Nepper, Schlepper, Policenkäufer
Auch Gauner bieten den Kauf Ihrer Kapitallebensversicherung an. Wie man schwarze Schafe erkennt.
von Michael H. Schulz, €uro am Sonntag
Angelockt und abgezockt. Mit hohen Zinsversprechen köderte Dr. Mayer & Cie die Besitzer von Kapitallebensversicherungen. Einen Teil der Kaufsumme zahlte das Unternehmen aus, den Rest wollte Dr. Mayer in Raten abstottern. Pustekuchen. Schon nach der zweiten Rate warteten viele Betroffene vergebens. Stattdessen setzte sich Christina Simon mit dem ergaunerten Geld offenbar erst nach London und später in die Niederlande ab. Dort schnappten Ende 2011 Polizisten die dreiste Policenprellerin.
Die ehemalige Geschäftsführerin der Simon-Holding, zu der die insolvente Dr. Mayer & Cie gehörte, sitzt derzeit in Aachen in Untersuchungshaft. Es besteht dringender Tatverdacht, dass sie Secondhand-Policen beim Versicherer gekündigt hat und mit dem Geld türmte, statt Versicherten den Wert wie vereinbart ratenweise auszuzahlen. Nun steht das Ermittlungsverfahren (Az. 302 Js 908/10) wegen Betrugs kurz vor dem Abschluss. Laut Angaben der Bafin soll der Schaden rund eine Million Euro betragen. „Uns liegen rund 300 Strafanzeigen vor“, sagt der zuständige Oberstaatsanwalt Robert Deller. Das dürfte aber nur die Spitze des Eisbergs sein. Denn meist bemerken Versicherte erst sehr spät, dass man sie über den Tisch gezogen hat.
Dr. Mayer & Cie ist leider kein Einzelfall. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) warnt vor Betrug beim Verkauf von Lebensversicherungen und spricht von einem „neuen Phänomen der Abzocke“. Laut der Aufsichtsbehörde tummeln sich bundesweit 60 verdächtige Aufkäufer, die das an sich saubere Geschäft mit dem Ankauf von Lebensversicherungen aus zweiter Hand unterwandern und in Misskredit bringen.
Provisionenschinderei
Anders als etwa seriöse Aufkäufer wie Policen Direkt, Cashlife, Life Bond und Mercurius, die gebrauchte Policen weiterführen und so die Schlussgewinnanteile und die Beteiligung an den stillen Reserven des Lebensversicherers kassieren, die nur fällig sind, wenn der Vertrag durchgehalten wird, kündigen dubiose Käufer die Police nach dem Kauf beim Versicherer. Das dadurch erlöste Geld behalten sie für sich oder investieren es anderweitig, um Gebühren und Provisionen zu schinden.
Für diese Bauernfänger ist der Policenzweitmarkt ein lukratives Revier zum Wildern. Insgesamt existieren in Deutschland 93 Millionen Lebensversicherungsverträge mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 30 Jahren. Fast jede zweite Police wird vor Ablauf beim Versicherer gekündigt oder — wie seit 1999 möglich — auf dem Zweitmarkt verkauft. So kauften im Jahr 2011 Mitglieder des Bundesverbands Vermögensanlage im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL) Verträge im Wert von 200 Millionen Euro auf. Das ist deutlich mehr als 2010.
Blendende Renditeversprechen
Die Masche der Abzocker ist immer dieselbe. Die Anbieter nutzen finanzielle Engpässe von Versicherten aus und versprechen hohe Renditen über Rückkaufswert. „Nur selten werden zehn Prozent und mehr erreicht“, dämpft Ulf Spielmann, Geschäftsführer vom Anbieter LifeFinance, die Erwartungen. „In der Regel liegt die Rendite zwischen drei und acht Prozent“, fügt er hinzu.
Für Ingo Wichelhaus, Fachbereichsleiter Deutschland beim BVZL, gibt es zwei Geschäftsmodelle der Abzocker. Die erste Variante ist sehr fragwürdig. Die Bauernfänger machen mit dem Geld etwas anderes. „Sie kassieren für die Kündigung der Police eine Gebühr. Die dann noch verbleibende Liquidität investieren sie für den Kunden in andere Anlagen, etwa in nachrangige Schuldverschreibungen, um beim Neuabschluss erneut Provisionen zu schinden“, weiß Wichelhaus.
Das bestätigt auch Ulf Spielmann von LifeFinance. „Es gibt eine Reihe von Angeboten zum Ankauf von Lebensversicherungen, bei denen nicht die Fortführung der Police, sondern die Kündigung und ein Reinvestment in andere Produkte im Vordergrund steht.“
Wird der verflüssigte Rückkaufswert jedoch wieder vom Ankäufer angelegt, ist das ein genehmigungspflichtiges Einlagegeschäft. Weil manche Anbieter die hierfür erforderliche Lizenz nicht haben, ordnete die Bafin an, dass die unerlaubten Geschäfte abgewickelt werden müssen. So wie bei der inzwischen ebenfalls insolventen Pecunia-Concept beziehungsweise der früheren S & K Sachwert Vertriebs AG und der Garantie-Wert geschehen.
Sofortige und komplette Zahlung
Im zweiten Fall will man einfach Gebühren schinden. „Finger weg von Käufern, die für ein Angebot eine Gebühr verlangen“, warnt Ulf Spielmann von LifeFinance. Mitglieder des BVZL prüfen die Police kostenlos und erstellen gratis ein Angebot. Kennzeichnend für seriöse Anbieter sind laut Ingo Wichelhaus „die sofortige Auszahlung des Kaufpreises in einer Summe, nicht irgendwann oder abgestottert in Raten, und der Beibehalt des Todesfallschutzes“. Ratsam ist es, wenn der Verkauf über einen unabhängigen Treuhänder abgewickelt wird. Der Verband hat zehn Qualitätskriterien zusammengestellt, die für den Verkauf deutscher Kapitallebensversicherungspolicen zu beachten sind (siehe Tipps).
Eine Alternative zum Verkauf kann die Beleihung einer Kapitallebensversicherung sein. Hierbei zahlen die Versicherungen das Kapital im Voraus aus, der Versicherungsschutz bleibt bestehen. Wichtig: Die Police gilt als Sicherheit. Die Bonität spielt keine Rolle. Ein Schufa-Eintrag erfolgt nicht. Auch kann der Versicherer das Policendarlehen nicht an andere Kreditinstitute weitergeben. Seriöse Versicherungsgesellschaften zahlen das Darlehen in einer Summe aus.
Meist kann man auch jederzeit vollständig das Darlehen tilgen. Beim Anbieter LifeFinance beispielsweise kostet die Beleihung einer Police bis Ende Juni effektiv 4,1 Prozent jährlich. Das ist weniger, als für einen üblichen Ratenkredit von der Bank oder von der Versicherung zu berappen ist.
10 Verkaufsgebote für Versicherte
Grundsätzlich sollte sich jeder Policenbesitzer fragen, ob ein Verkauf seiner Versicherung ratsam ist. Kommt eine Alternative nicht infrage, hat der Bundesverband Vermögensanlage im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL) Qualitätskriterien für den Verkauf von Kapitallebensversicherungen verfasst:
1. Der Rückkaufswert sollte nie unter 10.000 Euro liegen.
2. Der Käufer sollte seine
Erfahrung dokumentieren.
3. Der Policenkäufer sollte
liquide sein, um den versprochenen Kaufpreis sofort und komplett auszahlen zu können.
4. Gibt es externe Qualitätsbewertungen?
5. Auf jeden Fall vorab klären, ob eine Bearbeitungsgebühr für die Prüfung anfällt.
6. Prüfen, ob der Verkauf
auch über einen Treuhänder abgewickelt werden kann.
7. Wer verkauft, sollte niemals eine ratenweise Auszahlung des Kaufpreises akzeptieren.
8. Auch wenn der Versicherte die Kapitallebensversicherung verkauft, bleibt er versichert und behält den Todesfallschutz.
9. Die Abwicklung sollte schnell erfolgen, und Versicherte sollten laufend informiert werden.
10. Die Rendite sollte zwischen drei und acht Prozent liegen.