Euro am Sonntag-Meinung

Saudi-Arabien: Ein Königreich der Möglichkeiten

10.12.17 03:00 Uhr

Saudi-Arabien: Ein Königreich der Möglichkeiten | finanzen.net
Olaf Hoffmann

Die Reformpläne von Saudi-Arabien eröffnen ausländischen Investoren neue Möglichkeiten. Deutsche Unternehmen können hier Chancen nutzen.

von Olaf Hoffmann, Gastautor für €uro am Sonntag

Schwarze Schleier und schwarzes Gold - das waren lange Zeit die dominanten Assoziationen zu Saudi-Arabien. Doch von beidem macht sich das Königreich los.



Ende Oktober gab es einen ersten wichtigen Schritt in diese Richtung: Ab dem nächsten Jahr dürfen saudische Frauen den Führerschein machen und Auto fahren. Dabei geht es nicht nur um das Fahren selbst. Es geht darum, selbstständig zur Arbeit zu kommen und dabei nicht auf einen teuren Fahrer oder ein männliches Familienmitglied angewiesen zu sein. Der Anteil der Frauen am Erwerbsleben wird damit noch einmal deutlich steigen. Saudi-Arabien will zukünftig nicht auf diese wichtige Ressource verzichten.

Vor einigen Wochen wurde außerdem ­bekannt, dass das Königreich 500 Milliarden Dollar in den Bau einer futuris­tischen Megastadt namens Neom investieren will, in der zukunftsträchtige Wirtschaftsbereiche wie Biotechnologie gefördert werden sollen. Die Affinität des Landes zu Hightech bewies das ­Königreich zudem jüngst, als der Roboter­dame Sophia im Rahmen einer Wirtschaftskonferenz die saudische Staatsbürgerschaft verliehen wurde. Demnächst können auch Touristen ­Sophia bestaunen, denn die saudische Regierung hat die erstmalige Vergabe von Touristenvisa angekündigt. Ziel ist es, den Urlaubssektor im Königreich auszubauen.


Langfristiges Ziel ist die
Unabhängigkeit vom Erdöl
Jüngst wurde auch eine Kommission ins Leben gerufen, die gegen Korruption vorgehen soll. Davon wird das Land, aber auch deutsche und andere ausländische Unternehmen, die vor Ort aktiv sind, profitieren. Dies sind nur einige Bausteine in dem ambitionierten Plan, die Wettbewerbsfähigkeit des Königreichs zu erhöhen und Saudi-Arabien als ölunabhängige Volkswirtschaft in der Region zu eta­blieren. Die dahinter stehende Strategie "Vision 2030" wurde im vergangenen Jahr vom neuen starken Mann in Saudi-­Arabien, vom Kronprinzen, vorgestellt. Seitdem wird die Reformagenda unermüdlich vom erst 32 Jahre alten Sohn des Königs umgesetzt.

Das langfristige Ziel der "Vision 2030" ist die Unabhängigkeit des Landes vom Erdöl - der Rohstoff, der lange Zeit eine garantierte Einnahmequelle für das Land war. Doch der Kronprinz will sein Land langfristig erfolgreich machen, auch für die Zeit nach dem Öl. Der Schwerpunkt der Reformagenda liegt auf der Diversifizierung und Privatisierung der saudischen Wirtschaft. Staatliche Unternehmen im Gesundheits- und im Telekomsektor sollen ­privatisiert und die nationale Flug­gesellschaft verkauft werden. Ein Zwei-Billionen-Dollar-Fonds soll den ­Anteil ausländischer Investitionen bis 2020 auf 50 Prozent erhöhen. Der teilweise Börsengang von Saudi Aramco ist lediglich das eindrucksvollste Beispiel und Symbol dieser tief greifenden Umstrukturierung.


Das Ölland Saudi-Arabien will erneuerbare Energien massiv ausbauen. Im Jahr 2040 sollen 23 bis 30 Prozent des täglichen Energiebedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Bis ­dahin sollen insgesamt 109 Milliarden Dollar in den Ausbau von Solarenergie fließen. 80 Prozent der Solarpaneele sollen für den heimischen Markt produziert werden. Der Rest soll ins Ausland exportiert werden, auch nach Deutschland oder China.

Nicht nur Unternehmen und Wirtschaftssektoren sollen zukünftig effizienter und profitabler geführt werden. Die gleichen Vorgaben gelten auch für die staatliche Verwaltung, Ministerien und Behörden. Diese müssen sich an strengen Kennzahlen messen lassen. Die Reformagenda betrifft aber auch die Gesellschaft insgesamt. Frauen bekommen mehr Rechte, können ohne Zustimmung von Vater, Ehemann oder Bruder arbeiten und wichtige Funktionen in Politik und Wirtschaft bekleiden. Die saudische Bevölkerung soll gesundheitsbewusster leben - und sich amüsieren. Der Bau von Kinos ebenso wie von Vergnügungsparks ist geplant.

Für ausländische Investoren und ­Unternehmen bietet dieser Umbruchprozess interessante Möglichkeiten. Vor allem im Bereich Gesundheit, Bildung und Umweltschutz gibt es für mittelständische Unternehmen Kooperationsmöglichkeiten in Saudi-Arabien. In diesen Bereichen hat der Golfstaat über die klassischen Bereiche wie Anlagen- und Maschinenbau erheblichen Nachhol­bedarf. Auch im Energiesektor bieten sich für deutsche Firmen neue Geschäfts­felder.

Diese Kooperation fußt auf einer ­langen Geschichte deutsch-saudischer Partnerschaft, von der beide Länder profitieren. Seit der Staatsgründung pflegen Deutschland und das Königreich eine strategische, ökonomische und kulturell enge Zusammenarbeit. Saudi-Arabien schätzt das weltweit bekannte deutsche Know-how, seine technologische Brillanz sowie die sehr gute Ausbildung deutscher Arbeitskräfte. Heute arbeiten allein in der östlichen Provinz von Saudi-Arabien rund 600 deutsche Ingenieure. Deutsche Produkte sind im Königreich sehr beliebt, insbesondere Industrieausrüstung, Autos, Nahrungsmittel, Stahl und Technologie. Deutsche Exporte nach Saudi-Arabien betrugen im Jahr 2016 knapp 7,5 Milliarden Euro.

Veränderungsprozess bietet Möglichkeiten für Investoren
Bereits fünf Jahre nach Gründung der Dorsch-Gruppe im Jahr 1951 begann diese mit der Erschließung des inter­nationalen Marktes im Nahen Osten. Die ersten Großaufträge folgten 1970. Zehn Jahre später hat die Dorsch-Gruppe die Hedschasbahn von Damaskus in Syrien über Amman in Jordanien nach Medina in Saudi-Arabien geplant.

Ein erfolgreich umgesetztes Projekt der jüngeren Vergangenheit war der Bau des neuen internationalen Flughafens in Medina. Er wurde 2015 offiziell eingeweiht und ist seitdem ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für muslimische Pilger.

Ein Veränderungsprozess wie derjenige, der momentan in Saudi-Arabien durch den Kronprinzen vorangetrieben wird, bietet viele Möglichkeiten für ­internationale und vor allem deutsche Investoren und Unternehmen. Schwarzer Schleier und schwarzes Gold - das war einmal. Der Schleier macht Platz für eine gut ausgebildete und selbstbewusste Generation junger saudischer Frauen. Das Gold weicht ­einem breiten Investitionsansatz in erneuerbare Energie. Die deutsche Wirtschaft sollte diese Chancen ergreifen.

Kurzvita

Olaf Hoffmann
CEO der Dorsch-Gruppe
Olaf Hoffmann hat ­Architektur und Städtebau in Braunschweig, Mailand, Paris und New York studiert und ist heute geschäftsführender Gesellschafter ­ der Dorsch-Gruppe.
Mit etwa 2000 Mitarbeitern zählt die Dorsch-Gruppe zu den größten unabhängigen Planungs- und Beratungskonzernen Deutschlands und ist in mehr als 40 Ländern tätig.

Bildquellen: ESB Professional / Shutterstock.com, Dorsch Gruppe