Anlagestrategie

Altersvorsorge zum Selbermachen

03.08.13 03:00 Uhr

Klassische Lebensversicherungen bringen immer weniger Rendite. Wer seine Altersvorsorge selbst baut, hat höhere Ertragschancen. Was Sie beim Bauplan beachten müssen.

von M. Reim und L. Vogel, Euro am Sonntag

Ist dies der Anfang vom Ende einer großen Liebe? Wie jetzt bekannt wurde, schrumpfte der Absatz von klassischen Lebensversicherungen im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent. Sollten die Deutschen tatsächlich ihrer liebsten Form der Altersvorsorge den Rücken kehren, wäre das allzu verständlich. Schließlich können die Anbieter wegen der Niedrigzinsen immer weniger garantierte Rendite versprechen. Neue Produkte bieten gar keinen Garantiezins mehr.

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Das Dilemma der Versicherer: Weil sie eine Garantie bieten müssen, können sie kaum in andere Anlagen als sichere Anleihen mit festen Zinsen investieren. Deren Renditen sind im Zuge der Eurokrise aber auf ein Niveau gefallen, das vor allem für langfristige Anleger — und nichts anderes sind die meisten Menschen, die eine Lebensversicherung abschließen — unattraktiv ist.

Wer finanziell aktiv ist, kann das Dilemma umgehen und sich selbst um seine Altersvorsorge kümmern. Insbesondere junge Sparer profitieren. Sie können die Quote von risikoreicheren — und damit langfristig ertragreicheren — Aktien in der Sparphase hoch halten. Erst mit zunehmendem Alter sollte von Aktien immer stärker in festverzinsliche Papiere umgeschichtet werden, damit ein Kurssturz vor der Pensionierung nicht alles kaputtmacht. Diese Arbeit können spezielle Investmentfonds dem Anleger abnehmen, die sich wie Versicherungen mit monatlichen Raten besparen lassen.

Diese sogenannten Ziel-, Target- oder Lebenszyklusfonds haben ein festes Ablaufdatum. So können Anleger gezielt auf das Jahr des Renteneintritts hin sparen. Will man beispielsweise 2025 in Rente gehen, wählt man einen Fonds mit diesem Datum. Das Management steuert das Risiko so, dass die Rendite über die Gesamtzeit möglichst hoch ausfällt und gleichzeitig das Risiko gegen Ende der Laufzeit abnimmt.

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Zielfonds starten daher mit einer hohen Quote risikoreicher Anlagen wie Aktien und senken diese Quote dann bis zum Ablaufdatum. Rentenpapiere haben anfangs einen niedrigen Anteil, der zuerst steigt und gegen Laufzeitende wieder sinkt. Am Ende liegt das Vermögen überwiegend bis komplett in Bargeld beziehungsweise in Geldmarktfonds.

Zielfonds mit und ohne Garantie
Zielfonds seien „ehrlich und halten das, was sie versprechen“, meint Andreas Beck, Chef des Instituts für Vermögensaufbau in München. Der Mathematiker und Finanzexperte findet solche Fonds grundsätzlich für Menschen sinnvoll, die nicht allzu viel Zeit und Initiative in die Altersvorsorge stecken wollen.

Die Redaktion hat Fonds mit ausreichend Volumen und/oder Vertriebskraft des Anbieters in der Tabelle unten zusammengestellt. Beides ist wichtig, belastet doch ein zu geringes Volumen den Anleger. Denn die Fixkosten schlagen dann stark auf die laufenden Kosten durch. Neben den klassischen Zielfonds der Anbieter Fidelity, Sauren und der Sparkasse-Tochter Deka gibt es auch Produkte, die das Konzept mit einer Garantie verbinden. Die Deutsche-Bank-Tochter DWS garantiert zum Laufzeitende den höchsten Fondswert, der je erreicht wurde. Gemessen wird dieser zu einem Stichtag jeden Monat.

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Doch gilt: Je länger der Anlagezeitraum, desto unwichtiger wird eine Garantie, die im Zweifel Rendite kostet. Bei Sparplänen mit Laufzeiten von 15 oder mehr Jahren und einem eingebauten Mechanismus, der sowieso das Risiko zum Laufzeitdatum hin senkt, ist es extrem unwahrscheinlich, am Ende weniger als das eingesetzte Geld zu erhalten.

In der recht kurzen Historie der Zielfonds zeigte sich bereits, wie unangenehm Börsenturbulenzen zumindest kurzfristig sein können. Ende 2007 hatten viele Gesellschaften solche Produkte auf den Markt geworfen, weil der Kauf den Anlegern zusätzlichen Schutz vor der Abgeltungsteuer versprach. Ein Jahr später entstanden teilweise erheb­liche Verluste, als die Börsen wegen der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers kollabierten. Zwar ging es seither wieder nach oben. Angesichts solcher Risiken mahnt jedoch Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance & Management: „Nur mit Zielfonds fürs Alter vorzusorgen reicht nicht aus. Sie können höchstens ein Baustein unter vielen sein.“

Aktienquote: 100 minus Alter
Eine weitere Möglichkeit, mit einem Fonds den Sparprozess zu steuern, sind Riester-Fonds, etwa die „Toprente“ der DWS oder die „Uniprofirente“ von Union Investment. Nicht abschrecken lassen sollte man sich von den relativ geringen Sparsummen, die beim Riestern staatlich gefördert werden. Denn man kann über die geförderte Summe hinaus beliebig viel einzahlen oder gar einen gänzlich ungeförderten Vertrag abschließen.

Anleger, die noch mehr Flexibilität wollen und sich nicht scheuen, etwas mehr Zeit und Energie in ihre Fondsvorsorge zu stecken, können ein individuelles Fondsportfolio zusammenstellen. Dabei sollten Sparer dieselben Grundregeln befolgen, nach denen auch die Zielfonds arbeiten: je länger die Laufzeit, desto höher darf die Quote riskanter Anlagen, sprich Aktien sein.

Wie hoch sollte diese Quote liegen? „Die Faustformel ,100 minus Lebensalter‘ ist bei nennenswerten Vermögen ein guter Maßstab“, sagt der Freiburger Anlageberater Thomas Wegner. Er empfiehlt allerdings eindringlich, die Risikobereitschaft zu überprüfen. „Man muss die höheren Volatilitäten akzeptieren können, die bei Aktien zumindest zwischenzeitlich entstehen. Wer hier Probleme hat, sollte sich erst langsam in das Thema hineintasten.“

Und der Heidelberger Finanzplaner Arndt Stiegeler rät: „Man sollte definieren, welche Verluste man akzeptieren kann, eine Ausstiegsstrate­gie erarbeiten und sich exakt daran halten.“ Die Ausstiegskurse sollten allerdings nicht zu niedrig liegen. Denn die Gefahr, in einer Crashphase in Panik den Aktienanteil zu verkaufen und dann die anschließende Rally zu verpassen, ist groß.

In welche Titel sollte man sein Geld stecken? Historisch erreichten zwei Anlageklassen überdurchschnittliche Renditen: Aktien kleinerer und mittelgroßer Unternehmen, also Nebenwerte, und sogenannte Value-Aktien mit günstigen Bewertungskennzahlen. Investments in diese beiden Aktiengattungen unterliegen stärkeren Schwankungen. Diese Schwankungen sollten aber gerade Langfristsparer aushalten können.

Und auf welche Art sollten Anleger hier investieren? Die zu erwartenden höheren Renditen rechtfertigen hier den Einsatz aktiver Fonds, deren Gebühren fast denen der Zielfonds entsprechen. Bei ETFs hingegen sparen Anleger pro Jahr bis zu 1,5 Prozent Gebühren — ein Grund, diese Indexfonds in ein langfristiges Depot aufzunehmen. Dies gilt vor ­allem für den Anleiheanteil des Portfolios, weil hier die mageren Renditen von den Gebühren großteils oder komplett aufgefressen werden.

Den Kostenvorteil eines individuellen Fondsdepots können Anleger noch ausbauen, wenn sie beim Kauf auf Gebühren achten. Während bei Filialbanken der volle Ausgabeaufschlag von bis zu fünf Prozent anfällt, bieten Direktbanken günstigere Konditionen. Bei vielen aktiven Fonds fällt nur der halbe Agio an. ETF-Sparpläne auf bekannte Indizes mit niedrigen Kaufgebühren gibt es mittlerweile bei allen Anbietern.

Wie oft sollten Anleger Mischung und Umfang ihres Depots grundsätzlich überprüfen? „Mindestens alle fünf bis sieben Jahre“, rät Peter Sachs, vereidigter Sachverständiger für private Finanzplanung. Zum einen können sich manche Investments als nicht mehr sinnvoll erweisen. So galten Staatsanleihen aus sämtlichen Euroländern lange Zeit als absolut sicher. Das hat sich mittlerweile grundlegend gewandelt. „Aber auch die persönlichen Lebens­umstände können sich ändern, durch Heirat, Hausbau, Kinder oder Scheidung“, erklärt Sachs. Dann sei eine Neujustierung angebracht.

Im Übrigen raten viele Experten nicht grundsätzlich von Versicherungen als Altersvorsorge ab, sondern sehen nur den Sparprozess als suboptimal an. In der Rentenzeit haben die Policen einen unschlagbaren Vorteil. Sie garantieren eine Auszahlung bis zum Tod, egal wie lange das Leben dauert. Bei allen anderen Investments wird entweder etwas übrig bleiben oder zu wenig da sein.

Versicherung erst zu Rentenbeginn
Deshalb kann, wer in den Sechzigern oder Siebzigern ist und nennenswerte finanzielle Reserven besitzt, über eine solche Versicherungs­lösung nachdenken. Bei einer sogenannten Rente gegen Einmalbeitrag zahlt man das Guthaben auf einen Schlag ein, und die Rente fließt sofort oder — wenn gewünscht — erst einige Jahre später.

Für die Zeit davor gilt: Mit einer konsequenten Strategie, vom Anleger selbst angewandt oder im Zielfonds eingekauft, dürften Sparer dem Renditeverfall bei Lebensversicherungen entspannt zusehen können.