Provisionen vor dem Aus
Wie die Politik allzu üppigen Abzügen bei der Altersvorsorge den Garaus machen will.
von C. Marwede-Dengg, €uro am Sonntag
Zwei von drei Deutschen wollen für Finanzberatung kein Geld zahlen. Das fanden nun die Meinungsforscher von Forsa im Auftrag der Skandia Versicherung heraus. Was viele nicht wissen: Sie zahlen eben doch.
Zwar drücken sie nicht dem Berater nach dem Gespräch ein paar Scheine in die Hand und bekommen auch keine Rechnung. Doch wer im Kleingedruckten seiner Lebensversicherungspolice oder seines Fondsprospekts blättert, kann sich ausrechnen, was er für Versicherungsschutz, ein Zertifikat oder die Altersvorsorge ausgibt. „Die Abschlussprovision für Kapital bildende Verträge beträgt in aller Regel rund vier Prozent auf die eingezahlte Beitragssumme“, sagt Ulf Niklas von der Bundesinitiative der Honorarberater.
Geld, das nicht verzinst wird, weil es vorher abfließt. Doch damit nicht genug: Oft wird noch eine Bestandsprovision von gut einem Prozent fällig, die zusätzlich an der Rendite nagt. Vor der Finanzkrise wurden diese Kosten allenfalls von Verbraucherschützern kritisiert. Nun, drei Jahre nach Lehman und zig Prozessen, bei denen Banken einräumen mussten, Zertifikate nur der hohen Provision wegen verkauft zu haben, greift auch die Politik das Thema auf – allen voran Ilse Aigner. Die Bundesverbraucherschutzministerin kämpft schon lange gegen Provisionen – mit wenig Erfolg. Doch ihr Eckpunktepapier vom Juli macht Hoffnung. Darin aufgeführt: Honorarberater werden ausschließlich vom Kunden vergütet, müssen Zahlungen der Produktgeber an sie offenlegen und an den Kunden weitergeben. Honorarberater dürfen in Zukunft nicht nur beraten, sondern auch vermitteln.
Revolution des Finanzmarkts
„Aigner revolutioniert mit dem Eckpunktepapier den Versicherungs- und Finanzmarkt“, sagt Hans-Peter Schwintowski, Professor für Wirtschaftsrecht an der Berliner Humboldt-Universität. Denn der Kunde kaufe künftig dort, wo er das transparenteste, leistungsstärkste und preisgünstigste Produkt bekomme und gleichzeitig den geringsten Betrag für die Beratung zahlen müsse. Dadurch kämen alle Vertriebssysteme „massiv unter Wettbewerbsdruck“.
Bis zu einem Honorarberatergesetz dürfte es allerdings noch dauern. Experten gehen davon aus, dass im Lauf des ersten Halbjahrs 2012 ein erster Entwurf aus dem Verbraucherschutzministerium vorliegt. Rückenwind bekommt Aigner aus Brüssel: EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will bis 2014 ein Provisionsverbot für die gesamte EU durchsetzen. Die Finanzbranche würde in diesem Fall Milliarden verlieren.
Um in der Zwischenzeit die schlimmsten Provisionsauswüchse, etwa beim Vertrieb von Versicherungen, zu unterbinden, hat der Bundestag im Oktober eine Obergrenze für Provisionen beschlossen. Vor allem bei Kranken- und Lebensversicherungen sollen bis zu 14 Monatsbeiträge an Provisionen geflossen sein. Und so mancher Kunde mochte sich wundern, wenn sein Vermittler ihm nach einiger Zeit einen Versicherungswechsel empfahl. Was er nicht wusste: Mit dem Vertragswechsel streicht der Vermittler eine neue Abschlussprovision ein.
Nach den neuen Regeln, die zum 1. April 2012 in Kraft treten, dürfen Abschlussprovisionen und sonstige Vergütungen nicht mehr als drei Prozent der Bruttobeitragssumme beziehungsweise neun Monatsbeiträge ausmachen. Neu ist auch die fünfjährige Stornohaftung: Kündigt der Kunde seine Vertrag vorher, muss der Vermittler einen Teil seiner Provision zurückzahlen. „Das nimmt den Vermittlern den Anreiz, einander allein wegen hoher Provisionen Kunden abzujagen“, hofft Klaus-Peter Flosbach, der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Sparen trotz hoher Stundensätze
Honorarberatung gibt es bereits – sie spielt allerdings bisher mangels Nachfrage kaum eine Rolle. Dieter Rauch vom Verbund Deutscher Honorarberater (VDH) spricht von einem Marktanteil von zwei Prozent. „Wir denken aber, dass er in den nächsten drei bis fünf Jahren auf zehn bis 15 Prozent steigt“, so Rauch. Seine Kollegen in den USA kommen auf 20 Prozent, britische Honorarberater auf mehr als zehn Prozent.
Doch was kostet Honorarberatung? Der durchschnittliche Stundensatz für eine Erstberatung liegt nach Angaben von Rauch bei den Partnern seines Verbunds inklusive Mehrwertsteuer bei 150 Euro. Auch andere Verbünde wie die Bundesinitiative der Honorarberater nennen solche Sätze.
Wer laufend betreut werden will, zahlt – wie bei vielen Vermögensverwaltern – eine Pauschale auf sein angelegtes Vermögen. Diese liege, laut Rauch, im Schnitt bei einem Prozent.
Was Kunden mithilfe von Honorarberatern sparen können, zeigt VDH-Chef Rauch anhand einer Beispielrechnung: Bei einem fondsgebundenen Versicherungsvertrag mit 250 Euro Monatsbeitrag und einer Laufzeit von 35 Jahren mit einer angenommenen Rendite von sechs Prozent pro Jahr, liegt zwischen dem Honorartarif und dem besten Provisionsmodell am Ende ein Unterschied von 80.000 Euro – allein wegen Vermittler- und Bestandsprovisionen. Um das auszugleichen, müsse der Provisionsvermittler ein höheres Risiko eingehen. Selbst bei kleineren Beiträgen, geringeren Renditen und Laufzeiten, liege der Unterschied meist im vier- bis fünfstelligen Eurobereich.