Weltraum-Ideen

Milliardäre im All: Der Weg nach ganz oben

01.01.14 03:00 Uhr

Superreiche auf dem Weg nach ganz oben: Wie Richard Branson, Paul Allen und Jeff Bezos den Weltraum als lukratives Geschäftsfeld sehen.

von Peter Balsiger, Euro am Sonntag

Schneller und höher" war schon immer sein Motto: Jetzt will Richard Branson, der als verrücktester Milliardär der Welt und hemmungsloser Selbstvermarkter gilt, den Weltraum erobern. 2014 will er mit seinen Kindern Holly und Sam an Bord eines Raumflugzeugs ins All fliegen. Der Sender NBC hat sich bereits die Übertragungsrechte gesichert.

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Der Entrepreneur und Abenteurer mit dem schulterlangen blonden Haar und dem charakteristischen Kinnbart, der 1999 von Königin Elizabeth II. zum Ritter geschlagen wurde, war in den 90er-Jahren mehrfach mit dem Versuch gescheitert, in einem Ballon die Erde zu umrunden. Mit seinem 2004 gegründeten Unternehmen Virgin Galactic will er nun nicht nur Touristen ins All fliegen, sondern - zehn Jahre nach dem Ende der Concorde - auch den globalen Passagiertransport mit einem neuen Überschallflugzeug revolutionieren: Ein Flug von London nach Sydney soll dann nur noch 150 Minuten dauern.

Sein Virgin-Imperium, das 1970 als Plattenfirma begann, umfasst heute mehr als 200 Unternehmen in 30 Ländern, darunter Fluggesellschaften, Banken, Eisenbahnlinien, Radiostationen, Luxus-Resorts, Mobilfunkanbieter, Fitnessstudios, Wein- und Wodkafirmen, sogar eine Cola-Marke. 2010 und 2011 war er Formel-1- Sponsor. Branson ist Herr über 55 000 Mitarbeiter und geschätzte 17 Milliarden Euro Jahresumsatz. 2013 bezifferte das "Forbes Magazine" sein Vermögen auf 4,6 Milliarden Dollar.

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Erster privater Weltraumflug
Bransons galaktisches Abenteuer begann am 21. Juni 2004 auf dem Wüstenflughafen Mojave. Sein Space Ship One, an dem jahrelang unter größter Geheimhaltung gebaut worden war, wurde von einem Trägerflugzeug 14,3 Kilometer hoch in den Himmel über Kalifornien transportiert. Dort wurde es ausgeklinkt, und der Pilot zündete das Raketentriebwerk. Nach Erreichen der Grenze zum All in 100 Kilometer Höhe glitt das Raumflugzeug zurück zur Erde - das war der erste bemannte private Weltraumflug.

Nach dem Erfolg von Space Ship One ließ Branson das Nachfolgemodell Space Ship Two entwickeln: ein 18 Meter langes, weiß glänzendes Raumflugzeug, ausgelegt für zwei Piloten und sechs Passagiere. Es soll in der Lage sein, dank des Raketenantriebs die Erdatmosphäre zu verlassen und eine Geschwindigkeit von 6700 Stundenkilometern zu erreichen. Sobald alle Testläufe des neuen Trägerflugzeugs und des weiterentwickelten Space Ship erfolgreich verlaufen sind, soll es mit den Virgin-Raumflügen losgehen.

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Voraussichtlich ab 2015 werden zahlende Touristen ins All fliegen. Geplant ist, dass sich Space Ship Two in rund 15 000 Meter Höhe vom Trägerflugzeug abkoppelt, auf Schallgeschwindigkeit beschleunigt und bis in 100 Kilometer Höhe steigt, um den Passagieren fünf Minuten das Gefühl der Schwerelosigkeit zu bieten.

Riesenfenster für den Blick zur Erde
"Wir haben riesige Fenster wie kein anderes Raumfahrzeug zuvor, durch die die Passagiere auf die Erde schauen können", sagte Branson. "Sie können herumschweben und damit zu Astronauten werden." Bereits jetzt denkt der Visionär weiter: Er will Weltraumreisen später einmal zu einem Preis anbieten, "der es Hunderttausenden ermöglichen soll, den Weltraum zu erleben". Mittel- bis langfristig sollen die Weltraumtickets für einige 10 000 Dollar zu haben sein. Marktanalysen zeigen, dass bei einem Preis von 50 000 Dollar ein jährliches Passagieraufkommen von einer halben Million möglich wäre.

Über 500 Hobbyastronauten haben bis heute bei Virgin Galactic das noch 200 000 Dollar teure Ticket für den rund zweieinhalb Stunden dauernden Sphärenflug gebucht. Darunter sind auch zehn Deutsche. "In den ersten zehn Jahren wollen wir 30 000 Menschen ins All fliegen", sagt Stephen Attenborough, kaufmännischer Leiter von Virgin Galactic.

Wer zu den ersten Passagieren gehören wird, steht bereits fest: Bei Prominenten wie Angelina Jolie, Brad Pitt, Leonardo DiCaprio, Ashton Kutcher, Justin Bieber und Katy Perry sind die Tickets für die ersten Flüge heiß begehrt. Branson: "Das wird ein großartiges Aushängeschild für die Virgin-Gruppe - wir werden auf der ganzen Welt die Einzigen sein, die Reisen ins All anbieten." Auch Astrophysiker Stephen Hawking habe sich schon für die Jungfernfahrt angemeldet - Branson findet das "absolut fantastisch". Er sagt: "Ich verehre diesen Mann sehr." Sony soll bereits an einer Realityshow arbeiten, in der Prominente ins Weltall geschickt werden. Der US-Sender NBC plant eine Show mit dem Namen "Space Race", bei der die Kandidaten um einen Flug mit Virgin Galactic spielen.

Für seine Weltraumflüge ließ Richard Branson vom Stararchitekten Norman Foster einen eigenen Airport bauen, den "Virgin Galactic Gateway to the Space" in der Wüste des US-Bundesstaats New Mexico. Er wurde im Oktober 2011 filmreif eingeweiht: Branson zerschlug eine Champagnerflasche an einem Hangar, während er sich gemeinsam mit Akrobaten von dem Gebäude abseilte. Der mehr als 200 Millionen Dollar teure Weltraumbahnhof umfasst Abfertigungsgebäude für Passagiere und Wissenschaftler sowie Hangars für zwei Trägerflugzeuge und fünf Space Ships. "Das Gebäude ist absolut bezaubernd", lobte der Milliardär. "Es ist buchstäblich nicht von dieser Welt." Unter den Gästen bei der Einweihungsfeier war auch der frühere US-Astronaut Buzz Aldrin, der als zweiter Mensch den Mond betrat.

Auf der drei Kilometer langen Piste des Airports sollen womöglich auch die für den klassischen Flugverkehr umgebauten Space Ships Two starten, die Concorde-Nachfolger, mit denen Virgin Galactic jeweils sechs Passagiere in Rekordzeit auf entfernte Kontinente befördern will. Auf diesen Routen werden die Raketenflieger sogar die Erdatmosphäre verlassen. Zu den Zukunftsplänen von Virgin Galactic zählen auch längerfristige Ausflüge in den Weltraum, zum Beispiel in fliegenden Orbit-Hotels.

Eine Nacht im Gefängnis
Dass Branson eine derart spektakuläre Karriere als einer der fantasievollsten Unternehmer unserer Zeit machen würde, war keineswegs vorgezeichnet. Er wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen in der Nähe von London auf, sein Vater war Rechtsanwalt, die Mutter Stewardess. Er hatte eine Rechtschreibschwäche und schaffte trotz Privatschule noch nicht einmal den Hauptschulabschluss. Mit 16 verließ er die Schule und gründete eine Zeitschrift für Jugendliche. Er korrespondierte mit dem Premierminister, den er um Unterstützung für seine Zeitschrift bat, und hatte Interviewzusagen von Jean-Paul Sartre, John Le Carré und Mick Jagger. Sein Rektor hatte ihn mit den Worten verabschiedet: "Entweder du landest im Gefängnis oder du wirst Millionär."

Branson beging in der Startphase seines Schallplatten-Direktversands tatsächlich ein Zolldelikt und landete für eine Nacht im Gefängnis. Beim zweiten Teil seiner Prognose verschätzte sich der Rektor allerdings um ein paar Nullen: Branson ist längst mehrfacher Milliardär. Nach 40 Jahren Selbstdarstellung ist er inzwischen selbst zur Marke geworden. Immer wieder setzte er sein Leben für gefährliche Abenteuer und Stunts aufs Spiel oder machte Schlagzeilen mit spektakulären Aktionen. Seine Autobiografie "Losing my Virginity" stellte er einst fast nackt vor, für seinen Brautmodenverleih verkleidete er sich als Transvestit, und für Virgin-Cola war er als menschliche Coladose unterwegs. Weil er eine Wette gegen den britischen AirAsia-Chef Tony Fernandes verloren hatte, jobbte der 62-Jährige im Mai 2013 einen Tag lang als Stewardess bei der malaysischen Billig-Airline von Fernandes - im engen Kostüm, mit rot geschminkten Lippen und rasierten Beinen.

Paul Allen
Der Rocket Man für Transporte
Der 60-Jährige, der zusammen mit Bill Gates Microsoft gründete und laut "Forbes"-Liste (Platz 53) zu den reichsten Menschen der Welt gehört, möchte sich als global buchbarer Dienstleister für den Nutzlasttransport ins All etablieren. Mögliche Kunden wären nationale Raumfahrtagenturen oder private Satellitenbetreiber. Sein Unternehmen Stratolaunch Systems plant den Bau des größten Flugzeugs der Welt - als Startrampe für mehrstufige Trägerraketen, die Satelliten, Raumfahrzeuge oder Fracht in den erdnahen Weltraum transportieren sollen. Für 2016 sind die ersten Testflüge geplant. Die Maschine besitzt zwei parallele Rümpfe, die durch ein Tragflächenmittelstück miteinander verbunden sind. Sie wird von sechs Boeing-747-Turbinen angetrieben, die Flügelspannweite beträgt unglaubliche 116 Meter, das sind 40 Prozent mehr als beim derzeit größten Passagierflugzeug, dem Airbus A380.

Jeff Bezos
Flüge zu den Sternen für jedermann
Als Kind träumte er davon, Mr. Spock zu sein - der Außerirdische mit den spitzen Ohren aus der TV-Serie "Raumschiff Enterprise". Als 18-Jähriger entwarf er eine Vision seines späteren Lebens: Hotels, Vergnügungsparks und Kolonien für zwei oder drei Millionen Menschen im Weltall wollte er bauen. Heute ist Jeff Bezos beinahe 50 Jahre alt, war Hedgefondsmanager, gründete das Onlinekaufhaus Amazon und kaufte die "Washington Post". Sein Vermögen wird auf 25 Milliarden Dollar geschätzt. Der Traum vom Weltall hat ihn nie losgelassen: Seit 15 Jahren baut seine Firma Blue Origin an einem raketengetriebenen Raumschiff, das Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS oder zahlende Passagiere ins All und zurück transportieren kann. Er möchte Flüge in den Weltraum für viele Menschen erschwinglich und die Raumfahrt sicherer machen. Der kommerzielle Einsatz des Raumschiffs soll 2018 beginnen, möglicherweise mit einem Flug zur ISS.