Wer füllt die Lücke?
SüdafrikaMit der abgeklärten Gelassenheit, mit der Südafrika noch im letzten Jahr auf die zweite Trump-Präsidentschaft blickte, war es bereits Ende Januar jäh vorbei. Zuvor sorgte man sich hierzulande primär darum, den privilegierten Zugang zum US-Markt unter dem Handelsprogramm AGOA nicht zu verlieren. Dann wurde der abrupte Stopp der Zahlungen der amerikanischen Entwicklungshilfe-Behörde USAID verkündet. Dies betrifft in Südafrika potenziell 17 Prozent der Mittel für die HIV-/AIDS-Behandlungs- und Präventionsprogramme. Die humanitären Auswirkungen des Zahlungsstopps sind im Schwellenland Südafrika sicherlich weniger massiv als in anderen Ländern, weil das Gesundheitssystem schlicht weniger abhängig von Hilfszahlungen ist. Es ist auch noch nicht geklärt, ob die von Südafrika erhaltene Finanzierung aus dem United States President’s Emergency Plan For AIDS Relief, kurz PEPFAR, tatsächlich unter den Aid Freeze fällt oder vorerst weiterlaufen wird. Laut Außenminister Ronald Lamola erhielt die südafrikanische Regierung diesbezüglich bislang keinerlei offiziellen Bescheid aus den USA.Doch während sich die südafrikanische Regierung noch um Klärung der Causa USAID bemühte, legte Washington mit gezielten Angriffen auf Südafrika nach. Die USA würden aufgrund der angeblich „massiven Menschenrechtsverletzungen“ sämtliche Zahlungen an Südafrika einstellen, schrieb Trump auf der Plattform Truth Social. Er behauptete, Südafrika würde Land konfiszieren und „bestimmte Gruppen von Menschen sehr schlecht behandeln“. Elon Musk, dessen Familie im Südafrika der Apartheid reich wurde, legte prompt nach und beschuldigte das Land, ein „offen rassistisches Eigentumsrecht“ zu haben.Die Bemerkungen zielten auf den Expropriation Act, der nach jahrelangen Beratungen im März 2024 vom Parlament verabschiedet wurde und am 23. Januar dieses Jahres mit der Unterschrift von Präsident Cyril Ramaphosa in Kraft trat. Das Gesetz regelt, wie und unter welchen Bedingungen der Staat Land im öffentlichen Interesse enteignen kann. Es basiert auf der Verfassung und aktualisiert eine gesetzliche Regelung aus den 1970er Jahren. Es greift jedoch nur, wenn Erwerbsverhandlungen zuvor erfolglos verlaufen sind, und sieht grundsätzlich Kompensationszahlungen vor.Die absurden Attacken aus den USA lösten in Südafrika lagerübergreifend Empörung aus.Die absurden Attacken aus den USA lösten in Südafrika lagerübergreifend Empörung aus. Selbst die Democratic Alliance, die zuvor mit ihrer Kritik am Expropriation Act fast eine Koalitionskrise riskiert hätte, sah sich bemüßigt, das Gesetz gegen die Falschaussagen zu verteidigen. Präsident Ramaphosa, der schon beim Weltwirtschaftsforum in Davos mit seiner umsichtigen Rede zum Wert von Solidarität und Kooperation einen wohltuenden Gegenpol zu Trumps Gepolter geliefert hatte, reagierte staatsmännisch. Er werde nicht mit der Bettelschale an die USA herantreten, denn ob ein Land finanzielle Hilfe leiste oder nicht, sei schließlich dessen Entscheidung. Aber er werde das „Missverständnis“ zum Expropriation Act ansprechen und die Falschinformation zur Situation in Südafrika aufklären.Auf dem Spiel stehen nicht nur die bilateralen Beziehungen zwischen Südafrika und den USA. Auch US-Außenminister Marco Rubio nahm Bezug auf das Enteignungs-Gesetz und kündigte auf der Plattform X an, dem diesjährigen G20-Treffen fernzubleiben, weil Südafrika angeblich eine „antiamerikanische“ Agenda verfolge. Als Beweis führte er das offizielle Motto der südafrikanischen G20-Präsidentschaft an: „Solidarität, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit“. Aufbauend auf den Schwerpunkten der brasilianischen Präsidentschaft will Südafrika in der G20 multilaterale Lösungen im Welthandel, dem internationalen Finanzsystem und im Kampf gegen den Klimawandel voranbringen. Auf die Unterstützung der USA, an die Südafrika die G20-Präsidentschaft dann letztlich übergeben wird, kann dabei ganz offensichtlich niemand zählen. Deutschland und die EU sollten daher gerade jetzt die Partnerschaft mit Südafrika weiter vertiefen. Schließlich eint beide Länder das Interesse, eine werte- und regelbasierte multilaterale Ordnung zu verteidigen und neu zu gestalten.Uta Dirksen, FES Johannesburg NepalSeit Jahrzehnten spielt die United States Agency for International Development (USAID) eine zentrale Rolle in der Entwicklungshilfe für Nepal. Seit 1951 hat die US-Agentur mehr als eine Milliarde Dollar in das Land investiert, wodurch Nepal zu einem der größten Empfänger von US-Hilfe wurde. Diese Mittel flossen vor allem in die Bereiche Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft und gute Regierungsführung, aber auch Katastrophenschutz und Klimawandel, wobei etwa 90 Prozent über Nichtregierungsorganisationen und nur zehn Prozent direkt über den Staat verteilt wurden. Das machte USAID bis jetzt zu einem der größten bilateralen Geber Nepals, Entwicklungshilfezahlungen machen bis zu 25 Prozent des nepalesischen Staatshaushaltes in den vergangenen Jahren aus.Die Aussetzung der USAID-Mittel hat in Nepal daher große Besorgnis ausgelöst. Neben den unmittelbaren Auswirkungen auf rund 30 internationale und fast 300 nepalesische NGOs sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf diese Gelder angewiesen sind, besteht die Gefahr, dass der Staat die nun entstehenden Lücken in existenziellen Bereichen wie Gesundheit und Bildung nicht kurzfristig schließen kann. Nepal, das bereits mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit und schwachem Wirtschaftswachstum kämpft, droht kurzfristig ein erneuter wirtschaftlicher Schock, der insbesondere die Schwächsten der Gesellschaft trifft. Die Folgen im Bereich der Klimaadaption und des Katastrophenschutzes in dem immer wieder von schweren Erdbeben und Überschwemmungen betroffenen Land sind kaum abzusehen.Während daher die Mehrheit der Nepalesinnen und Nepalesen den Rückzug kritisch betrachtet, gibt es auch Stimmen, die der US-Entwicklungszusammenarbeit eher ablehnend gegenüberstehen. Einige betrachten politische und wirtschaftliche Reformen als Einmischung in Nepals innere Angelegenheiten, die lokale Bedürfnisse ignoriert. Aus dieser Perspektive bedeutet der Rückzug eine Befreiung von westlichem Einfluss und eine Stärkung der eigenen Souveränität in der Entwicklung des Landes.China, das bereits intensiv in Nepal investiert, könnte die Lücke füllen und seine Präsenz weiter ausbauen.Noch fraglich ist die Zukunft des Millennium Challenge Corporation (MCC) Compact zwischen den USA und Nepal, der dringend benötigte Investitionen in die Energie- und Verkehrsinfrastruktur der nur schwer zugänglichen Himalaya-Republik in Höhe von 500 Millionen Dollar bereitstellt. Wenngleich die Umsetzung nach Abschluss der Verträge im Jahr 2017 nur schleppend vorankommt, stellt die Partnerschaft Nepals mit den USA ungeachtet der innenpolitischen Kritik eine wichtige Ergänzung zu den beiden mächtigen Nachbarn China und Indien dar.Denn geopolitisch hätte der USAID-Rückzug, dem weiterer Programme der US-Entwicklungszusammenarbeit folgen können, weitreichende Auswirkungen. China, das bereits intensiv in Nepal investiert, könnte die Lücke füllen und seine Präsenz weiter ausbauen. Rund 30 bis 40 chinesische Organisationen im Bereich Armutsreduktion und humanitärer Hilfe sind bereits im Land tätig. Chinas Belt-and-Road-Initiative dürfte zukünftig zunehmend an Bedeutung gewinnen. Nepal könnte so als strategischer Partner für Chinas Ambitionen in Südasien an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig wird erwartet, dass Indien versuchen wird, seinen Einfluss zu verstärken, da Nepal traditionell enge Beziehungen zu seinem südlichen Nachbarn pflegt.Für Europa, und speziell für Deutschland, eröffnet der Rückzug von USAID die Möglichkeit, sich stärker in der Entwicklungszusammenarbeit zu engagieren und als stabilisierender Partner in der Region aufzutreten. Nepal braucht starke Partner neben Indien und China, um seinen Status als geopolitisch neutrale Nation zu bewahren.Natalia Figge, FES Nepal GeorgienNach mehr als zwei Monate andauernden Protesten infolge der Ankündigung der Regierungspartei „Georgischer Traum“, die Beitrittsgespräche mit der EU auszusetzen, und nach den von Vorwürfen massiver Wahlfälschungen begleiteten Parlamentswahlen platzte die Nachricht des Einfrierens von USAID-Geldern wie eine Bombe in die ohnehin aufgeheizte Stimmungslage im Südkaukasus. Für den „Georgischen Traum“ war es eine unerwartete Schützenhilfe aus Washington: Premierminister Irakli Kobakhidze erklärte, Gelder von USAID wurden eingesetzt, „um Revolutionen anzustiften“, und nicht für „wohltätige Zwecke“. Und Parlamentspräsident Shalva Papuashvili erinnerte an die Vorwürfe gegen USAID und das National Endowment for Democracy (NED), Einfluss auf frühere Wahlen in Georgien ausgeübt zu haben – und reagierte damit auf einen Tweet von Elon Musk, der die Übernahme von Gehaltszahlungen von Journalisten eines georgischen Fernsehsenders durch das NED als Betrug bezeichnet hatte.Georgiens Regierung sieht sich mit dem Einfrieren der US-Gelder in ihrem restriktiven Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft und Medien bestätigt. Das kontroverse „Gesetz zur Transparenz ausländischer Einflussnahme“, welches im letzten Jahr das Zerwürfnis zwischen Tbilissi und den westlichen Partnern beschleunigte, verlangt von NGOs und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus internationalen Quellen erhielten, sich in ein öffentlich einsehbares Register einzutragen – bei Zuwiderhandlungen drohen erhebliche Geldstrafen.Es bleibt die Hoffnung, dass dies nur ein kurzfristiger Akt eines innenpolitischen Theaters in Washington mit erheblicher außenpolitischer Wirkung ist.Das Vorgehen der Trump-Administration mag die Hardliner in der georgischen Führung darin bestärkt haben, auf dem richtigen Kurs zu liegen und sogleich neue Restriktionen auf den Weg zu bringen: Am Mittwoch wurde ein Gesetz zur Regulierung von Medien angekündigt, welches die ausländische Finanzierung von Medien verbieten soll, sowie eine verschärfte Version des sogenannten „Agentengesetzes“.Bei vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen herrscht Panik – auch bei solchen, die keiner politischen Tätigkeit nachgehen und sich zum Beispiel im Sozial- und Gesundheitswesen, im Umweltschutz oder in der Kultur engagieren. Das sofort wirkende Einfrieren der Gelder hat nicht nur sämtliche Projektplanungen über den Haufen geworfen, sondern es stürzt die Organisationen und deren Mitarbeitende oft in eine existenzielle Krise. Dabei rächt sich, dass viele eigentlich vom Staat zu erledigende Aufgaben in Georgien in den letzten Jahrzehnten an zivilgesellschaftliche Organisationen „outgesourct“ wurden, die ohne ausländische Unterstützung nicht überleben können – etwa in der Aids-Hilfe, der Unterstützung von Binnenflüchtlingen aus Südossetien und Abchasien oder der Arbeit mit Menschen mit Behinderung.Es bleibt die Hoffnung, dass dies nur ein kurzfristiger Akt eines innenpolitischen Theaters in Washington mit erheblicher außenpolitischer Wirkung ist – und dass mit einer Neuaufstellung der Arbeit von USAID die Projekte in den allermeisten Fällen doch weitergehen werden. Sorgen bleiben jedoch vor allem in den Politikbereichen, die nicht zu Trumps und Musks Weltbild passen: freie Medien, der Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel, LGBTI, Gender und Diversität. Georgische Organisationen fürchten nicht nur um ihre Zukunft in einem zunehmend autoritären Umfeld, sondern auch um die lebenswichtige internationale Unterstützung, die ihnen bisher Rückhalt bot.Marcel Röthig, FES SüdkaukasusWeiter zum vollständigen Artikel bei IPG Journal
Quelle: IPG Journal