Ökonomen-Barometer: Deutschland weiter im Abwärtstrend
Die Aussichten für die deutsche Konjunktur sind so schlecht wie seit fast zwei Jahren nicht mehr. Nur wenige glauben, dass die EZB die Krise in den Griff bekommt
von Sonja Funke, Euro am Sonntag
Die Sorgenfalten auf der Stirn führender Volkswirte sind tiefer geworden: Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft beurteilen die Ökonomen so schlecht wie zuletzt im Dezember 2012. Die aktuelle wirtschaftliche Lage bewerten sie so schlecht wie zuletzt vor einem Jahr.
Nach dem drastischen Absturz im Vormonat ging das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv im September erneut zurück. Mit 53,8 Punkten war der unter 71 Volkswirten ermittelte Wert so niedrig wie zuletzt vor 13 Monaten.
Steiler Fall gebremst
Mit einem Rückgang von 1,9 Prozent hat sich der Abwärtstrend nach dem steilen Fall von elf Prozent im Vormonat allerdings deutlich verlangsamt. Dennoch sank das Ökonomen-Barometer seit dem Höchststand im April kontinuierlich. Im Vormonat hatten Ukraine-Krise und konjunktureller Gegenwind das Stimmungstief markiert.
Die wachsende Skepsis der Volkswirte deckt sich mit dem jüngst veröffentlichten Indikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Dessen entsprechendes Barometer fiel ebenfalls auf den niedrigsten Stand seit August 2013.
Krisen wie in der Ukraine und im Irak dämpfen die Zuversicht der für das Ökonomen-Barometer Befragten: Die meisten rechnen damit, dass die wirtschaftliche Lage in Deutschland in den kommenden zwölf Monaten unverändert schwach bleibt, der ermittelte Prognosewert stagnierte im September mit 48,8 Punkten auf dem Niveau des Vormonats.
Die Frage, ob der deutsche Staat sein Investitionsvolumen erhöhen sollte, um die schwächelnde Wirtschaft der Eurozone anzukurbeln, befürwortete knapp die Hälfte der Ökonomen. "Es ist wichtig, Wachstumsimpulse zu setzen, um das immer noch recht niedrige Wachstum des Produktionspotenzials in Deutschland endlich zu erhöhen", sagte Christian Dreger, Professor für Volkswirtschaftslehre in Frankfurt an der Oder. Die Geldpolitik hat aus Sicht der Ökonomen keine Möglichkeit mehr, die Konjunktur in Europa positiv zu beeinflussen. 67 Prozent halten die derzeit geplanten oder bereits umgesetzten Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) für nicht geeignet, um die Wirtschaftsflaute zu bekämpfen. Nur 13 Prozent halten die Maßnahmen für zumindest begrenzt wirkungsvoll.
Euro-Abwertung positiv
Eine Euro-Abwertung hat aus Sicht der Volkswirte tendenziell positive Wirkungen. Etwa ein Drittel schätzt die Konjunkturwirkung für die Eurozone leicht positiv ein. "Insgesamt könnte Deutschland aktuell einen stärkeren Euro vertragen", stellte der Chefvolkswirt von Sal. Oppenheim, Martin Moryson, fest. "Wenn es allerdings hilft, eine Deflation in der Eurozone zu vermeiden und die schwache Erholung zu stützen, dann hilft es auch Deutschland - schließlich sind wir beim Export auch von der Eurozone abhängig."
Nur zehn Prozent lehnen dies wegen höherer Importkosten ab. "Es ist ein alter Irrglaube, dass Abwertungen günstig für die betreffende Volkswirtschaft seien", sagte Ulrich van Suntum, Professor an der Universität Münster: "Langfristig ist eine starke Währung immer besser, denn sie bedeutet, dass man preiswert internationale Güter kaufen kann."
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