Vorsicht vor dem Herdentrieb
Der Mensch ist ein Herdentier, das behaupten Sozialwissenschaftler schon seit Langem. Wer ihnen keinen Glauben schenkt, sollte einen Blick auf das Anlageverhalten hierzulande werfen.
von Andreas Rapp, Gastautor von Euro am Sonntag
Das Gros der Anleger verfährt nach dem Prinzip Schwarmintelligenz. Was die Mehrheit der Gruppe für richtig hält, kann so falsch nicht sein. Das kann man gegenwärtig an drei Beispielen festmachen.
Erstens, Aktien: Der Aufschwung an den globalen Aktienmärkten dauert nun fast fünf Jahre, womit er schon jetzt über der durchschnittlichen Länge einer Hausse liegt. In Deutschland steigen die Aktienkurse seit dem Frühjahr 2009. Nur, welcher Anleger fasste sich Anfang 2009 ein Herz und steckte einen Teil seines Geldes in Unternehmenstitel? Die wenigsten, ist die schlichte Antwort.
Denn damals stand die Welt nach der vorherrschenden Meinung kurz vor dem Untergang. Auch in den Folgejahren griffen Privatanleger nur zögerlich zu. Jetzt, da der DAX mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15,8 leicht über dem langfristigen Durchschnitt liegt und nicht mehr wirklich billig erscheint, steigen viele erstmals seit Jahren wieder ein.
Das hat zwar sicherlich auch mit dem Anlagenotstand zu tun. Dennoch fühlen sich die meisten Anleger nun vor allem deshalb wieder besser bei Aktien aufgehoben, weil diese in der öffentlichen Meinung voll im Trend liegen. In einer fremden Stadt geht man eben auch lieber in das Restaurant, in dem viele Gäste sitzen, als in das mit wenigen Kunden.
Ebenso verhält es sich mit dem zweiten Beispiel, den Währungsinvestments. Viele Anleger haben inzwischen ehemals sichere Häfen wie die Norwegische Krone verlassen. Im Kern reichten die von der EZB angekündigten Anleihekäufe im Sommer 2012 aus, um das Vertrauen in die europäische Einheitswährung wiederherzustellen. Inzwischen blenden Investoren die Eurokrise mehrheitlich völlig aus. Es bestehen jedoch weiterhin Gefahren, da bisher nur unzureichende Reformen in den Ländern Südeuropas angestoßen worden sind. Dort werden die mageren Wachstumszahlen kaum ausreichen, um die Schuldenstände signifikant abzusenken und die Arbeitslosigkeit zu verringern.
Der Einheitswährung Euro droht
weiter viel Ungemach
Damit die Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit unter dem Dach der Eurozone steigern können, braucht es auch einen insgesamt schwächeren Euro. Er hätte noch den erwünschten Nebeneffekt, die vor allem in den Problemländern drohende Deflation auszugleichen. Insofern haben die EZB und die Regierungen in Europa ein gemeinsames Interesse, für einen schwächeren Euro zu sorgen.
Auch die stärkere Dynamik der US-Konjunktur wird über die zunehmende Zinsdifferenz zugunsten des Dollar eine Abwertung des Euro begünstigen. All dies spricht gegenwärtig dafür, gegen den Trend einen Teil des Vermögens in Devisen anzulegen. Zumal der Einheitswährung auch aus Deutschland Ungemach droht. Sollte das Bundesverfassungsgericht den ESM-Rettungsschirm 2014 in weiten Teilen für verfassungswidrig erklären, dürfte die Unsicherheit an den Kapitalmärkten wieder zunehmen.
Beim dritten Beispiel, den Edelmetallen, hat der Boom in den vergangenen Jahren geradezu Ausmaße einer Massenhysterie entwickelt. Wer konnte, deckte sich mit Ausbruch der Finanzkrise aus Angst vor dem großen Crash barrenweise mit Gold ein. Die Folge: Der Preis für das gelbe Edelmetall verzeichnete einen Rekordwert nach dem anderen. Viele kauften auch dann noch, als das Potenzial längst ausgereizt war. Als Fed-Präsident Ben Bernanke dann im Mai 2013 relativ überraschend den Start zum Ausstieg aus der stark expansiven Geldpolitik verkündete, verkehrte sich das Ganze ins Gegenteil. Geradezu panisch trennten sich viele Investoren von ihren Goldbeständen.
Für 2014 gehen die Prognosen mehrheitlich von weiteren Kursrückgängen aus. Grund genug für Anleger, sich entgegen dem Mainstream mit Investitionen in Gold zu beschäftigen. Denn die Chancen sind unverändert: So schützt das Edelmetall vor Kaufkraftverlusten, da die Bestände von Zentralbanken nicht vermehrt werden können. Für zwei Kilogramm Gold kann man heute wie vor 30 Jahren ein Auto der oberen Mittelklasse erwerben. Zudem steigt der Goldpreis, wenn Krisen entstehen oder sich zuspitzen. Angesichts absolut ungelöster Verschuldungsprobleme und der Politik der Zentralbanken könnten Gold und andere Edelmetalle auch wegen wieder aufkeimender langfristiger Inflationssorgen ein Comeback feiern.
Die Beispiele zeigen: Wer sich gegen den Trend und die Mehrheitsmeinung stellt, braucht Mut - aber gewinnt damit Chancen.
zur Person:
Andreas Rapp
Leiter des
Private Banking bei
Ellwanger & Geiger
Andreas Rapp verantwortet seit Oktober 2010 als Bereichsleiter das Private Banking bei Ellwanger & Geiger Privatbankiers. Der Finanzexperte ist seit 2008 bei der Stuttgarter Privatbank in der Vermögensverwaltung tätig. Er verfügt über mehr als
15 Jahre Erfahrung in der Privatkundenberatung.
Die im Jahr 1912
gegründete Privatbank Ellwanger & Geiger ist auf Immobilien und Vermögensverwaltung für
private und institutionelle Investoren spezialisiert.