Globale Rezession erwartet: IWF senkt Wachstumsprognose - "Das Schlimmste kommt noch"
Hohe Inflation, der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Folgen der Corona-Pandemie lasten schwer auf der Weltwirtschaft.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat am Dienstag seine globale Wachstumsvorhersage für das kommende Jahr auf nunmehr 2,7 Prozent gesenkt und vor dem Risiko einer globalen Rezession gewarnt. "Das Schlimmste kommt noch. Und für viele Menschen wird sich das Jahr 2023 wie eine Rezession anfühlen", sagte IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas bei der Vorstellung der IWF-Konjunkturprognose in Washington. Düster sind die Aussichten auch für Deutschland.
Die Prognose sei die schwächste seit rund 20 Jahren - mit Ausnahme der Vorhersagen während der Pandemie und der Weltfinanzkrise, hieß es in dem Bericht. Entscheidend sei nun, ob mit strenger Geldpolitik die Inflation zurückgehe. Allerdings könnten die hohen Zinsen eine Schuldenkrise in einkommensschwachen Ländern auslösen. Eine übermäßige strenge Geldpolitik berge auch das Risiko, die Weltwirtschaft in eine "unnötig harte Rezession zu stürzen", warnte Gourinchas.
In seiner neuen Prognose rechnet der IWF in diesem Jahr mit einem globalen Wachstum von 3,2 Prozent - das ist keine Veränderung zu der Vorhersage im Juli. Das prognostizierte Wachstum im Jahr 2023 ist mit 2,7 Prozent aber 0,2 Prozentpunkte geringer als noch im Sommer angenommen. Im Euroraum soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) demnach im kommenden Jahr nur noch um 0,5 Prozent wachsen - eine deutliche Herabstufung im Vergleich zur Prognose im Juli, in der noch mit einem Wachstum von 1,2 Prozent gerechnet wurde. Für Deutschland sagt der IWF für 2023 sogar einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent voraus. Führende Wirtschaftsforschungsinstitute hatten bereits vorhergesagt, dass Europas größte Volkswirtschaft in eine Rezession steuert.
Mehr als ein Drittel der Weltwirtschaft werde 2023 schrumpfen, warnte nun der IWF. In den drei größten Volkswirtschaften - den USA, der Europäischen Union und China - werde das Wachstum stagnieren. Die Energiekrise in Europa sei dabei "kein vorübergehender Schock", warnte Gourinchas. Die geopolitische Neuordnung der Energieversorgung im Zuge des russischen Angriffskriegs sei "umfassend und dauerhaft". Der IWF-Chefökonom prophezeite: "Der Winter 2022 wird eine Herausforderung sein, aber der Winter 2023 wird wahrscheinlich noch schlimmer sein."
Auch beim Thema Inflation sind die Prognosen des IWF verhalten. "Für die Jahre 2023 und 2024 wird eine Abkühlung der Inflation erwartet", heißt es zwar in dem Bericht. Für das kommende Jahr rechnet der IWF in den Industriestaaten aber immer noch mit einer Teuerungsrate von im Schnitt 4,4 Prozent - das ist höher als bisher vorhergesagt. Für die Schwellen- und Entwicklungsländer wird im Durchschnitt eine Inflationsrate im von 8,1 Prozent erwartet.
Der IWF warnt, dass mehrere Faktoren eine Abschwächung der Inflation verlangsamen könnten. Sollte es noch weitere Schocks bei den Energie- und Lebensmittelpreisen geben, könnten die Verbraucherpreise längerfristig hoch bleiben. "Die Energiepreise sind und bleiben besonders anfällig mit Blick auf den Verlauf des Krieges in der Ukraine und das mögliche Aufflammen anderer geopolitischer Konflikte", schreiben die Autorinnen und Autoren des Berichts.
Trotz aller Risiken müssten sich daher die Zentralbanken auf die Eindämmung der Inflation konzentrieren, so der IWF. "Wir empfehlen den Zentralbanken, den Kurs beizubehalten", sagte IWF-Chefvolkswirt Gourinchas mit Blick auf die strenge Geldpolitik. Die US-Notenbank Fed hatte sich zuletzt mit mehreren kräftigen Zinserhöhungen gegen die extrem hohe Teuerungsrate gestemmt. Fed-Chef Jerome Powell hatte deutlich gemacht, dass weitere Erhöhungen des Leitzinses zu erwarten sind. Die EZB hatte nach langem Zögern im Juli die Wende hin zu höheren Zinsen eingeleitet.
Doch eine weitere Straffung der Geldpolitik in den Industriestaaten erhöhe den Druck auf Kreditkosten in einkommensschwächeren Staaten, so der IWF. Das wäre für die von der Pandemie sowieso schon schwer getroffenen Länder fatal - und hätte auch weltweite Folgen. "Eine sich ausweitende Schuldenkrise in diesen Volkswirtschaften würde das globale Wachstum stark belasten und könnte eine weltweite Rezession auslösen."
Der IWF betont, dass die Prognosen außerordentlich unsicher seien. Die zukünftige Entwicklung der Weltwirtschaft hänge entscheidend von der Geldpolitik, dem Verlauf des Krieges in der Ukraine und möglichen weiteren pandemiebedingten Störungen - etwa in China - ab. Die weitere Aufwertung des US-Dollars dürfte außerdem zu weiteren Spannungen führen. Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs könnten Europa weiter belasten. Ein Wiederaufflammen von Corona oder neue globale Gesundheitsängste könnten das Wachstum weiter bremsen.
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WASHINGTON (dpa-AFX)
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