G20-Gipfel

Schäuble will Strukturreformen und keine Regulierungspause

26.02.16 09:05 Uhr

Schäuble will Strukturreformen und keine Regulierungspause | finanzen.net

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich für eine Umsetzung von Strukturreformen stark gemacht und vor einer Regulierungspause für den Finanzsektor gewarnt.

Vor Beginn der offiziellen Beratungen der Finanzminister und Notenbankchefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) warnte Schäuble in Schanghai ausdrücklich vor schuldenfinanzierten Ausgabenprogrammen zur Ankurbelung der Wirtschaft. IWF-Chefin Christine Lagarde forderte die G20-Länder zu schnelleren Reformen auf.

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   "Nur Strukturreformen zu vereinbaren, ist nicht genug", sagte Schäuble auf Englisch bei einem "High-Level Seminar on Structural Reforms" der G20. "Man muss sie umsetzen." Jedoch sei es sehr schwer, umzusetzen, was vereinbart worden sei.

   Schäuble wandte sich ausdrücklich gegen Forderungen, angesichts der gegenwärtig schwankenden Konjunktur den Finanzsektor weniger zu regulieren. "Wenn wir jetzt in der volatilen Situation in Banken rund um die Welt auf die hören würden, die die Regulierung verringern wollen, würden wir einen schrecklichen Fehler begehen", warnte der Bundesfinanzminister. "Wir müssen damit fortfahren, die Finanzmärkte weniger volatil zu machen," forderte er stattdessen.

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   Derzeit gebe es "zu viel Volatilität", konstatierte Schäuble allgemein. "Wir müssen klar sein, dass der Spielraum für die Geldpolitik erschöpft zu sein scheint", stellte er fest. Auch der Raum für die Fiskalpolitik erscheine beschränkt. Nötig seien deshalb Strukturreformen.

Lagarde warnt vor Wirtschaftsschwäche

Lagarde drängte bei derselben Veranstaltung ebenfalls auf schnellere Reformen. "Wir fordern die G20-Länder auf, die Strukturreformen zu beschleunigen", sagte die Geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Angesichts der derzeit "fragilen" Situation der Weltwirtschaft und weiterer Abwärtsrisiken für die Entwicklung seien "umfassende, tiefgreifende und beschleunigte" Strukturreformen besonders nötig.
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   Weitere Revisionen der Wachstumsaussichten seien möglich, betonte sie und sagte, jüngste Herabstufungen müssten "nicht das Ende der Geschichte" sein. Der IWF sieht seit Januar das Wachstum der Weltwirtschaft nur noch bei 3,4 Prozent.

   In einer ebenfalls auf Englisch gehaltenen Rede bei einer Konferenz des Institute of International Finance (IIF) lehnte der deutsche Finanzminister am Freitag zudem ausdrücklich schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme ab. "Über weiteren Stimulus zu reden, lenkt nur von den tatsächlichen Aufgaben ab, die bestehen", sagte er. "Wir stimmen deshalb einem fiskalischen G20-Ankurbelungsprogramm nicht zu, das manche für den Fall wollen, dass Risiken eintreten."

   Seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts seien expansive, schuldenfinanzierte Fiskalpolitiken und eine akkomodierende Geldpolitik "nur moderat erfolgreich bei der Förderung von Wachstum" gewesen, argumentierte der deutsche Finanzminister. "Die gegenwärtige Unsicherheit könnte die nächste Krise ankündigen", warnte Schäuble. Die Weltwirtschaft und eine Reihe einzelner Länder müssten widerstandsfähig genug sein, um dem zu begegnen.

G20 suchen Wege für mehr Wachstum

Schäuble hat sich bereits im Vorfeld für ein Festhalten am fiskalischen Konsolidierungskurs und die Umsetzung von Strukturreformen und damit gegen Ausgabenprogramme stark gemacht, wie sie aus den USA gefordert wurden. Der deutsche Finanzminister hat auch bereits mehrfach vor den Risiken der ultralockeren Geldpolitik gewarnt.

   "Die Geldpolitik kann nicht alle Probleme lösen", hatte er am Donnerstag in Schanghai gewarnt. Entscheidend seien Strukturreformen. Schäuble hatte allerdings offengelassen, ob dieses Jahr wieder ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden könnte. "Schauen wir mal", sagte er und betonte, in Deutschland müssten in den Budgetverhandlungen für 2017 mehr Ausgaben für die Flüchtlingskrise, innere Sicherheit und Verteidigung vereinbart werden. "Darüber hinaus muss alles andere dann zurückstehen."

   Hauptthema des G20-Treffens in Schanghai soll die Lage der Weltwirtschaft und die Suche nach Wegen für ein langfristig höheres Wachstum sein. Auch eine Weiterentwicklung der internationalen Finanzmarktarchitektur und die Bekämpfung der internationalen Terrorismusfinanzierung stehen in der chinesischen Metropole auf der Agenda. Das Treffen bereitet den G20-Gipfel Anfang September in Hangzhou vor, bei dem die Wachstumsentwicklung ein Hauptthema ist.

   Schäuble will sich dabei nach Angaben des Bundesfinanzministeriums für eine "umfassende Umsetzung von Strukturreformen als Basis für künftiges Wachstum aussprechen" und unterstützt eine Initiative der chinesischen Präsidentschaft für eine "erweiterte Strukturreformagenda". Im Rahmen dieser Agenda sollten Prinzipien für besonders wachstumsfreundliche Strukturreformen sowie Indikatoren zur Messung der Reformfortschritte erarbeitet werden.

Schäuble lobt langen Atem Chinas

Doch gerade China ist mittlerweile selber zu einem großen Problem der Weltwirtschaftsentwicklung geworden. Die Verunsicherung über den weiteren Kurs des Landes nach der jüngst deutlichen Abschwächung seiner Wirtschaftsleistung hat zu Turbulenzen an den Börsen geführt. Noch kurz vor dem Treffen kam es an der Börse von Schanghai zu einem erneuten Kursrutsch.

   Die G20-Partner warten deshalb in Schanghai auch darauf, dass die chinesische Regierung sich weiter zur Finanzreform bekennt und ihre Strategie und ihre Absichten besser kommuniziert. Angesichts massiver Interventionen auf dem Aktienmarkt und gemischter Signale über eine neue Devisenpolitik hat Lagarde bereits davor gewarnt, dass China ein "Kommunikationsproblem" habe.

   Schäuble hat sich aber in Schanghai bisher demonstrativ wohlwollend zur Lage in China geäußert und "ein bisschen überzogene Nervosität" bei der Berichterstattung über die jüngsten Abwärtsentwicklungen beklagt. China habe in der Geschichte bewiesen, dass es "einen langen Atem" habe - zwar gebe es in China derzeit "eine Riesenherausforderung", man habe aber Respekt vor dem Land.

   China hat dieses Jahr den G20-Vorsitz. Deutschland übernimmt ihn im kommenden Jahr. Beide Länder wollen sich insbesondere in ihrer Forderung nach Strukturreformen eng abstimmen.

SCHANGHAI (Dow Jones)

Bildquellen: Adam Berry/Getty Images