Abgeltungsteuer

Vorsicht vor der Steuerfalle bei Gold und Co.

01.08.10 06:00 Uhr

Der Fiskus will bei Gold noch 2010 abkassieren. Auch bei Bausparverträgen, Lebensversicherungen und Depotübertragungen drohen Anlegern bei der Abgeltungsteuer böse Überraschungen. Wie Sie sich schützen.

von €uro-Redakteur Stefan Rullkötter

Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.“ Goethes berühmtes Faust-Zitat ist mittlerweile nicht nur das Credo inflationsverängstigter Anleger. Auch der Fiskus scheint sich auf der Suche nach neuen Einnahmequellen danach zu richten. Mit Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2009 hatte es zunächst den Anschein, als ob Goldanlagen eine der großen Ausnahmen der Pauschalabgabe wären: Gewinne aus dem physischen Erwerb des Edelmetalls bleiben nach mehr als zwölf Monaten Haltedauer steuerfrei. Viele Investoren wähnten sich daher auch mit Gold hinterlegten Wertpapieren vor allen Abgaben in Sicherheit.

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Diese Hoffnung zerstörte das Bundesfinanzministerium im vergangenen Dezember mit einem 105-seitigen Anwendungserlass. Die böse Überraschung: Auch wer Goldanleihen oder -zertifikate besitzt, muss auf Kursgewinne 25 Prozent Abgeltungsteuer plus 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag – und gegebenenfalls Kirchensteuer – zahlen. Davon besonders betroffen sind Anleger, die in Xetra-Gold-Produkte investiert haben und nun üppige Kursgewinne realisieren wollen. Deren Emittenten gingen arglos davon aus, dass Profite – wie bei Goldmünzen oder -barren – nach einem Jahr Haltezeit steuerfrei bleiben.

„Wer diese Besteuerungspraxis nicht klaglos hinnehmen will, muss gegen den späteren Steuerbescheid Einspruch einlegen und anschließend die Finanzgerichte bemühen“, rät der Frankfurter Steuer- berater Wolfgang Reinhart. Gut möglich, dass entsprechende Steuerfestsetzungen bald nur noch mit Vorläufigkeitsvermerk ergehen, bis der Bundesfinanzhof in der Sache endgültig entscheiden wird. „Es ist eine Überlegung wert, anstelle von Goldzertifikaten, -investmentfonds oder -aktien Direktanlagen in physische Edelmetalle zu bevorzugen“, meint Reinhart.

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Risiken bei Schweizer Goldfonds

Ungewiss ist auch das steuerliche Schicksal ausländischer Goldfonds, die aufgrund ihrer Vermögensstruktur in Deutschland nicht zum Vertrieb zugelassen, aber normal an der Börse handelbar sind. Diese eidgenössische Spezialität haben etwa die Zürcher Kantonalbank und Julius Bär in der Schweiz aufgelegt. „Sollte der Fiskus sie als sogenannte intransparente Investmentfonds bewerten, drohen hohe jährliche Strafsteuern“, warnt der Münchner Steuerexperte Anton-Rudolf Götzenberger.

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Der Fiskus würde dann mindestens sechs Prozent des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Fonds-Rücknahmepreises kassieren. Stuft das Finanzamt derartige Beteiligungskonzepte dagegen als „vermögensverwaltend“ ein, würden Steuerregeln wie für Geschlossene Fonds gelten. „Anlegern würde der Goldbestand des Fonds entsprechend ihrer Anteile zugerechnet – und sie würden steuerlich genauso behandelt wie bei Direktinvestments“, erklärt Götzenberger, Autor des neu erschienenen Fachbuchs „Steuersensitive Geldanlage“. Spekulationssteuern fielen dann nur bei Verkauf vor Jahresfrist an.

Lesen Sie, welche Fallen bei Lebensversicherungen drohen

Auch beim beliebtesten Vorsorgeprodukt der Deutschen lauern fiskalische Fallen. Viele Kunden wissen inzwischen, dass Kapitallebensversicherungen vor Ende der Vertragslaufzeit am Policen-Zweitmarkt verkauft werden können. Seit dem 1. Januar 2009 aber unterliegen Erlöse solcher Geschäfte voll der Abgeltungsteuer, wenn der Versicherungsvertrag noch keine zwölf Jahre bestanden hat. „Bisher war nur die Kündigung der Lebensversicherung innerhalb von zwölf Jahren steuerpflichtig“, erläutert Steuerberater Reinhart. Ganz aus dem Schneider ist nur, wer den Versicherungsvertrag bis zum 31.12.2004 abgeschlossen hatte und die zwölf Jahre Mindestlaufzeit durchhält – dann sind sämtliche Erträge in der Konstellation steuerfrei.

Bei Abschluss ab 2005 werden fällige Erträge – falls die Lebensversicherung erst nach dem 60. Lebensjahr und Ablauf von mindestens zwölf Jahren ausbezahlt wird – zur Hälfte besteuert. „Um einen Doppelbonus zu vermeiden, bleiben Lebensversicherungen von der Abgeltungsteuer ausgeschlossen und sind individuell zu versteuern“, erklärt Reinhart. Auch einige Bausparer dürften beim Blick in die Steuerbescheinigung 2009 ihres Instituts unangenehm überrascht sein: Die bis Ende 2008 geltende Regelung, das für Bausparguthaben bis zu ein Prozent Verzinsung keine Zinsabschlagsteuer anfällt, wurde gestrichen. Die Erträge sind nun abgeltungsteuerpflichtig. Ebenso ist seit 2009 die großzügige Regelung perdu, dass Bausparverträge mit Berechtigung zur Wohnungsbauprämie von einem Zinsabschlag befreit sind. Seit vergangenem Jahr unterliegen beim Bausparvertrag alle Erträge der Abgeltungsteuer – und auch so bezeichnete Bonuszahlungen sowie Treueprämien fallen voll unter die Pauschalabgabe.

Vorsicht bei Banktransaktionen

Ärger mit der Abgeltungsteuer droht nicht nur bei den Finanzprodukten selbst, sondern auch bei Wertpapiertransaktionen. Vor allem, wenn parallel mehrere Depots geführt werden oder das Wertpapierportfolio komplett zu einem anderen Kreditinstitut übertragen wird. „Anleger mit Depots bei mehreren Banken oder Fondsgesellschaften können ihre Börsenverluste aus dem Jahr 2009 nur über die Steuererklärung mit anderen positiven Kursgewinnen verrechnen lassen“, warnt der Münchner Steuer- berater Thomas Zinser. Allerdings hätten sie dazu bis zum Stichtag 15. Dezember 2009 eine Verlustbescheinigung bei der Depotbank beantragen müssen. Wer das verpasst hat, braucht Geduld – die Bank die Verluste auf neue Rechnung für 2010 vortragen. Wer Verluste über die Steuerklärung verrechnen lassen möchte, sollte daher rechtzeitig vor dem 15. Dezember 2010 bei der Depotbank die Verlustbescheinigung beantragen.

Auch bei Depotübertragungen drohen unangenehme Pauschal-Überraschungen: Zwischen Banken werden im Rahmen der Transaktion nach wie vor meist keine Einstandsdaten für Zertifikate und Finanzinnovationen – Anlageformen, die Zinsen in Kursgewinne umwandeln – übertragen. Beim späteren Verkauf muss die neue Depotbank dann pauschal auf 30 Prozent des Rückzahlungserlöses die 25-prozentige Abgeltungsteuer abführen.

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Die hohe „Strafsteuer“ droht ebenso, wenn Zertifikate bankintern übertragen wurden. „Auch in diesen Fällen können sich Anleger zu viel gezahlte Abgaben nur mit der Steuererklärung zurückholen“, erklärt Steuerprofi Götzenberger. Eine weitere Steuerfalle lauert bei geldwerten Geschenken: Weist ein Kunde sein Institut an, Wertpapiere in das Depot von Kindern, Enkeln oder Nichtverwandten bei einer anderen Bank zu übertragen, muss die auf 30 Prozent des aktuellen Kurses Abgeltungsteuer einbehalten. Und zwar unabhängig davon, ob die Aktien im Plus notieren oder seit Einstand im Verlust stehen.

„Da Geldgeschenke keine steuerpflichtige Kapitaleinnahme darstellen, kann der Anleger die unberechtigte Steuer verhindern, indem er den Transfer der Hausbank anzeigt“, erklärt Steuerberater Reinhart. Dann kassiert das Institut keine Abgeltungsteuer, meldet diese Zuwendung jedoch automatisch dem Fiskus. Während die Datenweitergabe derzeit nur mit Namen und Wohnort erfolgt, kommen ab 2012 persönliche Identifikationsnummern von Schenker und Beschenktem hinzu. „Dann kann der Fiskus noch leichter überprüfen, ob Schenkungsteuer anfällt – oder Guthaben nur zum Schein dem Nachwuchs vermacht wurden, um Abgeltungsteuer zu sparen“, warnt Steuerberater Götzenberger.

Lesen Sie, welchen Steuerbonus es für Selbständige gibt

Zumindest Gewerbetreibenden mit relativ geringem zu versteuerndem Einkommen kommt der Fiskus pauschal einen Schritt entgegen: Finanzämter werden künftig schon bei der vierteljährlichen Einkommensteuervorauszahlung niedrigere Beträge festsetzen, wenn der individuelle Tarif unter dem Abgeltungsteuer­satz von 25 Prozent liegt. Der Grund: Bundesweit mehren sich die Anträge von Anlegern, die geringere Vorauszahlungen leisten wollen. Sparer können über eine sogenannte Günstigerprüfung durchrechnen lassen, ob die Progression auf ihr Gesamteinkommen inklusive der Kapitalerträge unter 25 Prozent liegt. In dem Fall gibt es mit dem Jahresbescheid Abgeltungsteuer zurück.

Liegt der persönliche Grenzsteuersatz darüber, gilt der Antrag als nicht gestellt. Dieses Prozedere kann nun terminlich vorgezogen werden, indem die gesamten voraussichtlichen Kapitaleinnahmen 2010 dem Finanzamt gemeldet werden.„Ein Antrag auf Günstigerprüfung ist sinnvoll, wenn das zu versteuernde Einkommen unter 15.400 Euro für 2009 und 15?800 Euro ab 2010 liegt“, erklärt Steuerberater Reinhart. Für zusammen Veranlagte gilt der doppelte Betrag. Ein Antrag lohnt auch bei Sonderlagen, etwa wenn einmalig hohe Verluste aus Firma oder Mietobjekten ausgewiesen werden. Dieses Minus darf mit den Kapitaleinnahmen bis auf null verrechnet werden, sodass die gesamte von der Bank einbehaltene Abgeltungsteuer erstattet wird.

Sofern die Günstigerprüfung genutzt wird, müssen alle im Jahr kassierten Kapitalerträge deklariert werden. Denn die Finanzbeamten dürfen bei Zweifeln über einen Kontenabruf nach möglicherweise nicht gemeldeten Konten suchen. Damit soll überprüft werden, ob tatsächlich alle Einnahmen angegeben werde. Und nicht nur ein Teil, um unter dem Pauschalsteuersatz von 25 Prozent zu bleiben.


Stefan Rullkötter