Tiefster Stand seit 2010

Ökonomen-Barometer: Trübe Aussichten

22.11.14 09:00 Uhr

Ökonomen-Barometer: Trübe Aussichten | finanzen.net

Der Indikator sinkt auf ein Niveau wie zuletzt im April 2010. Die EZB sehen die Wirtschaftsexperten auf dem Holzweg.

von Wolfgang Ehrensberger, €uro am Sonntag

Die führenden deutschen Volkswirte sehen die Konjunktur weiter im Abwärtstrend. Weder in der Beurteilung der aktuellen Lage noch im Ausblick auf die kommenden zwölf Monate zeigen sich Tendenzen einer Erholung. Das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv sackte demnach im November um weitere sieben Prozent auf 45,6 Punkte ab. Damit ist der Tiefststand von Dezember 2012 (47,5 Punkte) unterschritten und mittlerweile das Niveau von April 2010 erreicht. Die Prognose für die kommenden zwölf Monate ging um neun Prozent zurück.

Dabei hatte es in den vergangenen Tagen durchaus positive Konjunktursignale gegeben. So war das ZEW-Barometer im November von minus 3,6 Punkten im Vormonat auf plus 11,5 Punkte geklettert. Zudem schaffte die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal immerhin ein kleines Plus von 0,1 Prozent, nach einem Rückgang von 0,1 Prozent im Vorquartal. Die Deutschen Exporteure rechnen 2015 mit vier Prozent Ausfuhrwachstum, warnen aber vor den vielen Krisenherden.

Anleihekäufe: Wirkung umstritten
Die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) bewerten die Ökonomen insgesamt eher kritisch. Zwar rechnet fast die Hälfte der Befragten damit, dass die EZB mit breit angelegten Anleihekäufen ("Quantitative Easing") noch in diesem Jahr starten könnte. Mehr als zwei Drittel lehnen ein solches Programm allerdings ab, nur 20 Prozent bewerten es positiv.

Nach Einschätzung von 67 Prozent der Befragten verringern diese Maßnahmen die Haushaltsdisziplin und Reformbereitschaft in den Euroländern. Fast die Hälfte erwartet zusätzlichen ­juristischen und politischen Streit. "Die Eurozone hat vorrangig nicht ein Konjunkturproblem, sondern das Problem unzureichender Strukturreformen", sagt Juergen B. Donges (Uni Köln). "Dagegen ist mit noch so großzügigen geldpolitischen Lockerungen nicht anzukommen."

Anderen Experten wie Volker Caspari von der TU Darmstadt und Stephan Klasen (Uni Göttingen) zufolge müsste die quantitative Lockerung einhergehen mit fiskalischen Impulsen, um Wirkung zu zeigen. Öko­nomen wie Christian Dreger (Uni Frankfurt/Oder) oder Bruno Schönfelder (Uni Freiberg) verweisen zudem darauf, dass breit angelegte Anleihekaufprogramme in Europa ­anders wirkten als in den USA. Sie führten zudem zu falschen Verhaltensanreizen für Regierungen, Banken und Konsumenten.

Skatbank als Präzedenzfall
Dass die Deutsche Skatbank von Privatkunden bei hohen Einlagen künftig Negativzinsen erhebt, sehen die meisten Teilnehmer als Präzedenzfall. 62 Prozent rechnen damit, dass weitere Geldhäuser folgen werden. Die Bank argumentiert mit hohen Kosten. 40 Prozent halten diese Begründung für stichhaltig, 38 Prozent nicht. Als Reaktion auf die Negativzinsen werden die Bankkunden nach Einschätzung der Ökonomen Einlagen abziehen (42 Prozent) und in riskantere Anlageklassen umschichten. Etwa ein Viertel rechnet damit, dass die Banken versuchen werden, gestiegene Kosten über höhere Gebühren hereinzuholen. "Es ist zu hoffen, dass mehr Ersparnisse in Aktien investiert werden", lautet das Fazit von Horst Schellhaaß (Uni Köln).

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