Gesetzliche Krankenversicherung: Die neuen Spar-Kassen
Die Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenversicherungen steigen, doch kaum ein Versicherter wechselt. Dabei hält sich der Aufwand in Grenzen.
von Markus Hinterberger, Euro am Sonntag
Gesundheit kostet. Und dieses Jahr wird es besonders teuer, vor allem für rund 570.000 Mitglieder der Viactiv. Denn diese Krankenkasse verlangt von ihren Beitragszahlern 16,3 Prozent des Bruttoeinkommens. Im Vergleich zu Mitgliedern der günstigsten Krankenkasse (siehe Tabelle unten) müssen bei der Viactiv versicherte Gutverdiener rund 864 Euro mehr im Jahr zahlen. Dieser Wert ergibt sich, wenn man ein Jahresgehalt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 50.850 Euro zugrunde legt. Ab diesem Betrag wird der Krankenkassenbeitrag gedeckelt. Auch wer brutto etwa 100.000 Euro bekommt, zahlt so viel, als ob er 50.850 Euro verdienen würde.
Voriges Jahr hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) den Preiswettbewerb wieder eingeführt: Basis ist der Mindestbeitrag von 14,6 Prozent. 7,3 Prozentpunkte zahlt der Arbeitgeber, die andere Hälfte der Versicherte. Alles, was darüber hinausgeht, dürfen die Kassen je nach ihrer Finanzlage von den Versicherten als Zusatzbeitrag erheben. 0,1 Prozentpunkte bedeuten entlang der Beitragsbemessungsgrenze Extrakosten von maximal 51 Euro im Jahr. Wessen Jahresbrutto unter 50.850 Euro liegt, der zahlt entsprechend weniger.
Seit Ende 2015 stehen die Zusatzbeiträge der Kassen für 2016 fest. Im Schnitt haben die Kassen die Prognose des Schätzerkreises erfüllt. Das Gremium, das jährlich die künftigen Beitragsätze taxiert, prognostizierte vorigen Herbst Zuschläge von 1,1 Prozentpunkten. Hauptgrund: die höheren Kosten für Medikamente, Behandlungen und die steigenden Löhne des medizinischen Personals.
Trotz steigender Beiträge gibt es keine Massenflucht wie vor einigen Jahren, als manche Kassen monatlich bis zu zehn Euro extra kassierten. Viele Mitglieder sind mit ihrer Kasse zufrieden oder scheuen den Aufwand, sie zu wechseln. "Einige sorgen sich auch, bei einer neuen Kasse weniger zu bekommen, was in der Regel unbegründet ist", so Thomas Adolph, Inhaber des Portals Kassensuche.de. Daher haben selbst Preisbrecher wie die Metzinger BKK oder die BKK Euregio, die im vergangenen Jahr keinen Zusatzbeitrag verlangt haben, 2015 zusammen nur knapp über 23.000 neue Mitglieder gewonnen. Insgesamt wechselten 2015 nicht einmal eine halbe Million Versicherte zu einer günstigeren Kasse - und das bei 50 Millionen zahlenden Mitgliedern in der GKV.
Wolfgang Greiner vom Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie der Uni Bielefeld glaubt, dass die Kassen den Wettbewerb dennoch künftig spüren werden: "Wir werden Fusionen von Kassen sehen, denn viele Betriebskrankenkassen sind noch immer sehr klein." Zudem haben schon heute viele Kassen leere Kassen. Laut Bundesbank müssten die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung deutlich stärker steigen, als sie es derzeit tun. Doch es gibt auch Versicherungen, die finanziell solide dastehen. Etwa weil sie in der Vergangenheit gut gewirtschaftet haben wie die Techniker Krankenkasse und die HEK oder weil sie von den hochkomplexen Verteilungsmechanismen des Gesundheitsfonds profitieren wie einige allgemeine Ortskrankenkassen (AOK). Angst, schlecht oder gar nicht versorgt zu werden, braucht niemand zu haben. "Jede Krankenkasse muss die Grundversorgung bieten." Und die ist im internationalen Vergleich recht gut. Dennoch heißt es genau hinschauen. Dabei helfen Portale wie Kassensuche.de oder die halbjährlichen Vergleiche im €uro am Sonntag-Schwestermagazin €uro.
Wechseltipps
Wer mit seiner Krankenkasse unzufrieden ist, kann mit einer Kündigungsfrist von zwei vollen Monaten ohne Probleme wechseln - Gesundheitstests gibt es nicht. Einzige Einschränkung: Die Versicherung ist in der gewünschten Region nicht vertreten. Nach dem Wechsel ist der Versicherte maximal 18 Monate an den neuen Vertrag gebunden. Somit können Versicherte eine Kasse auch ausprobieren - ein Plus gerade für bereits kranke Menschen.Führt eine Kasse einen Zusatzbeitrag neu ein oder erhöht sie ihn, haben die Versicherten ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht, das die 18-monatige Bindungsfrist aushebelt. Spätestens einen Monat, bevor der Zusatzbeitrag zum ersten Mal erhoben wird, muss die Versicherung alle Mitglieder anschreiben und sie auf das Sonderkündigungsrecht und eine Übersicht des GKV-Spitzenverbands hinweisen (www.gkv-zusatzbeitraege.de). Zudem muss sie die Höhe des sogenannten durchschnittlichen Beitragssatzes mitteilen, den das Bundesgesundheitsministerium jedes Jahr festlegt. Wenn der Zusatzbeitrag der Kasse diesen durchschnittlichen Zusatzbeitrag überschreitet, muss diese auch auf die Möglichkeit des Wechsels zu einer günstigeren Versicherung hinweisen. Die Kündigung wird dann am Ende des übernächsten Monats wirksam.
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