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Krankenversicherung: Autsch, das wird teuer!

14.01.17 03:00 Uhr

Krankenversicherung: Autsch, das wird teuer! | finanzen.net

Dieses Jahr müssen Millionen gesetzlich und privat Versicherte mehr zahlen. Wie Betroffene reagieren können. Wo sich sparen lässt.

von Markus Hinterberger, Euro am Sonntag

Zum Jahresbeginn haben 27 Krankenkassen ihren Zusatzbeitrag angehoben. Obwohl Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) fürs Wahljahr 2017 keine steigenden Zusatzbeiträge versprochen hat. Doch viele Kassen können sich nicht daran halten. Gründe gibt es einige: Behandlungsmethoden werden immer besser, aber auch teurer. Und die niedrigen Zinsen machen den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und den privaten Krankenversicherern (PKV) zu schaffen.



Zur Erinnerung: Der Zusatzbeitrag der GKV ist nur ein Teil des Gesamtbeitrags, er schwankt derzeit zwischen 0,3 und 1,8 Prozent des Bruttoeinkommens. Hinzu kommen 14,6 Prozent des Bruttos als Grundbeitrag, den Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils zur Hälfte zahlen. "Im Lauf des Jahres 2017 wird es weitere Beitragssteigerungen geben", befürchtet Thomas Adolph vom Portal gesetzlichekrankenkassen.de.

Für privat Krankenversicherte gab es kein Versprechen des Gesundheitsministers. Das liegt auch daran, dass genau genommen jeder Privatversicherte einen individuellen Beitrag mit seinem Anbieter geschlossen hat und in diese Verträge keiner reinregieren kann.


Je weniger die privaten Verträge von der Politik abhängig sind, desto mehr wirken sich die Niedrigzinsen auf Privatversicherte aus. Für sie bilden die Versicherer Alterungsrückstellungen. Diese werden für jeden Versicherten angesammelt und sollen dafür sorgen, dass die Beiträge im Alter nicht so stark steigen - schließlich fallen die höchsten Behandlungskosten im letzten Lebensdrittel an. Sind die Zinsen hoch, kann die Versicherung viel für ihre Kunden ansparen - und umgekehrt. Folge: Die Beiträge steigen. Ob und wie stark die jeweilige Versicherungsgesellschaft diese anheben, können Außenstehende nicht vorhersehen. Denn die Beiträge werden je nach Tarif angepasst.

Bei der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es keine Alterungsrückstellungen, trotzdem muss der Gesundheitsfonds - so der Name der Sammelstelle, in die sämtliche Beiträge fließen, bevor sie an die einzelnen Kassen verteilt werden- Geld anlegen. Als großer institutioneller Anleger muss der Gesundheitsfonds bereits heute Strafzinsen zahlen. Noch wirken sich diese nicht auf die Beiträge aus, es kann aber sein, dass es bald so weit ist.
Prämiensteigerungen der größten PKV-Anbieter (pdf)

Die Auswege

Erhöht die Krankenkasse den Beitrag, haben gesetzlich Versicherte ein Sonderkündigungsrecht, das die übliche 18-monatige Bindungsfrist aushebelt. Spätestens einen Monat, bevor der Zusatzbeitrag zum ersten Mal erhoben wird, muss die Versicherung alle Mitglieder anschreiben und sie auf das Sonderkündigungsrecht und eine Übersicht des GKV-Spitzenverbands hinweisen (www.gkv-zusatzbeitraege.de). Wenn der jeweilige Zusatzbeitrag der Kasse den durchschnittlichen Beitrag von derzeit 1,1 Prozent überschreitet, muss sie auch auf die Möglichkeit des Wechsels zu einer günstigeren Kasse hinweisen. Die Kündigung wird dann Ende des übernächsten Monats wirksam. Auch ohne Beitragserhöhung können GKV-Mitglieder in der Regel nach 18 Monaten Mitgliedschaft mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten ohne Probleme wechseln - Gesundheitsprüfungen wie bei der Privaten gibt es nicht.


Privat Versicherte, denen die Versicherung zu teuer geworden ist, sollten versuchen, innerhalb ihrer Versicherung in einen Tarif zu wechseln, der weniger Leistungen bietet. Hier unterstützen sie Versicherungsberater, die gegen Honorar auch Alttarife, die eigentlich geschlossen sind, ausfindig machen und beim Wechseln helfen. Die Versicherung zu wechseln lohnt sich selten, denn dann sind nicht nur sämtliche Alterungsrückstellungen verloren, sondern der neue Versicherer verlangt auch eine neue Gesundheitsprüfung, die im fortgeschrittenen Alter meist schlechter als in jungen Jahren ausfällt und für einen hohen Beitrag sorgt.

Und sollte im September eine SPD-geführte Regierung gewählt werden, droht allen Versicherten neues Ungemach. Die Grenze für den Kassenbeitrag soll von derzeit 4.350 Euro auf die Beitragsbemessungsgrenze für die Rente (im Westen 6.350 Euro) erhöht werden. So würde etwa ein gesetzlich versicherter Angestellte mit 6.000 Euro Monatsbrutto nicht mehr rund 365 Euro, sondern knapp 430 Euro im Monat aus eigener Tasche zahlen. Die privaten Versicherer sollen laut SPD schrittweise ganz abgeschafft werden, sodass alle in einer Bürgerversicherung versichert sind und womöglich die Beiträge der GKV zahlen.
Alle Krankenkassen verlangen jetzt einen Zusatzbeitrag (pdf)

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