Euro am Sonntag-Meldung

Ökonomen-Barometer: Noch nicht heiß gelaufen

02.12.17 12:00 Uhr

Ökonomen-Barometer: Noch nicht heiß gelaufen | finanzen.net

Führende Volkswirte sehen derzeit keine Gefahr einer Überhitzung der Konjunktur. Allerdings machen sie erste Warnsignale aus.

von Wolfgang Ehrensberger, €uro am Sonntag

Die Konjunktur in Deutschland läuft nicht nur rund, sie beschleunigt 2018 ihr Tempo: Zwei Prozent Wirtschaftswachstum erwarten die führenden Forschungsinstitute, sogar 2,2 Prozent der Sachverständigenrat. Die Wirtschaftsweisen warnten bereits vor einer "Überauslastung", für die es inzwischen erste Anzeichen gebe, etwa bei der Besetzung offener Stellen.

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Zwei Drittel der im Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv befragten Volkswirte sehen derzeit aber keine oder nur eine geringe Gefahr einer Überhitzung der Konjunktur. Immerhin 25 Prozent der Befragten diagnostizieren hingegen erhöhte Risiken für die Wirtschaft, elf Prozent schätzen die Gefahr als "größer" ein.

"In einzelnen Sektoren stehen wir heute bereits in einer Überhitzung", sagt etwa Wilfried Fuhrmann von der Uni Potsdam. "Das gilt insbesondere für die Bauwirtschaft. Die Bau­preise steigen derzeit bei voll ausgelasteten Kapazitäten." Vor einer Überauslastung im Bau­gewerbe hatte auch der Sachverständigenrat gewarnt. Durch die extrem lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) werde dieser Trend noch verstärkt. "Anstatt das Wachstum schrittweise zu verlangsamen, wird das Risiko von Fehlallokationen erhöht", mahnen die Experten.
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Produktivitätsreserven
Für die deutsche Wirtschaft als Ganzes kann Ulrich van Suntum von der Uni Münster derzeit kaum Überhitzungssignale erkennen - weder von der Kapazitätsauslastung her noch von der Preisentwicklung. Klaus-Dirk Henke (Uni Berlin) sieht ausreichend vorhandene Produktivitätsreserven. Für Stephan Klasen (Uni Göttingen) schließlich ist "ein wenig Überhitzung noch kein Problem, solange es nicht zu einer massiven Lohn-Preis-Spirale kommt". Und es gäbe wenig Anzeichen für eine solche Spirale.

Juergen B. Donges von der Uni Köln rechnet damit, dass das Expansionstempo der deutschen Wirtschaft vielmehr dabei helfen könnte, die vor ­allem im Ausland heftig kritisierten Ungleichgewichte im deutschen Außenhandel zu reduzieren. "Durch das starke Wachstum steigt auch die Importnachfrage, was auf andere EU-Länder positiv ausstrahlt und die hartnäckig hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse verringern hilft", erklärt Donges.
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Bereits für das laufende Jahr hatte der Sachverständigenrat zuletzt seine Wachstumspro­gnose von 1,4 auf zwei Prozent angehoben. Im dritten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt mit 0,8 Prozent überraschend kräftig gewachsen. Es ist bereits das 13. Quartalswachstum in Folge. Experten erwarten eine rege Fortsetzung des Aufschwungs im letzten Quartal. Impulse kommen zunehmend aus dem europäischen Ausland, sodass die Entwicklung auf einer breiteren Basis steht.

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