Das Kollektiv gewinnt
Bei „Wer wird Millionär“ ist der Publikumsjoker am wertvollsten. Er basiert auf dem Prinzip der kollektiven Intelligenz. Euro fondsxpress sprach mit Corvin Schmoller, wie Anleger von diesem Wissensvorsprung profitieren können.
Euro fondsxpress: Herr Schmoller, kollektive Intelligenz ist ihrer Meinung nach der Schlüssel zu nachhaltigem Anlageerfolg. Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff?
Corvin Schmoller: Der Begriff kollektive Intelligenz wird in der heutigen Zeit häufig falsch benutzt. Bisweilen wird der Begriff mit Gruppenentscheidungen verwechselt, bei denen sich Personen gegenseitig austauschen und beeinflussen. Aber darum geht es ja gerade bei dieser Art der Entscheidungsfindung nicht. Es ist wichtig, dass die Menschen ohne Beeinflussung anderer zu Entscheidungen kommen.
?: Also so, wie beim Publikumsjoker bei „Wer wird Millionär“ von Günter Jauch.
Schmoller: Genau. Auch hierbei handelt es sich um die von vielen Menschen angesammelten Informationen. Allerdings ist dies nur die vereinfachte Form. Auf unserer Plattform - www.intelligentrecommendations.com - wird das Wissen gefiltert und ergibt erst nach der Auswertung intelligente Ergebnisse.
?: Wie funktioniert das Ganze also auf Ihrer Plattform?
Schmoller: Es gibt im Gegensatz zu den üblichen Börsenforen keine Möglichkeit, über Aktien zu diskutieren. Die Nutzer haben keinerlei Möglichkeit, sich zu beeinflussen. Ebenso kann man nicht sehen, wer welche Aktie oder welchen Fonds wie bewertet hat. Nur die Nutzer, die auch selbst Bewertungen abgegeben haben, können eine Liste der aktuellen Anlagefavoriten in verschiedenen Anlagebereichen einsehen. Jeder Nutzer hat zudem nur eine begrenzte Anzahl an Empfehlungen, die er pro Anlagebereich in einem bestimmten Zeitraum abgeben kann. So erreichen wir Meinungsvielfalt dadurch, dass jeder einzelne nur einen geringen Einfluss auf die Gesamtmeinung hat.
?: Können Sie bitte noch etwas ins Detail gehen. Aus welchen Anlagebereichen können die Anleger auswählen?
Schmoller: Wir haben eine breite Auswahl der wichtigsten weltweiten Indizes. Also die vier wichtigen deutschen Indizes plus Dow Jones, Nasdaq, Hang Seng, Nikkei, Euro Stoxx und dem österreichischen ATX. Hinzu kommen Rohstoffe sowie alle in Deutschland angebotenen Fonds. Aus den dazu abgegebenen Empfehlungen werden dann Musterdepots gebildet.
?: Wird bei der Bildung dieser Depots einfach nur die simple Meinung zur Aktie – also gut oder schlecht berücksichtigt oder ist der Vorgang komplexer?
Schmoller: Der Vorgang ist in der Tat komplizierter. Für die Auswertung ist es entscheidend, die Informationen zu kategorisieren. Durch die Kategorien werden komplette Wissensbereiche vorgegeben, auf die sich die Informationen beziehen können. Aufgrund der Meinungsvielfalt auf der Plattform und der gleichwertigen Behandlung der Empfehlungen werden sehr viele unterschiedliche Informationen zusammengetragen. Dadurch wird aus verschiedenen Bereichen Wissen angehäuft, auf dem die Empfehlungen basieren. Das komplexe Wissen wird durch Auswertungsmechanismen, wie Mehrheitsentscheidungen und Mittelwerte, gefiltert. So entsteht die kollektive Entscheidung.
?: Wie werden die Ergebnisse dargestellt? Sieht dies wie bei Brokerempfehlungen aus – also „kaufen“, „halten“ oder „verkaufen“?
Schmoller: Nein. Nicht nur die Urteilsbildung sieht bei uns anders aus, sondern auch die Darstellungsweise. Wir wollen einen Mehrwert für die Nutzer bieten und nicht die Börse nachbilden. Es gibt also kein klassisches Kaufen- oder Verkaufen-Urteil. Stattdessen benennen die Nutzer ihre kurz-, mittel- und langfristigen Favoriten. Entsprechend der kollektiven Entscheidung wechseln sich die Favoriten im Musterdepot ab und können dann vom Nutzer als Umschichtungen interpretiert werden.
?: Aber jeder Nutzer ist anders und hat eine unterschiedliche Risikoneigung. Wird dies berücksichtigt?
Schmoller: Sicher doch. Jeder Nutzer ordnet sich einer Risikoklasse zu und auch die Anlageempfehlungen werden in den Auswertungen nach Anlegern in unterschiedlichen Risikoklassen aufgeteilt. Zudem verwenden wir verschiedene Algorithmen, die neuere Anlagefavoriten höher gewichten als ältere. Auf diese Weise reguliert sich das System von allein und ist immer auf dem neuesten Stand.
?: So viel zur Theorie. Wie sieht es in der Praxis aus. Funktioniert die kollektive Intelligenz auch in der harten Realität?
Schmoller: Das tut sie in der Tat. Seit 2008 messen wir die Ergebnisse der verschiedenen Musterdepots. Damit sind wir sehr zufrieden. Wir liegen zwischen 13 und 28 Prozent über den entsprechenden Vergleichsindizes. Wenn wir regelmäßig das Aktiendepot umgeschichtet hätten, läge die Rendite seit Januar 2009 bei über 80 Prozent. Die Indizes lagen im Schnitt bei rund 60 Prozent. Das belegt deutlich, dass man durch kollektive Intelligenz tatsächlich einen Mehrwert bieten kann.
?: Wie ist bislang die Akzeptanz ihrer Internetseite www.intelligentrecommendations.com?
Schmoller: Aktuell machen über 2300 Leute regelmäßig mit. Dies reicht problemlos aus, um gute Ergebnisse zu bekommen. Meinungsvielfalt ist wichtig für kollektive Intelligenz, es kommt aber im Weiteren insbesondere darauf an, die richtigen Informationsstrukturen und -algorithmen zu verwenden, um einen wirklichen Mehrwert zu schaffen. Es kann sich jeder kostenlos anmelden, Wertpapiere beurteilen und die monatlichen Änderungen sowohl der Einzelwerte als auch der allgemeinen Asset Allokation verfolgen. Nur wer tägliche oder wöchentliche Änderungen einsehen möchte, muss sich für den kostenpflichtigen Premiumservice anmelden.
?: Was haben Sie in der Zukunft vor – wird es Produkte geben, die auf den Empfehlungen beruhen?
Schmoller: Die Produkte sind bereits in Arbeit. Noch in diesem Jahr werden wir sie über unsere Plattform anbieten. Lassen Sie sich überraschen.
Im Profil
Corvin Schmoller hat an der Universität Lüneburg und Madrid angewandte Kulturwissenschaften und Informatik studiert. Durch Seminare und Literatur zu Informationstechnologien, Netzwerkstrukturen und kollektiver Intelligenz entwickelte er Mitte 2007 ein selbstregulierendes Anlageempfehlungssystem und begann mit der Testphase für seine spätere Unternehmensgründung. Ende 2008 ging das System unter der www.intelligentrecommendations.com online. Gefördert wird das Projekt durch ein EXIST-Gründerstipendium des Bundesministerium für Wirtschaft sowie durch die EU.