EZB: 10 Argumente gegen den Ankauf von Staatsanleihen
Die EZB hat im Januar ein erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (QE) von mehr als einer Billion Euro beschlossen. Zehn Argumente gegen QE.
von Thomas Jost und Franz Seitz, Gastautoren von Euro am Sonntag
Das Billionenprogramm beinhaltet den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB und die nationalen Notenbanken, Letzteres koordiniert über die EZB, bis zu einem Maximalwert von 33 Prozent der ausstehenden Staatsschuld eines Mitglieds der Währungsunion. Es kann noch ausgeweitet werden und hat kein definitives Ende. Viele Gründe sprechen gegen dieses währungspolitische Experiment, das mit hohen Risiken und falschen Anreizen verbunden ist.
(1) Ein Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB oder die nationalen Notenbanken des
Eurosystems ist nicht Geldpolitik, sondern Staatsfinanzierung, auch wenn die Anleihen nicht direkt von den emittierenden Staaten übernommen werden. Den nationalen Schatzämtern dürfte es im Allgemeinen nicht schwerfallen, ihren Banken Staatsanleihen für eine begrenzte Alibiperiode zu verkaufen, die diese dann sicher an ihre Notenbanken weiterreichen können.
(2) Die EZB nimmt damit Reformdruck von den Ländern des Euroraums. Es passt in das Bild, dass in den letzten Wochen der Stabilitäts- und Wachstumspakt erneut gelockert und "flexibilisiert" wurde.
(3) Das Programm entfaltet damit falsche Anreize und fördert ein substanzielles Moral-Hazard-Verhalten. Für Länder, die ihre Finanz-, Güter- und Arbeitsmärkte nur unzureichend reformieren oder gar von Reformen abrücken wollen, bietet es eine willkommene Hilfe. Für Länder hingegen, die die Anpassungsprogramme der Troika weitgehend umgesetzt haben, ist es eher ein Schlag ins Gesicht. Die Botschaft an künftige Problemländer ist nur allzu klar.
Eine Subventionierung
von kriselnden Banken
(4) Durch den Ankauf von Staatsanleihen nehmen die Notenbanken unkalkulierbare Risiken in ihre Bilanzen, die im Fall von Kursverlusten oder eines Schuldenschnitts letztlich von den Steuerzahlern getragen werden müssen. Auch wenn die nationalen Notenbanken nur nationale Staatsschuldtitel ankaufen, könnten auch in Deutschland massive Verluste drohen, da es im Fall einer Kapitalflucht aus einem Krisenstaat zu einem Abfluss des geschaffenen Zentralbankgelds der dortigen Banken ins Ausland kommt, wodurch die Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank wieder ansteigen werden. Diese sind dann wertlose Auslandsforderungen Deutschlands, da sie bei einem möglichen Austritt eines Krisenlandes aus dem Euro wahrscheinlich nicht mehr getilgt werden.
Zudem erscheint es wenig glaubwürdig, dass im Krisenfall nicht einzelne Staaten von den übrigen Unionsländern unterstützt werden. Das Bundesverfassungsgericht wird sich sicherlich mit Klagen gegen eine indirekte Staatsfinanzierung beschäftigen müssen.
(5) Das Aufkaufprogramm bedeutet eine Subventionierung von staatlichen Schuldnern und kriselnden Banken, also der unproduktivsten Sektoren in der Volkswirtschaft. Die private Realwirtschaft, die als einzige zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum in größerem Umfang fähig ist, wird dadurch nicht erkennbar profitieren.
Kein Einfluss auf Kredite der
Banken für die Wirtschaft
(6) Durch den Ankauf von Staatsanleihen soll die konsolidierte Bilanz des Eurosystems um mehr als eine Billion Euro wachsen. Die Zentralbankgeldeinlagen des Bankensystems, von dem die Notenbanken die Staatspapiere erwerben müssen, werden im gleichen Umfang zunehmen. Gesunde Banken haben voriges Jahr ihre Guthaben bei der Zentralbank deutlich zurückgeführt, für die sie praktisch keine Zinsen bekommen beziehungsweise im Fall von Überschussreserven sogar Zinsen zahlen müssen. Es ist zu erwarten, dass das zusätzliche Zentralbankgeld "wie eine heiße Kartoffel" im Bankensystem weitergereicht wird. Dadurch entsteht kein zusätzliches Geld in der Wirtschaft, wie der Öffentlichkeit und den Medien suggeriert wird ("Die EZB pumpt Geld in die Wirtschaft" - diese Aussage ist falsch). Gerade die Banken in den Problemländern dürften keine Anreize haben, zusätzliche Kredite zu vergeben.
(7) Die EZB beabsichtigt, mit dem QE-Programm die Kreditvergabe der Banken und die Investitionstätigkeit anzukurbeln. Sie hat für den Übertragungsweg, den geldpolitischen Transmissionsmechanismus des Staatsanleihekaufs auf die Investitionsentscheidungen von Unternehmen keine überzeugende Begründung geliefert. Die Kreditzinsen der Banken und ihre Entscheidung, einem riskanten Schuldner Kredit zu gewähren, werden nicht mehr von Restriktionen und den Kosten einer Refinanzierung bei der Notenbank beeinflusst. Wie sollte dann die Übertragung auf die Privatwirtschaft funktionieren, wenn sie bisher schon zu einem Refinanzierungssatz von praktisch null nicht stattfand?
Was die EZB allerdings schafft, ist eine weitere Abwertung des Euro, mit ihren negativen Wirkungen auf andere Länder (siehe zum Beispiel die Schweiz) und deren eventuellen Reaktionen auf diese "Beggar-thy-Neighbour"-Politik. Zudem hat die EZB ein Kursfeuerwerk an den Aktien- und Anleihemärkten entfacht. An diesen Märkten entstehen Gewinne, zumindest auf dem Papier, die aber nicht zwangsläufig zu mehr Vertrauen und einem verbesserten Konsum- und Investitionsverhalten führen. Vielmehr wachsen die Gefahren von Vermögenspreisblasen und deren Platzen, wenn die politischen Entscheidungsträger im Umfeld der kommenden Wahlen in Europa "euphorisiert" von den Geldspritzen der Notenbanken den mühsam in Gang gekommenen Reformprozess verlassen.
(8) Die EZB begründet die Notwendigkeit des QE-Programms mit dem Risiko einer deflationären Entwicklung im Euroraum. Der Rückgang der Inflationsrate ist vor allem auf die stark gefallenen Ölpreise zurückzuführen, die von der Notenbank ohnehin nicht zu beeinflussen sind. Die Kerninflationsrate liegt im Euroraum stabil bei rund 0,8 Prozent, das ist keine Deflation. Darüber hinaus wirken die Reformmaßnahmen in den Krisenländern endlich, wodurch diese über Preissenkungen wettbewerbsfähiger werden. In der Eurozone sind breit angelegte Lohnsenkungsrunden, die mit einer Deflation verbunden wären, nicht zu erkennen.
Eine Verzweiflungstat, die die
Märkte nicht wirklich beruhigt
(9) Die sinkenden Öl- und Energiepreise kommen in der Eurozone allen Verbrauchern und Unternehmen zugute und wirken bereits wie ein kostenloses Konjunkturprogramm. Der Effekt von QE auf die Inflationsrate im Euroraum wird nach Schätzungen der EZB nur sehr klein sein (man rechnet mit einem Anstieg der Inflationsrate von 0,2 bis 0,6 Prozentpunkten). Warum wendet man es aber an, wenn der Effekt gering und unsicher ist, die Risiken dagegen groß und manifest sind? Es ist eine Art "Verzweiflungstat", die die Märkte gerade nicht wirklich beruhigt.
(10) Die Politik der EZB ist gefährlich. Sie suggeriert den Märkten und der Politik, dass sie die "einzige handlungsfähige Institution" im Euroraum ist. Diese Haltung zeugt nur von Selbstüberschätzung, vor allem wenn man eine Geldpolitik an der Nullprozentlinie betreibt. Die Notenbank ist nicht, anders als es ihr Präsident vorgegeben hat, in der Lage, den Status quo der Eurozone zu garantieren.
Ein professioneller, abwartender geldpolitischer Kurs, der die umfangreichen geldpolitischen Maßnahmen der letzten zwölf Monate wirken lässt und diese dann kritisch evaluiert, könnte eine nachhaltige Wirkung auf die Finanzmärkte ausüben und den Fokus darauf richten, wo gehandelt werden muss. Die Wirtschaftspolitik muss ihre Hausaufgaben endlich machen, damit die Eurozone stabiler und wettbewerbsfähiger wird. Eine einheitliche Geldpolitik in einer Währungsunion sollte erst gar nicht dem kostspieligen Irrtum nachlaufen, sie könne regionale, konjunkturelle oder gar strukturelle Probleme lösen.
Über die Autoren
Thomas Jost,
Professor für
Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Aschaffenburg
Franz Seitz,
Professor für
Volkswirtschaftslehre an der Technischen
Hochschule Weiden
Die Autoren sind Mitglieder im "Aktionskreis: Stabiles Geld". Wirtschaftsprofessorinnen und -professoren, die ehemals bei der Deutschen Bundesbank beschäftigt waren, haben im Juni 2013 den "Aktionskreis: Stabiles Geld" gegründet. Die Mitglieder des Aktionskreises fühlen sich einer gelebten Stabilitätskultur verpflichtet. Hierzu forschen, lehren und publizieren sie insbesondere auf den Gebieten der Geld- und Finanzstabilität und treten als Referenten und Gesprächspartner in verschiedenen Veranstaltungen auf.
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