Sportlerberater Löhr: "Nicht jammern, handeln!"
Jörg Löhr, der ehemalige Handballnationalspieler, berät Sportler und Unternehmen. Über Verantwortung und Veränderung - und warum es sinnvoll ist, sich hohe Ziele zu setzen.
von Birgit Wetjen, Euro am Sonntag
Erfolg ist Jörg Löhr gewöhnt - früher als Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft, heute als Coach. Sein Unternehmen "Jörg Löhr Erfolgstraining" floriert, an einem Seminarwochenende setzt der Management- und Persönlichkeitstrainer mehr um, als der Schnitt der gut 8.000 deutschen Coachkollegen im ganzen Jahr. Löhr hält Vorträge und gibt Seminare, verkauft Bücher, bildet Coaches aus und unterstützt Unternehmer, Manager und Profisportler auf dem Weg Richtung Siegertreppchen.
Die Fußballbundesligisten VfL Wolfsburg und FC Augsburg zählen zu seinen Kunden - und haben in der vergangenen Saison die Qualifikation für die Champions beziehungsweise Europa League geschafft. Kurz vor Saisonende mischte er auch beim VfB Stuttgart und St. Pauli mit - und beiden Teams gelang am letzten Spieltag der Klassenerhalt.
Löhrs Erfolgsbilanz macht ihn zum gern gesehenen Redner bei Unternehmensveranstaltungen. So auch an diesem Morgen in Stuttgart. Elegant gekleidet, strahlend und souverän betritt er die Bühne, "The stage is mine" strahlt er aus. Im anschließenden Interview erklärt er uns sein Erfolgsrezept.
€uro am Sonntag: Guten Morgen Herr Löhr. Was haben Sie heute schon für Ihren Erfolg getan?
Jörg Löhr: Gute Frage. Ich habe mich in Vorbereitung auf den Vortrag noch mit einigen Statistiken beschäftigt, um dann die Informationen und Inhalte meines Vortrages ins Kurzzeitgedächtnis zu bringen … … also kein Frühsport?
(Lacht.) Ich musste um fünf Uhr in Augsburg los - und da bin ich keiner, der dann um drei Uhr zum Joggen geht. Das hole ich heute Abend nach. Gott sei Dank muss ich mich dazu nicht überwinden. Es macht mir einfach Spaß.
Sie wirken immer energiegeladen und strahlend. Mal ehrlich: Wie oft haben Sie es schon verflucht, als Strahlemann auf die Bühne zu müssen?
Eigentlich nie. Ich habe das Glück, dass ich Menschen dabei helfen darf, ihren Weg zielgerichteter und erfolgreicher zu gehen. Das ist ein wahnsinnig schönes Privileg, das ich da habe.
Das klingt wie aus einer Werbebroschüre. Gibt es denn wirklich überhaupt nichts, was Ihnen die Laune verhageln könnte?
Ich bin kein launischer Typ. Sicher gibt es Dinge, über die ich mich ärgere - zum Beispiel, wenn sich Fehler wiederholen. Auch gibt es den ein oder anderen Tag, an dem ich auch mal zu wenig geschlafen habe oder mich dies oder das beschäftigt. Aber mit entsprechenden Techniken kann ich mich in einen guten Zustand bringen.
Es gibt also Techniken, mit denen man Probleme im Job oder einen Streit mit dem Partner wegwischen kann?
Das, was Menschen am meistens betrifft, etwa, dass man sich irgendwie nicht so gut fühlt, kann man mit der richtigen Technik angehen. Oft hilft es bereits, den Blickwinkel zu verändern,
um sich in einen besseren Zustand zu bringen.
Müssen wir immer gut drauf sein und nach Höherem streben?
Ich glaube nicht, dass wir immer nach Höherem streben müssen. Aber das muss jeder selbst entscheiden. Fakt ist: Wer unzufrieden ist, kann lebenslang die Umstände verantwortlich machen - oder aber sich dazu entscheiden, etwas in seinem Leben zu verändern. Das kann im Job sein, aber auch im privaten Bereich.
Wer keinen Erfolg hat, findet keine Erfüllung und führt ein Leben im Mittelmaß - schreiben Sie in einem Ihrer Bücher. Was ist schlecht an einem Leben im Mittelmaß?
Gar nichts, wenn ich zufrieden bin. Erfolg heißt doch nichts anderes als das Erreichen von selbst gesetzten Zielen. In dem Moment, wo ich mir Ziele setze, geht es ja nicht zwingend um das "Höher-schneller-weiter" - und schon gar nicht im Vergleich zu anderen. Wir erfahren Erfüllung vor allem darin, etwas aus unseren Möglichkeiten zu machen. Deshalb müssen wir uns fragen "Was kann ich?", "Was möchte ich?" und "Wie komme ich dahin?"
Jeder möchte schlank, vital, erfolgreich sein - allein schon, weil die Werbung dieses Bild vorgibt. Sind die Dicken, die Raucher oder Sportmuffel deshalb unglücklich und disqualifizieren sich für die Führungsetagen?
Das ist eine Diskussion, da muss jeder wissen, ob er da einsteigt. Ich persönlich glaube, dass ich mit mir selbst zufrieden sein muss. Und ob ich mir ein Bild von einer Idealfigur, das durch die Werbung geistert, aufs Auge drücken lassen will, ist meine Entscheidung. Aber nur in den seltensten Fällen treffe ich auf Menschen, die mit sich rundum zufrieden sind.
Das Streben nach Optimierung sei das sicherste Rezept zum Unglücklichsein, sagt Professor Gerd Gigerenzer, Psychologe und Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Wäre etwas mehr Versöhnung mit den Unwägbarkeiten des Lebens nicht besser?
Ich würde sagen: Verlange von allen das Beste und es wird Dir - vielleicht - zuteil! Beispiel FC Augsburg. Zu Saisonbeginn hieß das Ziel noch Klassenerhalt. Nach einer erfolgreichen Hinrunde hat sich die Mannschaft irgendwann das Ziel gesetzt, in der kommenden Saison international zu spielen - und es am Ende auch geschafft. Ich bin mir sicher: Ohne dieses ambitionierte Ziel wäre das Leistungsniveau nach gesichertem Klassenerhalt früher oder später abgefallen. Nur wer sich hohe Ziele setzt, hält die Konzentration hoch und holt das letzte Quäntchen Energie aus sich heraus.
Kann jeder alles erreichen? Ist jeder für seinen Erfolg selbst verantwortlich?
Nein, ich bin gar nicht der Meinung, dass jeder alles kann, aber dass wir mehr können, als wir meinen. Nicht alles lässt sich beeinflussen, aber wir können viele Dinge nach vorn bringen. Das ist oft mühsam und niemand garantiert einem, dass es auf Anhieb klappt, das erste Spiel gewonnen wird oder die erste Bewerbung gleich erfolgreich ist. Man muss also bereit sein, auch Niederlagen einzustecken. Wie sagte Churchill? Erfolg ist, einmal mehr aufzustehen als hinzufallen.
Liegt Erfolg nicht eher in den Genen?
Unsere Persönlichkeit ist etwa zu 50 Prozent durch Erbanlagen und zu 50 Prozent durch Umweltfaktoren geprägt. Das heißt: Es gibt einen großen Bereich, auf den wir gezielt Einfluss nehmen können, zum Beispiel durch die Veränderung des Blickwinkels.
Können Sie das genauer erklären?
Ist das Glas halb voll oder halb leer? Setzen wir morgens die Pessimistenbrille auf oder blicken wir optimistisch auf den Tag? Sehen wir Probleme oder bewerten wir Aufgaben als spannende Herausforderungen? Das können wir entscheiden. Dabei muss man verstehen, wie die Veränderung des Blickwinkels auf den Zustand wirkt und warum ein guter Zustand zu anderen Entscheidungen führt, was wiederum unser Verhalten und unsere Ergebnisse beeinflusst …
… das muss doch für die Mehrzahl der Beschäftigten akademisch klingen, die froh sind, einen Job zu haben …
Wenn jemand jeden Morgen mit hängenden Mundwinkeln aufwacht und sich widerwillig an den Arbeitsplatz quält, dann sollte er etwas ändern, unabhängig vom Bildungsniveau.
Das hört sich sehr einfach an.
Sicher ist das Leben kein Wunschkonzert, man darf nicht halluzinieren, sondern muss sich realistische Ziele setzen. Wer aber unzufrieden ist und keine Anstrengungen auf sich nehmen will, um seine Situation zu verändern, sollte auch nicht jammern. Als unzufriedener Lehrer beispielsweise kann ich mich nicht lebenslang beschweren, aber die Sicherheit als Beamter nicht aufgeben wollen. Und wenn ich in der Wirtschaft selbstständig tätig bin, unter dem Druck und längeren Arbeitstagen leide, dann brenne ich früher oder später aus. Dann muss ich mich fragen, ob das Geld, das ich verdiene, den Preis wert ist.
Welcher Fehler ist am häufigsten?
Die meisten Menschen kennen ihre Stärken und Schwächen gar nicht und tun sich deshalb auch schwer, sich überhaupt Ziele zu setzen. Oder sie bemühen sich ständig, vor allem an den Schwächen zu arbeiten.
Was ist falsch daran?
Wir müssen auch an den Schwächen arbeiten, jedoch nur so viel, dass sie keine die Karriere oder den Erfolg limitierenden Faktoren werden. Grundsätzlich aber macht es deutlich mehr Sinn, die Talente zu fördern und die Stärken zu stärken. Bereits in der Schule fokussieren wir uns darauf, vor allem die Schwächen anzugehen - wer überall gut ist außer in Mathe, wird Mathe büffeln müssen. Aber das ist ganz sicher nicht der Bereich, in dem er sich jemals wird entfalten können.
Talente werden also vergeudet?
Studien belegen, dass in den Unternehmen vier von fünf Mitarbeitern nicht stärkenorientiert eingesetzt werden. Da bleibt viel Potenzial ungenutzt, weil diejenigen, die ihre Stärken am Arbeitsplatz nutzen können, sehr viel motivierter sind und damit auch effizienter arbeiten. Leider wird das Thema Talentsuche von vielen Unternehmen aber noch stiefmütterlich behandelt. Ich würde der Human-Ressource-Abteilung am liebsten einen eigenen Namen und einen eigenen Status geben, weil hier der Erfolg von morgen gelegt wird.
Der Coaching-Markt wächst rasant. Ist das nur eine Modeerscheinung? Oder wie erklären Sie sich die starke Nachfrage?
Das Leben ist komplexer geworden, die Herausforderungen sind erheblich gestiegen. Wir haben zum einen mehr Möglichkeiten, zum anderen müssen wir sehr flexibel sein und schnell auf Veränderungen reagieren oder mehr noch: Die Dinge selbst sehr schnell bewegen, um auch in Zukunft vorn mitzuspielen.
Für wen gilt das?
Das gilt für Unternehmer und Führungskräfte, die unterschiedliche Führungsstile beherrschen müssen und einen Coach oft auch als unabhängigen Sparringspartner nutzen. Aber auch für Privatpersonen, die in verschiedensten Bereichen Hindernisse überwinden und Ziele erreichen wollen.
Unternehmer benötigen eine Beraterschar, Privatleute zum Abnehmen einen Coach. Wollen wir keine Verantwortung mehr übernehmen?
Die Verantwortung liegt immer bei jedem einzelnen, die kann man nicht an einen Coach delegieren. Der Coach inspiriert, motiviert, vermittelt Werkzeuge und Strategien, den Weg gehen muss der Coachee, also derjenige, der ein Coaching in Anspruch nimmt, immer selbst. Es käme übrigens niemand auf die Idee, dass Fußballprofis, die ja alle Fußball spielen können, keinen Trainer bräuchten. Im Gegenteil, heute haben Bundesligisten Trainerteams von teilweise bis zu fünf Leuten, sogar der Torwart hat einen eigenen Trainer. Und immer häufiger wird auch noch jemand hinzugezogen, der sich um die mentalen Fähigkeiten kümmert.
Sportler, Trainer, Autor
Jörg Löhr, geboren 1961 in Berlin, berät namhafte Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen. Der Handballspieler, der 94-mal in der Nationalmannschaft spielte, wurde bereits mehrfach ausgezeichnet - für seine fundierte Wissensvermittlung in Kombination mit seinem Talent, andere zu begeistern. Anlässlich der Ehrung für sein Lebenswerk als Referent zog er in die German Speakers Hall of Fame ein. Heute gilt er als einer der bestgebuchten Referenten Europas. Zudem ist Jörg Löhr Lehrbeauftragter der Uni Augsburg und Autor mehrerer Bestseller.
Weitere News
Bildquellen: Joerg Loehr