Eskalation statt Frieden

24.04.25 14:45 Uhr

Donald Trump ist gescheitert. Vor dem US-Präsidenten stand eine Mammutaufgabe: einen Krieg zu beenden, in dem beide Seiten keine erkennbare Kompromisszone hatten. Beide glauben weiterhin an einen möglichen Sieg – und für beide ist der politische Preis ernsthafter Zugeständnisse schlicht zu hoch.Trumps Optimismus fußte offenbar auf der Annahme, die Ukraine lasse sich unter Druck setzen, während mit Russland eine Einigung möglich sei. Zudem hält der US-Präsident – durchaus zurecht – Kriege für ein äußerst ungeeignetes Mittel zur Lösung politischer Konflikte. Diese Einschätzung teilten viele schon vor ihm, doch wie die Geschichte zeigt, brechen Kriege dennoch immer wieder aus – auch wenn sie irrational erscheinen. Ist ein bewaffneter Konflikt erst einmal entfesselt, verselbständigt sich die Gewalt und erschwert jede friedliche Lösung erheblich.Trumps Administration orientierte sich offenkundig unter anderem an historischen Beispielen erfolgreicher US-Vermittlungen – etwa Camp David oder Dayton. Diese Fälle zeigen allerdings nicht nur, dass Supermächte in der Lage sind, selbst in hochkomplexen Konflikten zu vermitteln. Sie zeigen auch, wie brüchig solche Lösungen oft sind. So waren Waffenruhen im Nahostkonflikt nie dauerhaft, eine nachhaltige Lösung blieb stets aus. Und das, obwohl die USA in den 1990er-Jahren über deutlich mehr globale Machtmittel verfügten als heute. Trumps Einflussmöglichkeiten hingegen sind begrenzt – nicht nur gegenüber Moskau, sondern zunehmend auch gegenüber Kiew. Viele hatten schon vor ihm geglaubt, man könne leicht mit Russland verhandeln oder Druck auf die Ukraine ausüben. Die Entwicklungen im russisch-ukrainischen Krieg vor 2022 haben diese Hoffnungen jedoch weitgehend widerlegt.Und dennoch: Trump nahm die Vermittlerrolle an. Die USA schafften es, die Gespräche in Gang zu bringen, Positionen auszuloten und diplomatische Treffen nach dem Muster der Shuttle-Diplomatie zu initiieren. Doch als es um konkrete Entscheidungen ging, gerieten die Verhandlungen erneut in eine Sackgasse – ganz wie einst bei den Minsker Abkommen.Kiew war mit Trumps Position unzufrieden: zu wenig Druck auf Moskau, keine Bereitschaft zur Verteidigung einer regelbasierten internationalen Ordnung, zu viel Verständnis für russische Forderungen. Aber wie hätte es anders laufen sollen? Jede andere Strategie hätte einer Rückkehr zur Biden-Linie bedeutet – die Trump mit einigem Grund für gescheitert hält.Zwischenzeitlich zeichnete sich ein Plan zur Kriegsbeendigung ab.Zwischenzeitlich zeichnete sich ein Plan zur Kriegsbeendigung ab: Einfrieren der Frontlinie, Verhandlungen über das Atomkraftwerk Saporischschja, die Ukraine außerhalb der NATO – das klang wie eine realistische Grundlage für Dialog, fernab der Maximalforderungen beider Seiten. Der Druck aus Washington schränkte Selenskyjs Spielraum ein, woraufhin die Ukraine sich auf eine Waffenruhe und sogar Gespräche mit Russland einließ – noch vor wenigen Monaten unvorstellbar. Gefangenenaustausche und eine Waffenruhe zu Ostern erinnerten an den „Lehrbuch“-Ansatz früherer Jahre, etwa an die große Austauschrunde und Waffenruhe 2019/20. Doch wie damals blieben auch diesmal weiterführende Schritte aus – die Grundinteressen der Konfliktparteien sind schlicht unvereinbar.Vor diesem Hintergrund waren die Chancen auf ein weitreichendes Abkommen in London minimal – und sind es auch weiterhin. Moskau verlangt einen zu hohen Preis für eine Feuerpause, während Kiew das Risiko einer Fortsetzung des Krieges auch ohne amerikanische Hilfe für vertretbar hält. Beide Seiten sind weiter bereit, Risiken einzugehen und den Preis für diesen Krieg zu zahlen.Russlands Anspruch, besetzte Gebiete zu behalten, ist im gegenwärtigen Zeitalter des Nationalismus kaum lösbar. Widersprüchliche Signale aus Moskau zu territorialen Fragen verstärken den Eindruck, dass ein Waffenstillstand dort gar nicht ernsthaft gewollt ist. Putins langes Festhalten an Ansprüchen auf vier ukrainische Regionen – Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson – machte Verhandlungen de facto unmöglich. Nachrichten über ein mögliches Einfrieren entlang der Frontlinie blieben unbestätigt und kamen ohnehin zu einem Zeitpunkt, als das Scheitern der Londoner Gespräche bereits absehbar war. Ein Waffenstillstand entlang der aktuellen Front wäre ein denkbarer Schritt – aber nur ein temporärer. Anders als beim Korea-Krieg blieben zentrale Fragen ungelöst, allen voran die territoriale.Für die USA nimmt die Lage eine unangenehme, aber keineswegs dramatische Wendung. Anders als in Afghanistan sind sie militärisch nicht involviert und an keine Verpflichtungen gebunden. Es steht allein die Reputation auf dem Spiel – und auch diese könnte Trump leicht der Vorgängerregierung anlasten, nicht den Vereinigten Staaten selbst.Trump stehen andere Herausforderungen bevor: Handelskonflikte etwa sind nur Symptome einer tieferliegenden Auseinandersetzung um die globale Rolle Amerikas. Trumps Strategie – einseitiges Handeln, Ressourcenschonung, Lastenteilung in der Sicherheitspolitik – könnte durch einen Rückzug aus dem Ukraine-Krieg konsequent fortgesetzt werden. Das müsste nicht zwangsläufig die amerikanischen Bündnisse schwächen, wohl aber die Stellung derer, die auf Washington angewiesen sind. Ein Ende der US-Hilfe, Verantwortungsverschiebung nach Europa und punktuelle Gespräche mit Moskau sind eine reale Option für Washington.Europa wirkt auf dieses Szenario kaum vorbereitet.Europa wirkt auf dieses Szenario kaum vorbereitet. Die hohen Kosten eines Krieges vor der eigenen Haustür sollten eigentlich Anreiz genug sein, dessen Ende zu suchen. Stattdessen treiben die Signale aus Washington Berlin und Paris in eine andere Richtung. Für die Ukraine bleibt damit nur, sich noch enger an Europa zu binden – ob diese Unterstützung dauerhaft und ausreichend sein wird, ist jedoch ungewiss.Setzen sich die aktuellen Trends fort, dürfte es im Sommer und Herbst zu einer neuen Eskalationsrunde kommen. Die Ukraine wird mit den Folgen gekürzter Hilfen kämpfen müssen, Russland mit den Risiken einer erneuten Mobilmachung. Beide Seiten könnten mit diesen Herausforderungen umgehen – wenn auch unter großen Mühen. Eine neue Verhandlungsrunde noch in diesem Jahr erscheint daher wenig wahrscheinlich.Weiter zum vollständigen Artikel bei IPG Journal

Quelle: IPG Journal