Milliardäre im All: Die Welt ist nicht genug
Die Weltraumforschung war 50 Jahre lang fest in staatlicher Hand. Jetzt wird das All zum Tummelplatz der Superreichen und ihrer galaktischen Träume.
Werte in diesem Artikel
von Peter Balsiger, Euro am Sonntag
Er ist der neue Star unter den US-Unternehmern und einer der Helden des Silicon Valley: Elon Musk ist Milliardär, hat eine große Anzahl erfolgreicher Start-ups gegründet, die Raumfahrt revolutioniert, plant Elektroautos für jedermann und will Menschen zum Mars fliegen.
Dabei ist er nicht der einzige Milliardär, der buchstäblich nach den Sternen greift, denn bei den Männern, die in den goldenen Jahren des Internets reich geworden sind, gehört es fast zum guten Ton, ein eigenes Raumfahrt-Start-up zu gründen: das Weltall als Emerging Market.
Die Presse vergleicht den in Südafrika geborenen Musk gern mit dem legendären US-Unternehmer Howard Hughes, der 1945 das größte Flugzeug der Welt baute, Besitzer der Fluglinie TWA war, erfolgreiche Filme produzierte und zahllose Affären mit Hollywoodstars hatte.
Der Börsenwert von Musks Unternehmen beträgt über sechs Milliarden Dollar. Mehrfach stand er vor dem Ruin. Nicht zuletzt, weil er immer voll auf Risiko gesetzt hat. Auch privat.
Im Kampfjet über Nevada
In seinen wilden Zeiten fuhr der Zweimetermann mit einem McLaren-F1-Auto Höchstgeschwindigkeiten von 391,23 Kilometern pro Stunde oder donnerte in einem tschechischen Kampfjet vom Typ Aero L-39 im Tiefflug über Nevada - er verfolgte Freunde, die in ihren Businessjets unterwegs waren.
Musk wurde 1971 als erstes von drei Kindern in Pretoria geboren. Der Vater war ein wohlhabender Maschinenbauingenieur, die Mutter Model und Ernährungsspezialistin. Er wurde früh eingeschult, war ein Außenseiter, fand in der Schule keine Freunde, las statt Comics lieber Schopenhauer und schrieb Computerprogramme. Mit zwölf verkaufte er sein erstes Computerprogramm.
Er interessierte sich auch früh für die Börse und drängte seine Mutter dazu, eine bestimmte Pharmaaktie zu kaufen. Sie investierte 1.000 Dollar, im darauffolgenden Jahr hatte sich der Kurs der Aktie bereits verdreifacht. Die Mutter verkaufte die Aktie - gegen den Protest des kleinen Elon, der überzeugt war, dass die Aktie noch weiter gestiegen wäre.
Um der Einberufung in die Armee zu entgehen, verließ Musk mit 17 den Apartheidstaat Südafrika, zog erst nach Kanada, in die Heimat seiner Mutter, und später nach Philadelphia, wo er an der Eliteschule Wharton einen Abschluss in Wirtschaft und Physik machte. 1995 schrieb er sich an der Stanford University in Kalifornien ein, eine der renommiertesten Universitäten der Welt, um dort zu promovieren. Die Universität liegt in unmittelbarer Nähe des Silicon Valley, wo gerade das Start-up-Fieber ausgebrochen war. Nach zwei Tagen schmiss Musk das Studium.
Um ihn herum eröffneten junge Leute Internetunternehmen und machten sagenhafte Geschäfte. Musk wollte dabei sein. "In Stanford lassen sie einen erst mal ziehen, wenn man eine unternehmerische Idee hat", erinnert sich Musk. "Mein Professor sagte allerdings, ich würde wohl nie mehr zurückkommen ..." Musk und sein Bruder Kimbal mieteten ein Büro, das ihnen auch als Wohnung diente und in dem nur ein einziger Computer stand. Ihre Geschäftsidee: eine Software für Verlage zu entwickeln, die regionale Karten und Adresslisten im Internet veröffentlicht. Der Name ihres Start-ups: Zip2. Die Mutter gab das Startkapital. Erst wollte niemand in ihr Unternehmen investieren, aber schließlich fand Musk private Geldgeber. Zu den Kunden gehörten renommierte Zeitungen wie die "New York Times" oder die "Chicago Tribune". 1999 verkaufte Musk die Firma für 308 Millionen Dollar an den Computergiganten Compaq.
Er hatte längst eine neue Idee: "Bezahlen übers Internet! Man musste es nur einfach genug machen, das Geld zu transferieren." Er entwickelte das Onlinebezahlsystem Paypal, das im Juli 2002 von Ebay für rund 1,5 Milliarden Dollar übernommen wurde. Musk war mit 11,7 Prozent der Firmenanteile der größte Anteilseigner. Mit 31 Jahren hatte er nun das nötige Kapital, um sich einen Jugendtraum zu erfüllen: ein eigenes Raumfahrtunternehmen, das eines Tages Menschen zum Mars fliegen würde.
Privatflug ins All
Innerhalb weniger Jahre entwickelte seine Firma Space Exploration Technologies Corp., kurz SpaceX, hocheffiziente Transportraketen. Billiger und verlässlicher als die Konkurrenz wollte Musk fliegen. Bis Februar 2006 hatte er bereits 100 Millionen Dollar in die selbst entwickelte Flüssigtreibstoffrakete Falcon 1 gesteckt. Die 21 Meter große Rakete hatte er nach dem "Star Wars"-Raumschiff "Millenium Falcon" benannt. Nach mehreren Fehlstarts stand SpaceX vor dem Bankrott. Aber 2008 gelang endlich der Durchbruch. Mit der Falcon 1 erreichte Musk als erstes vollständig privat finanziertes Raumfahrtunternehmen den Orbit - bei einem Drittel der Kosten herkömmlicher Raketenstarts.
Drei Monate später unterschrieb Musk einen Vertrag über 1,6 Milliarden Dollar mit der NASA für zwölf Versorgungstransporte zur Internationalen Raumstation. 2012 dockte SpaceX erstmals an die ISS an. Bald will Musk reichen Privatpersonen Flüge ins All anbieten. Aber sein eigentliches Ziel ist es, erschwingliche Marsflüge für jedermann durchzuführen. Er hat alles über den Mars gelesen, was er auftreiben konnte. Aber Musk ist kein Träumer. Er ist Unternehmer, und seine Marsmission geht er pragmatisch an. Wenn die Menschheit überleben wolle, so Musk, könne sie sich nicht auf einen einzigen Planeten beschränken, denn die Grenzen der irdischen Kapazitäten seien bald erreicht. "Irgendwann wird die Erde ohnehin zu übervölkert und verschmutzt sein, als dass wir hier noch leben können." Da biete sich die Besiedlung des Mars an, der hinsichtlich seiner Beschaffenheit der Erde am ähnlichsten sei.
230 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist der Rote Planet, die Temperatur schwankt zwischen minus 133 und plus 27 Grad. Noch fehlt Musk die Rakete für diese interplanetare Mission. Aber er arbeitet schon an der Entwicklung der viel stärkeren Falcon 9. Sie wird rund 35 Millionen Dollar kosten. Und sie wäre die richtige Rakete für den Mars.
Businessplan Marsflug
Was sich wie ein Traum anhört, ist für Musk längst ein Businessplan. Er ist überzeugt, dass alle Transportmittel künftig elektrisch betrieben werden - mit Ausnahme der Raketen. Konsequenterweise entwickelte der Visionär 2008 das Elektroauto Tesla, benannt nach dem serbischen Physiker und Erfinder Nikola Tesla.
"Benzinmotoren sind absolut lächerlich. Manchmal fallen sie aus. Wenn nicht, dann pusten sie übles Zeug in die Luft und sind laut. Dabei verschwenden sie enorm viel Energie. Und warum das alles? Nur wegen der größeren Reichweite. Das Problem mussten wir lösen."
Sein Ziel war es, die stärkste Batterie mit dem geringsten Gewicht zu kombinieren. Er setzte auf Carbon als Werkstoff und auf eine Batterie, die aus 7.000 kleinen Akkus bestand. 2008 produzierte der Porsche-Fahrer Musk mit dem Tesla Roadster eine erste Serie für wohlhabende Kunden, seit 2012 wird das Model S produziert, eine Limousine mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern. In drei bis vier Jahren soll dann ein Mittelklassemodell für rund 30.000 Dollar auf den Markt kommen. Musk: "Das ist die Vision: günstige E-Autos für viele Menschen." In Kalifornien stehen bereits die ersten Tankstellen, an denen Tesla-Autos in 30 Minuten nachtanken können. Gebaut werden sie von Musks Energieversorgerunternehmen SolarCity, das von seinem Cousin geleitet wird.
Mehrfach stand Tesla - genau wie SpaceX - vor der Pleite. Das Unternehmen überlebte auch deshalb, weil Daimler sich 2009 mit zehn Prozent beteiligte. Später stieg auch Toyota ein. Heute sind die Anleger von Tesla begeistert, der Kurs der Aktie hat sich innerhalb eines Jahres versechsfacht. Was kommt als Nächstes?
Ab durch die Röhre
Musk arbeitet bereits an dem Verkehrsmittel Hyperloop, das Flugzeuge und Schnellzüge ersetzen und Menschen in Kapseln mit mehr als 1.200 Stundenkilometern durch Röhren befördern soll. An der Wand seines Büros hängt ein Poster. Es ist ein Foto vom legendären Boxkampf zwischen Muhammad Ali, der damals noch Cassius Clay hieß, und dem Weltmeister Sonny Liston. Der Fight, 1964 in Miami Beach ausgetragen, endete mit einem K.-o.-Sieg von Clay, einem 22-jährigen Großmaul, dem niemand eine Chance gegen den Champion zugetraut hatte. Das Foto zeigt Clay, wie er triumphierend auf den am Boden liegenden Liston hinunterblickt. Es ist eines der berühmtesten Fotos der Sportgeschichte. Es symbolisiert den Sieg des Außenseiters gegen übermächtig scheinende Gegner. Eine Rolle, mit der sich Elon Musk stets identifiziert hat.
Lesen Sie in der nächsten Ausgabe von Euro am Sonntag mehr über die galaktischen Pläne von Richard Branson, Jeff Bezos und Paul Allen.
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