld möglicherweise zurückbekommen. "Abschlagszahlungen werden voraussichtlich frühestens im Laufe des Jahres 2015 möglich sein", erklärt der vorläufige Insolvenzverwalter Bruno Kübler.
Auch das Infinus Finanzdienstleistungsinstitut (IFD), eine Wertpapierhandelsbank, ist seit Anfang März insolvent. Mehr als 800 vertraglich gebundene Vermittler konzentrierten sich dort auf Menschen, die ihre Lebensversicherung loswerden wollten oder eine attraktive Sparanlage suchten. Ihnen verkauften die IFD-Leute riskante Orderschuldverschreibungen, Genussrechte und Nachrangdarlehen von Fubus.
Die Versicherten tauschten ihre Police also gegen das unternehmerische Risiko von Fubus. Kaum einer ahnte, dass die Erträge nie erwirtschaftet wurden, sondern offensichtlich frisiert waren. "Geblendete Anleger achten angesichts der versprochenen Erträge auch nicht auf die hohen Kosten, etwa Provisionen. Die fließen oft in Schwester- und Tochterunternehmen desselben Verbunds. Was dort mit dem Geld geschehen kann, erfährt der geprellte Investor erst im Nachhinein, wenn er von luxuriösen Firmenwagen und astronomischen Gehältern hört", erklärt Bankkaufmann Klaus Hinkel, Vorstand beim Vermögensverwalter Artus Asset Management.
Namhafte Versicherer im Visier
Mit der Emission der riskanten Papiere refinanzierte Fubus seine Investitionen in Policen aus zweiter Hand. Doch nicht nur die Gebrauchten waren für die Dresdner interessant. Zur Masche von Infinus gehörte es laut Angaben von Anwälten offenbar, Mitarbeiter der Infinus-Gruppe sowie deren Freunde ebenfalls zu Versicherungsnehmern zu machen - quasi im Rahmen einer betrieblichen Altersvorsorge.
Dabei spielte wiederum die Tochtergesellschaft "Infinus Ihr Kompetenz-Partner" (IKP) eine wichtige Rolle. Die IKP zahlte beispielsweise regelmäßig Beiträge für Policen folgender Versicherer: Finance Life (eine Tochter der österreichischen Uniqa), Vorsorge Luxemburg (sie ist Teil der Ergo-Gruppe, die wiederum zum Rückversicherer Munich Re gehört), Wiener Städtische, Alte Leipziger und Gothaer. Hinter den Abschlüssen steckte offenbar nicht nur das Streben nach Altersvorsorge, sondern auch eine ausgebuffte Masche. Denn laut den Ermittlern sollen damit Kosten in der Bilanz in Erträge umfrisiert worden sein.
Ob Wiener Städtische, Gothaer oder Vorsorge Luxemburg - IKP-Vermittler schlossen Lebensversicherungen ab und zahlten dafür Prämien. Im Gegenzug überwiesen die Versicherer Provisionen an Infinus und legten den Investmentanteil aus den Policen meist wieder bei Infinus an. Aus den überwiesenen Provisionen soll die IKP dann wieder die Beiträge für die Fondspolicen gezahlt haben. Das funktionierte so lange, wie Provisionen zurückflossen.
Kurz vor der Pleite der IKP am 25. November 2013 wollten viele IKP-Versicherungsnehmer jedoch ihre Fondspolice beleihen, beispielsweise bei der Wiener Städtischen. Der Verdacht der Fahnder: Mit der Beleihung des Rückkaufswerts nach Ablauf der Stornofrist wollte man weiter die Prämien in die fondsgebundene Police zahlen. Die Wiener Städtische erstattete Anzeige wegen Geldwäsche, danach rückten die Fahnder an und beschlagnahmten 13 Versicherungskonten. Damit flog die Provisionsmasche dann auch in Deutschland auf.

Konstruktion der Anleihe
Wertpapiere, die auf den Namen des Inhabers lauten, nennt man Orderschuldverschreibungen. Für Anleger hängt die Rückzahlung des Kapitals von der Zahlungsfähigkeit des Emittenten ab. Der Zahlungsausfall ist umso wahrscheinlicher, je größer die Differenz zwischen dem Effektivzins der Anleihe und der Ertragslage des Emittenten ist.
Provisionskarussell
Um Provisionen für die Vermittlung von Lebensversicherungen von den Anbietern zu kassieren, müssen regelmäßig Beiträge eingezahlt werden. Bei Infinus zahlten Vermittler offenbar die Prämien zum Teil aus den empfangenen Provisionen. Der Rest wurde an die Muttergesellschaft Fubus, die Orderschuldverschreibungen emittierte, durchgereicht. Fubus verbuchte die Courtage als Erträge und zahlte davon Zinsen an Anleger.