Schufafrei und doch seriös
Das eigene Depot zu beleihen, fällt Anlegern meist nur ein, wenn sie Wertpapiere auf Pump kaufen. Dabei lassen sich so auch viele Konsumausgaben finanzieren — schufafrei und günstiger als mit dem Dispo.
von Michael H. Schulz, €uro am Sonntag
Unverschämt, diese aufgezinsten Typen. Da gibt die Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner eine Studie zur Höhe der Dispozinsen in Auftrag, und heraus kommt ein zahnloser Papiertiger. Außer Gutachterspesen nichts gewesen. Zwar beanstandet die Studie die saftigen Zinsen für die Kontoüberziehung, doch eine gesetzliche Obergrenze lehnt die Ministerin erst mal ab. Sie setzt auf Verhandlungen mit den Banken. Heißt im Klartext: Eine Obergrenze für den Dispozins steht nicht wirklich zur Disposition.
Dabei würden niedrigere Dispozinsen vielen Menschen helfen. Mit 41 Milliarden Euro stehen Girokontenkunden bei ihren Hausbanken in der Kreide. Ob für eine neue Einrichtung, teuren Zahnersatz oder eine Traumreise — die Menschen überziehen das Konto, weil der sogenannte Kontokorrentkredit laufend auf Abruf am Bankautomaten sofort verfügbar ist. Für die Bequemlichkeit zahlen sie jedoch kräftig drauf .
Zu den Miesen auf dem Konto gesellt sich meist noch ein Informationsdefizit. Denn was viele nicht wissen: Es gibt eine wesentlich günstigere Alternative, um sich kurzfristig Geld zu leihen. Schufafrei, bequem und ohne sich in die Hände eines unseriösen Kredithais zu begeben: den zweckungebundenen Wertpapierkredit.
Wertpapiere als Faustpfand
Anleger müssen Aktien, Unternehmensanleihen oder Fondsanteile nicht gleich verkaufen, wenn sie Bares brauchen, sondern können ihre Wertpapiere als Faustpfand bei ihrer Depotbank hinterlegen. Lombardkredit nennen Experten diese Kredite gegen die Verpfändung von Bankguthaben oder Wertpapieren. Weil die Buchwerte von Aktien und Anleihen oder das festverzinsliche Guthaben als Sicherheit dienen, entfällt ebenso wie beim Dispo und den meisten Policendarlehen die Kreditauskunft etwa bei der Schufa.
Die maximale Höhe des Wertpapierkredits hängt vom Depotwert ab. Für die Beleihung des Depots zahlen Nutzer zwischen 4,58 und 6,14 Prozent pro Jahr effektiv (siehe Tabelle). Weitere Bereitstellungskosten gibt es nicht. Zum Vergleich: Die günstigsten Dispozinssätze bieten laut der FMH-Finanzberatung die Deutsche Skatbank mit 5,25 und die DAB Bank mit 6,95 Prozent an. Beleiht man seine Kapitallebensversicherung etwa beim Cash-Life Policendarlehen, kosten 10.000 Euro Kredit ohne Schufaanfrage bei einer Laufzeit von 36 Monaten effektiv 5,29 Prozent jährlich. Vorausgesetzt, der Rückkaufswert ist hoch genug. Das Handicap: Das Geld kommt oft erst nach zwei Wochen.
Zeit und saftige Gebühren kostet ein schufafreier Allzweckkredit einer Schweizer Bank. Da die Banken den Kredit auch bei einem vorhandenen negativen Schufa-Eintrag gewähren, lassen sie sich das Ausfallrisiko mit hohen Aufschlägen bezahlen. Unterm Strich kann das je nach Bonität und Laufzeit teurer als der durchschnittliche Dispozinssatz von elf Prozent sein.
An die große Glocke hängen die meisten Banken den zweckungebundenen Wertpapierkredit nicht — und das aus gutem Grund: „Die Marge ist für Anbieter kleiner“, weiß Peter Nonner, Geschäftsführer der Plattform FFB, die zum Fondshaus Fidelity gehört. Wenn überhaupt, dann bieten die meisten Geldhäuser guten Kunden den zweckungebundenen Wertpapierkredit nur auf Nachfrage an. Es gibt aber auch Anbieter, bei denen Anleger gezielt die Option des Wertpapierkredits für Konsumausgaben nutzen können, um kurzfristig notwendige Ausgaben zu finanzieren. Beispielsweise seit 2008 bei der FFB. Ab einem Fondsdepotwert von 5.000 Euro können dort Anleger über ein Depot bei Fidelity oder über unabhängige Berater den Kredit beanspruchen.
Bis zu 50 Prozent des Fondsdepotwerts können Interessierte beleihen. Ausgezahlt bekommen sie aber nur 40 Prozent — ein Puffer der Bank gegen Kursschwankungen. Die beliehenen Buchwerte werden geblockt, die Fonds können während der Kreditlaufzeit nicht verkauft werden. Die Zinsen in Höhe von 4,58 Prozent zahlen Anleger nur auf den tatsächlich abgerufenen Betrag. „Bisher hat es keine Ausfälle gegeben“, sagt FFB-Geschäftsführer Nonner.
Standardkost oder Extrawurst
Für rund 100.000 Anleger der Augsburger Aktienbank gehört mit der Depoteröffnung der zweckungebundene Wertpapierkredit zum Standard und ist somit in der jährlichen Depotgebühr von 39,90 Euro inbegriffen. Der Mindestkreditbetrag liegt bei 500, maximal sind es 50.000 Euro. Der Wert eines Genussscheins kann mit 75 Prozent beliehen werden. Bei festverzinslichen Inlandspapieren beträgt der Beleihungswert 80 Prozent. Bei der Augsburger Aktienbank zahlen Anleger effektiv 5,8 Prozent ebenfalls nur auf die tatsächliche Kreditsumme.
Anleger der Fondsplattform Ebase müssen den Wertpapierkredit hingegen extra beantragen. Vorausgesetzt, der Depotwert beträgt mindestens 5.000 Euro, richtet Ebase für die Abwicklung kostenlos ein Wertpapierkreditkonto in den Varianten „flex Select“ oder „flex Standard“ ein. Der Kreditrahmen liegt bei 2.500 bis 50.000 Euro.
Renten- und Geldmarktfonds können mit 80 Prozent des Rücknahmepreises beliehen werden. Für alle anderen Anlageformen beträgt der Beleihungswert 60 Prozent. Eine geduldete Überziehung ist nicht möglich. Auch hier gilt: Wie hoch der genaue Verfügungsrahmen ist, richtet sich nach den börsentäglichen Beleihungswerten des Depots. Effektiv zahlen Nutzer bei Ebase jährlich 6,14 Prozent.
Tabelle: Günstig das Depot beleihen (pdf)
Grafik: Konsumausgaben günstig finanzieren (pdf)