Euro am Sonntag-Analyse

Ökonomen-Barometer: Aufschwung breiter und stärker als erwartet

24.06.17 08:00 Uhr

Ökonomen-Barometer: Aufschwung breiter und stärker als erwartet | finanzen.net

Der Konjunktur-Indikator setzt seinen Höhenflug auch im Juni fort, der Ausblick auf die nächsten zwölf Monate wird positiver. Nur am Bitcoin-Hype scheiden sich die Geister.

von Wolfgang Ehrensberger, €uro am Sonntag

Das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv kann auch im Juni den hohen Vormonatsstand halten. Mit 70,4 Punkten bewerten führende Volkswirte die wirtschaftliche Lage in Deutschland derzeit so gut wie zuletzt 2011. Der Ausblick auf die kommenden zwölf Monate zieht um weitere 2,6 Prozent auf 78,6 Punkte an. Es ist der zweithöchste Erwartungswert seit dem bisherigen Höchststand von 81,4 Punkten von Februar 2011. Seit Jahres­beginn hat sich das Ökonomen-­Barometer damit um rund zehn Prozent erhöht, die Prognose ­sogar um 15 Prozent.



Auch das Münchner Ifo-Institut hat seine Wachstumsprognosen für 2017 und 2018 zuletzt ­angehoben. "Wir erleben gerade ein so kräftiges erstes Halbjahr, dass uns der Schwung bis ins kommende Jahr trägt", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr um 1,8 und 2018 noch einmal um 2,0 Prozent zulegen. Bislang waren plus 1,5 und 1,8 Prozent erwartet worden.

Die Wachstumsdynamik erstreckt sich aber nicht nur auf Deutschland. Die Europäische Zentralbank (EZB) rechnet mit einem anhaltenden Konjunkturaufschwung im gesamten Euro- Währungsraum. "Die aktuellen Daten deuten auf ein solides Wachstum im zweiten Quartal 2017 hin", heißt es im neuen EZB-Wirtschaftsbericht.


Die derzeitige Dynamik erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass der Aufschwung stärker als erwartet ausfallen werde. Während die Unternehmensinvestitionen sich weiter erholten, bremse die schlechte Ertragslage der Banken und der immer noch hohe Bestand an faulen Krediten in deren Bilanzen in einigen Ländern die wirtschaftliche Entwicklung.

G 20: Neue Weltordnung
Am 7. und 8. Juli findet in Hamburg zum zwölften Mal der sogenannte G 20-Gipfel der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer statt. In diesem Abstimmungsgremium der globalen Wirtschaftspolitik verlagern sich durch die blockierende Haltung der USA (Freihandel, Klimapolitik) die Gewichte stärker hin zu Schwellenländern wie China oder Indien. Immerhin 39 Prozent der befragten Ökonomen sehen diese aktuellen Tendenzen auch als Chance für die Weltgemeinschaft in Richtung einer multipolaren Weltordnung. Insgesamt wird der Gruppe der G 20 künftig größeres Gewicht beigemessen, während der Einfluss der G 7 (führende Industrieländer) nach Einschätzung der Ökonomen sinkt. Zwei Drittel der Befragten erwarten zudem, dass der ­asiatische Zusammenschluss ASEAN an Bedeutung gewinnt.


Karlhans Sauernheimer (Uni Mainz) warnt allerdings auch davor, dass sich die G 20 zu einem "Anti-USA-Verein" entwickeln könnten, was weder für den Westen noch für die Welt als Ganzes hilfreich wäre. Friedrich Heinemann vom ZEW Mannheim richtet den Blick zudem auf die EU, die erst ihre eigene existenzielle Krise überwinden müsse, bevor sie wieder mehr Einfluss in der Welt ausüben könne. "Der Brexit bietet der EU die Chance, sich neu auszurichten", sagt er.

Die im Ökonomen-Barometer befragten Volkswirte befassten sich in der Juni-Umfrage auch mit der Digitalwährung Bitcoin, deren Wert sich seit Jahres­beginn verdreifacht hat und die seit April in Japan als Zahlungsmittel zugelassen ist.

Zwar glauben drei Viertel der Befragten, dass das Kryptogeld auch mittelfristig nicht den Status einer echten Währung erlangen wird. Vor allem als Wertaufbewahrungs- und -messmittel halten es die meisten für ungeeignet. Dagegen glauben fast 50 Prozent bereits an die Funktion als digitales Zahlungsmittel.

Juergen B. Donges von der Uni Köln empfiehlt, den Blick auf ­Japan zu richten, um Erkenntnisse über die Eignung von Bitcoins für Handelstransaktionen zu gewinnen - jenseits der Verwendung als reines Spekulationsobjekt. "Bitcoins könnten in Zukunft den Währungswettbewerb stimulieren und treten dabei mit dem Vorteil an, dass ihr Wert, anders als bei Papiergeld, nicht von einer Zentralbank beeinflusst werden kann."

Auch Ulrich van Suntum hält Bitcoins für eine geniale Idee, sieht sie aber als "abstrakte, elektronische Währung für sehr erklärungsbedürftig". Für andere Ökonomen haben Bitcoins die Funktion von Nischenprodukten. Stephan Klasen (Uni Göttingen) sieht sie "mittelfristig in der Rolle von Gold".

Im Überblick: Die Stimmen der Volkswirte finden Sie hier! (PDF)

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