Euro am Sonntag-Interview

ING-DiBa-Chefvolkswirt: "Parität erreichen wir nicht"

26.03.17 16:00 Uhr

ING-DiBa-Chefvolkswirt: "Parität erreichen wir nicht" | finanzen.net

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-DiBa, über den Fahrplan der Europäischen Zentralbank, Inflationssorgen und die Aussichten für den Euro.

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von Andreas Hohenadl, Euro am Sonntag

Nach dem Zinsschritt der US-Notenbank Fed rückt nun auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder in den Fokus. Wohin die Reise geht, erläutert ING-DiBa-Chef­ökonom Carsten Brzeski.



€uro am Sonntag: Wie sieht Ihrer Einschätzung nach der künftige Fahrplan der EZB aus?
Carsten Brzeski:
Bei der letzten Sitzung wurde deutlich, dass die EZB etwas positiver hinsichtlich der Konjunktur­entwicklung geworden ist. Sie sieht aktuell auch nicht, dass weitere Lockerungsmaßnahmen notwendig wären. Denn Deflation ist keine ernsthafte Gefahr mehr. Meiner Meinung nach baut EZB-Chef Draghi jetzt darauf, in den kommenden Monaten den Einstieg in den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik hinzubekommen.

Wie könnte der aussehen?
Zunächst wird die EZB sicher noch die Wahlen in Frankreich abwarten. Gehen diese glimpflich aus, hat sich das politische Risiko in Europa erst mal wieder verflüchtigt. Die EZB will auf keinen Fall einen Frühstart hinlegen und wird sich wohl an der Blaupause orientieren, die die Fed geliefert hat: Sie wird im Lauf von 2018 die Anleihekäufe zurückfahren und erst danach die Zinsen erhöhen.


Es gibt aber doch Beobachter, die kritisieren, dass die Inflation bereits deutlich anzieht.
Das sind aber nur deutsche Beobachter (lacht). Im Ernst: Es stimmt in der Tat, dass die Inflation angesprungen ist. Doch woher kommt das? Das sind zum ­einen Basiseffekte, denn der Ölpreis war vor einem Jahr wesentlich niedriger als heute. Und zum anderen kommt es von den Nahrungsmitteln. Die EZB kann mit ihrer Geldpolitik aber nichts am Ölpreis und nichts an den Nahrungsmittelpreisen ändern.

Worauf achtet sie dann?
Sie blickt auf die Kerninflationsrate und - das ist ein neues Element - auf die Lohnentwicklung. Denn erst wenn die Löhne anfangen zu steigen, sieht sie, dass die Wirtschaft in der Lage ist, stabil und selbstständig zu wachsen. Diese Entwicklung will EZB-Chef Draghi in möglichst vielen Ländern der Eurozone sehen, bevor er handelt.


In welche Richtung wird der Euro tendieren?
Wenn wir als Basisszenario nehmen, dass die bürgerlichen Kräfte bei den Wahlen in Frankreich siegen, sehe ich, dass wir wieder einen leicht stärkeren Euro bekommen könnten. Das hängt natürlich auch davon ab, was in den USA passieren wird. Wenn wir uns das Euro/Dollar- Paar anschauen, sehen wir, dass viele Vorschusslorbeeren für Donald Trump verteilt wurden. Die Gefahr ist groß, dass er die hoch gesteckten Erwartungen verfehlt und die Fed die Zinsen auch nicht so stark anhebt.

Das bedeutet?
Vielleicht gibt der Euro gegenüber dem Dollar noch ein wenig nach. Aber ich denke nicht, dass wir die Parität erreichen werden. Vielmehr wird der Euro in den kommenden ein bis zwei Jahren, wenn Europa positiv überrascht und der sanfte Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik gelingt, wieder in Richtung 1,10 bis 1,15 Dollar gehen.

Bildquellen: ING-DiBa Pressebild, filmfoto / Shutterstock.com