US-Aktien-Tipp

Hot Stock der Wall Street: AOL

04.08.11 12:00 Uhr

AOL war einmal der größte Internetkonzern der Welt, heute nur noch ein Schatten seiner selbst. Doch das Unternehmen scheint nun endlich die Kurve zu kriegen. Die Gründe.

von Tim Schäfer, New York

Zu Spitzenzeiten betreute der Goliath 30 Millionen Kunden und war 240 Milliarden Dollar wert. Mittlerweile ist das Unternehmen nur noch ein Schatten seiner selbst. Auf die Börsenwaage bringen die New Yorker derzeit lausige zwei Milliarden Dollar. Doch massive Aktienkäufe durch Insider lassen aufhorchen. Ende Mai deckte sich Aufsichtsrat Alberto Ibargüen zum Kurs von 19,77 Dollar ein. Bereits im Februar hatte sich Vorstandschef Tim Armstrong Aktien im Wert von zehn Millionen Dollar unter den Nagel gerissen. Sein Durchschnittskurs betrug 20,97 Dollar. Vollzieht der Konzern endlich die Wende? Es spricht viel dafür.

Nach der Ausgliederung aus dem Medienimperium Time Warner vor zwei Jahren erfolgte die Neuausrichtung. Armstrong, ein ehemaliger Google-Manager, übernahm das Ruder. Im Dezember 2009 betrat AOL dann das Börsenparkett. Seit der Erstnotiz verlor das Papier fast 20 Prozent. Ich habe Armstrong auf einigen Analysten-Konferenzen in Manhattan erlebt. Er hinterließ stets einen guten Eindruck. Vor allem fand ich seine Offenheit verblüffend. Da war er kaum an Bord, kritisierte er süffisant, dass AOL nur 100 Werbekunden habe. Von seinen Zeiten bei Google war er andere Zahlen gewöhnt. Also holte der Manager mehr Anzeigenkunden an Bord. Und die Portale baute er aus - hauptsächlich lokale Inhalte fügte er hinzu. Diesen Bereich hatte der gesamte Internetsektor jahrelang vernachlässigt. Hier schlummern gigantische Werbedollars.

Anschließend begab sich Armstrong auf Shoppingtour. Im Herbst 2010 kündigte er die Übernahme des beliebten TechCrunch-Blogs an. Im vergangenen Februar folgte der nächste Deal. Der weltgrößte Blog "The Huffington Post" kam zum Preis von 315 Millionen Dollar unter das AOL-Dach. Begleitend folgten Kündigungsrunden im Haupthaus. Zuletzt wurden 900 Beschäftigte beziehungsweise 20 Prozent der Beschäftigten abgebaut. An Bord sind nur noch 5000 Mitarbeiter. Normalerweise steigen Aktienkurse nach dramatischen Kündigungsrunden, hier zeigte sich jedoch niemand auf dem Parkett entzückt. Eines der Gründe ist wohl: Das alte Internetzugangsgeschäft schrumpft seit Jahren, aber es wirft noch schöne Kapitalflüsse ab. In den guten Zeiten war AOL die Internet-Anlaufstelle der Amerikaner schlechthin. Der Service Provider war derart überlastet, dass sich viele über das Modem nicht ins Netz einwählen konnten. America Online erhielt damals den Spitznamen "Allways off-line".


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Nun besteht das Imperium im Kern aus rund 80 Portalen. Darunter sind Angebote wie AOL.com, DailyFinance, Moviefone, FanHouse oder PoliticsDaily. Im vergangenen Jahr schrumpfte der Umsatz von 3,2 auf 2,4 Milliarden Dollar. Der Verlust summierte sich auf 782 Millionen Dollar. Trotz der roten Zahlen fällt der operative Cash Flow erstaunlicherweise sehr solide aus. Trotz der Übernahmen liegen noch rund 200 Millionen Dollar netto in der Kriegskasse, Schulden sind Fehlanzeige. Um das Cash bereinigt, billigt die Wall Street dem einstigen Star nur 1,8 Milliarden Dollar zu. Das ist so wenig, dass die Aktie unterhalb des Buchwerts notiert. Kein Wunder, dass es immer wieder Übernahmegerüchte gibt. AOL wäre ein ideales Zielobjekt beispielsweise für Yahoo. Yahoo-Chefin Carol Bartz hortet immerhin 3,3 Milliarden Dollar Cash, damit könnte Sie locker die New Yorker schnappen und hätte noch Geld übrig.

Tim Schäfer, US-Aktienexperte für Euro am Sonntag, empfiehlt AOL
Zur Zeit stehen aber Wachstumswunder hoch in der Gunst der Investoren. Firmen wie facebook, LinkedIn, Baidu oder Groupon sind begehrt wie nie zuvor, weil deren Nutzerzahlen explodieren. Für Turnaround-Kandidaten wie AOL interessiert sich die Anlegerschar nicht die Bohne. Dabei ist Wachstum nicht alles. Entscheidend ist, ob Gewinne erwirtschaftet werden. Und AOL könnte in der Lage es, schwarze Zahlen zu schreiben. Nicht zuletzt sorgt der Personalabbau für Entlastung. Der Chart scheint jedenfalls einen Boden auszubilden. Manch einer mag sich denken: Als Löwe gestartet, als Bettvorleger gelandet! Doch die Stimmung kann drehen. Value-Jäger setzen auf die Wende.

Tim Schäfer ist Journalist und schreibt seit 1998 über Börse, Aktien und Unternehmen. Seit 2006 lebt der studierte Diplom-Betriebswirt und DVFA-Aktienanalyst in New York und berichtet von dort über die Geschehnisse an der Wall Street, unter anderem für Euro am Sonntag. Bekannt ist Schäfer für seine Berichterstattungen über kleine Nebenwerte.

Nachrichten zu AOL Inc.

Analysen zu AOL Inc.

DatumRatingAnalyst
27.05.2015AOL HoldNeedham & Company, LLC
14.05.2015AOL NeutralUBS AG
13.05.2015AOL HoldDeutsche Bank AG
13.05.2015AOL NeutralMonness, Crespi, Hardt & Co.
12.05.2015AOL HoldAxiom Capital
DatumRatingAnalyst
23.04.2015AOL BuyAxiom Capital
12.02.2015AOL BuyCRT Capital
11.02.2015AOL BuyMonness, Crespi, Hardt & Co.
01.12.2014AOL BuyMonness, Crespi, Hardt & Co.
06.11.2013AOL kaufenJefferies & Company Inc.
DatumRatingAnalyst
27.05.2015AOL HoldNeedham & Company, LLC
14.05.2015AOL NeutralUBS AG
13.05.2015AOL HoldDeutsche Bank AG
13.05.2015AOL NeutralMonness, Crespi, Hardt & Co.
12.05.2015AOL HoldAxiom Capital
DatumRatingAnalyst
28.04.2010AOL "underperform"Credit Suisse Group
15.12.2009AOL ErsteinschätzungCredit Suisse Group
11.12.2009AOL sellMerriman Curhan Ford & Co

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