Interview

Wirtschaftsweiser: Höhere Abwärtsrisiken

12.01.13 06:00 Uhr

Konjunktur: Wirtschaftsweiser Lars Feld sieht die konjunkturelle Entwicklung vorsichtiger — Warnung vor weiterem Strompreisanstieg.

von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag

Der Wirtschaftsweise Lars P. Feld sieht die wirtschaftliche Entwicklung im laufenden Jahr mit wachsender Vorsicht. Er gehe davon aus, dass das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr unter der Marke von 0,8 Prozent liegen werde, die der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten im vergangenen November in Aussicht gestellt hatte, sagte Feld. Euro am Sonntag sprach mit dem Leiter des renommierten Freiburger Walter Eucken Instituts über die Konjunktur, die Eurokrise und steigende Strompreise.

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Euro am Sonntag: Herr Professor Feld, die Konjunktur hat sich zuletzt eingetrübt. Die deutschen Exporte sind im November so stark gefallen wie seit einem Jahr nicht mehr, die Auftragseingänge der Industrie haben den Rückwärtsgang eingelegt. Besorgt?
Lars P. Feld: Der Sachverständigenrat ist bei seiner Prognose von 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum für 2013 von einem schwachen Winterhalbjahr, einer leichten Erholung im Frühjahr und spürbarem Wachstum in der zweiten Jahreshälfte ausgegangen. Seit der Veröffentlichung des Jahresgutachtens Anfang November ist eine Reihe schwächerer Konjunkturdaten hinzugekommen. Von daher sind die Abwärtsrisiken für die Konjunktur und unsere Prognose inzwischen größer als die Aufwärtschancen.

Hinter der Prognose des Sachverständigenrats von 0,8 Prozent für 2013 steht also inzwischen ein Fragezeichen?
Ja. Angesichts der in den vergangenen Monaten schwächer als erwartet ausgefallenen Daten gehe ich mittlerweile davon aus, dass das Wachstum im laufenden Jahr unterhalb der Marke von 0,8 Prozent liegen dürfte.

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Um die Eurokrise ist es zuletzt ruhiger geworden. Gibt es aus Ihrer Sicht nach tatsächlich Anlass für eine Entwarnung?
Die Ankündigung der EZB, notfalls unbegrenzt Anleihen bedrohter Staaten aufzukaufen, hat zu einer deutlichen Beruhigung auf den Finanzmärkten geführt. Diese Politik stabilisiert die Eurozone ganz eindeutig. Gleichzeitig müssen aber alle Problemländer auf dem Weg der Konsolidierung bleiben. Doch dieser Weg ist holprig. Nehmen Sie Spanien: Wir wissen bislang nicht, ob die Prognosen für die Bankenrettung dort exakt geschätzt sind, oder ob es noch böse Überraschungen gibt. Wir wissen nicht, was nach den Wahlen in Italien passiert; wir wissen nicht, ob die Umschuldungsmaßnahmen in Griechenland ausreichen. Sollte es aus diesen Gründen zu Verschlechterungen kommen, könnte sich die EZB am Ende doch dazu gezwungen sehen, Staatsanleihen zu kaufen – mit den entsprechenden Diskussionen in Deutschland und in anderen Ländern.

Frankreich ist traditionell der wichtigste Partner Deutschlands in der EU. Aber die französische Regierung sorgt mit aberwitzigen Spitzensteuersätzen und mangelndem Reformeifer für Kopfschütteln in Europa. Der Economist hält Paris inzwischen für einen Hauptrisikofaktor für den Fortbestand der Eurozone. Ist das nicht ein bisschen arg übertrieben?
Die Entwicklung in Frankreich ist durchaus kritisch. An den Finanzmärkten kommt Frankreich derzeit zwar noch gut weg. Aber viele Anleger sind gezwungen, in Europa zu investieren, weil sie Investitionen in Staatsanleihen nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen. Und wenn man nur rekordniedrige Zinsen wie in Deutschland erhält, legt man eben auch in Frankreich an. Deshalb kann sich Frankreich derzeit extrem günstig refinanzieren. Realwirtschaftlich steht das Land aber nicht gut da.

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Wieso?
Ich befürchte, dass die französische Wirtschaft das dritte Jahr in Folge stagniert und sich dies auch nicht ändert, weil die Reformen fehlen und die Unternehmen wegen der wirtschaftsfeindlichen Politik von Staatspräsident Hollande nicht investieren. Nur: Wir können es uns in Europa nicht leisten, dass wir zwar erfolgreiche Strukturreformen in Portugal, Spanien, Italien, Griechenland und Irland haben, das Schwergewicht Frankreich aber das einzige Land bleibt, das weiter hinterher hinkt.

Also mehr Reformeifer in Frankreich?
Absolut. Man muss ganz klar sagen: Wenn aus dieser Phase in der Eurozone am Ende kein größerer ordnungspolitischer Konsens erwächst, also eine grundlegende Konvergenz der Wirtschaftspolitiken und die Überzeugung, Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, die dafür nötigen Rahmenbedingungen zu setzen und solide öffentliche Finanzen zu erzielen, dann werden wir künftig noch größere Schwierigkeiten mit der Währungsunion haben.

Aber wenigstens ist die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Eurozone gebannt?
Solche Turbulenzen erwarte ich zumindest vorerst nicht. Es gibt klare Äußerungen von zentralen Entscheidungsträgern, die Währungsunion zu erhalten. Außerdem hat sich die EZB mit ihrer glaubwürdigen Ankündigung, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, entsprechend positioniert.

In seinem Jahresgutachten hat der Sachverständigenrat die Energiepolitik der Bundesregierung stark kritisiert. Bei Unternehmen und Verbrauchern sorgt die Energiewende ohnehin für wachsenden Unmut. Alleine in den vergangenen drei Jahren ist der Preis für die Kilowattstunde Strom um rund ein Viertel gestiegen. Ist ein Ende des Preisanstiegs in Sicht?
Nein, die Strompreise werden weiter steigen. Wir haben einen massiven Ausbau des Stroms aus erneuerbaren Energien. Gleichzeitig besteht für diejenigen, die am Netz sind, eine Preisgarantie von 20 Jahren. Da muss es teurer werden.

Von welcher Größenordnung sprechen wir da konkret?
Eine konkrete Steigerung ist schwer zu prognostizieren, aber Stromkunden werden sich auf einen weiteren spürbaren Anstieg einstellen müssen.

Wie könnte man diesen Trend stoppen?
Im Grunde müsste die Bundesregierung das Erneuerbare Energie Gesetz (EEG) überarbeiten und es technologieneutral ausgestalten. Der Sachverständigenrat, die Monopolkommission und andere haben dazu ja bereits entsprechende Vorschläge vorgelegt und für ein Mengenmodell plädiert....
...wonach man den Versorgern eine bestimmte Mengenvorgabe für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien macht, aber offen lässt, aus welchen regenerativen Quellen der Strom stammt...
...ja. Wenn man ein solches Modell einführt, dann ist es möglich, die Kostensteigerungen einigermaßen im Rahmen zu halten.

Der Bundestagswahlkampf 2013 wirft seine Schatten voraus. Was können Bürger im laufenden Jahr überhaupt noch an Reformen erwarten?
Ich denke, nicht allzu viel. Vermutlich wird sich die Koalition wegen des entsprechenden Verfassungsgerichtsurteils im Steuerbereich auf die Anhebung des Grundfreibetrags bei der Einkommensteuer beschränken. Andere Schritte wie die Reduzierung der Kalten Progression werden aber wohl nicht kommen.

Um eine gewisse Ausgabendisziplin wird der Bund wegen der Schuldenbremse aber nicht umhin kommen?
Ich gehe zumindest davon aus, dass die Bundesregierung beim Haushalt 2014, der demnächst in die Beratung geht, weiterhin stark auf Konsolidierung setzt und sich diese Politik der Konsolidierung stärker als bisher auf Länderebene fortsetzt.

Ist das eine Hoffnung oder eine Überzeugung?
Eine Hoffnung und in gewisser Hinsicht auch eine Überzeugung, weil allen klar wird, wie schwer es wird, bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen und damit den Vorgaben des Grundgesetzes zu entsprechen. Um ihre Einnahmen zu erhöhen, werden die Länder nach der Bundestagswahl auf eine Wiedereinführung der Vermögensteuer drängen, denn die Mittel daraus fließen ihnen komplett zu.

Also weitgehender Stillstand vor den Wahlen?
Davon gehe ich aus. Aber bevor jetzt im Wahlkampf noch weitere populistische Maßnahmen, wie das Betreuungsgeld, ergriffen werden, ist das auch besser so.