EZB-Chef Draghi rät Sparern zu anderem Anlageverhalten
Der EZB-Chef Mario Draghi hat angesichts der niedrigen Zinsen die deutschen Sparer zu einem anderen Anlageverhalten geraten.
"Die Sparer haben es mit ihren Anlage-Entscheidungen auch selbst in der Hand, wie hoch ihre Erträge ausfallen, auch in Zeiten niedriger Zinsen", sagte Draghi im Interview mit der Bild-Zeitung. Die Sparer hätten verschiedene Möglichkeiten. Er führte als Beispiel die Vereinigten Staaten an. In den USA habe der Leitzins sieben Jahre bei null gelegen und "das Finanzsystem, Banken und Versicherer, haben trotzdem funktioniert." Das Geld sei unterschiedlich angelegt worden, was gute Erträge ermöglicht habe.
Zugleich verwies Draghi darauf, dass die niedrige Inflation die Effekte der niedrigen Zinsen für Sparer ausgleiche. Auf die Frage, wann die Zinsen wieder steigen würden, antwortete er: "Ganz einfach: Wenn die Wirtschaft wieder stärker wächst und die Inflation wieder näher an unserem Ziel liegt."
Draghi drängt Euro-Staaten zu Reformen
Draghi hat in dem Gespräch die Euro-Staaten zu mehr Reformen aufgefordert. "Die meisten Regierungen bewegen sich, allerdings zu langsam für meinen Geschmack", erklärte der Italiener. "Sie wären alle gut beraten, die Zeiten niedriger Zinsen zu nutzen. Aber ob ein Land Reformen durchsetzt oder nicht, liegt nicht in erster Linie an der EZB und ihrer Politik. Es wäre undemokratisch wenn eine Zentralbank gewählten Regierungen etwas diktieren würde."
Mit Blick auf Griechenland räumte Draghi anhaltende Schwierigkeiten ein. Die Schwierigkeiten des Landes hätten aber "wenig" mit dem Euro zu tun. "Die Reformen müsste Griechenland in jedem Fall vollziehen. Als Mitglied der Währungsunion kann Griechenland das mit der Unterstützung seiner Partner tun. Aber eins ist ganz klar: Wer zur Euro-Zone gehört und wer nicht, entscheidet nicht die EZB. Das ist Sache der Mitgliedsstaaten."
Zudem warnte der EZB-Chef vor den Folgen eines britischen EU-Austritts. "Ich kann und will nicht glauben, dass die Briten für einen Austritt stimmen. Gemeinsam sind wir stärker. Aber wenn sie es doch tun, muss ihnen klar sein: Sie verlieren all die Vorteile des Binnenmarkts", sagte Draghi. Zugleich warnte Draghi vor einem Niedergang der Europäischen Union und führte aus, dass es derzeit mehrere Krisen gebe, die alle mit einander zusammenhängen und sich gegenseitig verstärkten. Umso wichtiger sei es, jedem Nationalismus und Isolationismus zu widerstehen. Beide seien aber auf dem Vormarsch und das "ist meine große Sorge."
Zur Kritik an der Niedrigzins-Politik der EZB und an seiner Person aus Deutschlands sagte er, er wolle sich im Bundestag der Sache stellen. Er werde eine entsprechende Einladung annehmen und "freue sich drauf". Draghi sagte, eine "höflich und konstruktiv geführte Debatte ist durchaus willkommen und hilft uns sogar, unsere Politik zu erklären." Zugleich unterstrich er die Unabhängigkeit der EZB, "die EZB gehorcht den Gesetzen, nicht den Politikern. Oder wie es einer meiner Vorgänger gesagt hat: Es ist normal, dass Politiker unser Tun kommentieren. Aber es wäre unnormal, wenn wir darauf hörten."
Zur Politik des billigen Geldes und extrem niedriger Zinsen erklärte Draghi: "Unsere Politik funktioniert, aber wir müssen Geduld haben; das Vertrauen der Investoren ist noch nicht wieder voll hergestellt. Seit zwei Jahren wächst die Wirtschaft der Euro-Zone Monat für Monat, Banken vergeben Kredite, die Arbeitslosigkeit sinkt langsam aber sicher. Die Euro-Staaten können inzwischen wieder mehr deutsche Ausfuhren kaufen, was für deutsche Firmen Rückgänge im Handel mit China zum Teil ausgleicht. Aber es ist ein langsamer Prozess, weil diese Krise die schwerste seit dem 2. Weltkrieg war."
FRANKFURT (Dow Jones)
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