Was Lateinamerika außer Rohstoffen noch zu bieten hat
Lateinamerika profitiert stark vom Rohstoffboom. Doch der Kontinent hat für Anleger noch mehr zu bieten. Einkommen und Konsum steigen deutlich.
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von Oliver Ristau, €uro am Sonntag
Als Kolumbus Südamerika entdeckte, war schnell klar, was den spanischen Königshof am meisten an den neuen Kolonien interessierte: Gold und Silber. Auch Investoren der heutigen Zeit denken bei Lateinamerika vor allem an Metalle und Rohstoffe. Zu Unrecht.
Zwar ist der Kontinent ein wichtiger Lieferant von Basismetallen oder Fleisch. Chile beispielsweise ist der weltweit größte Kupferförderer, und Länder wie Peru und Kolumbien befinden sich im Minenboom. Doch längst haben sich die Länder von der Rolle als reine Rohstoffanbieter emanzipiert.
In Argentinien, Brasilien und Mexiko tragen die Metalle inzwischen weniger als zehn Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Die Nahrungsmittelindustrie hat eine deutlich höhere Gewichtung, und Industrie, Konsumgüter und Dienstleistungen sind auf dem Vormarsch.
Im vergangenen Jahr ist die Region mit teils „asiatischen“ Raten gewachsen. Die Volkswirtschaften Paraguays, Perus und Uruguays legten nach Berechnungen des Lateinamerikavereins (LAV) der deutschen Wirtschaft um neun Prozent, die von Brasilien um 7,5 Prozent zu. Mexiko hat den Einbruch des Krisenjahres 2009 mit 5,5 Prozent Zuwachs wettgemacht.
Der Aufschwung wird stark von der Binnenwirtschaft getragen. Das Pro-Kopf-Einkommen in Argentinien, Brasilien, Paraguay, Peru und Uruguay wuchs in einem Jahr um bis zu neun Prozent. Dies ist auch der Grund, weshalb in Lateinamerika-Fonds längst nicht mehr nur Rohstofftitel wie der brasilianische Eisenerzgigant Vale oder Mexikos Kupferproduzent Grupo Mexico zu den Gewinnern zählen. Vor allem Finanz- und Konsumtitel haben in den vergangenen Jahren deutlich an Wert gewonnen.
Die Binnenkonjunktur brummt so stark, dass die Notenbanken versuchen, die Konsumlaune der Menschen durch teure Kredite und eine Ausweitung der Mindestreserven der Banken zu bremsen. Der brasilianische Real hat dank der Zinsanhebungen und des starken Zuflusses ausländischen Kapitals in den vergangenen zwei Jahren gegenüber dem Dollar 30 Prozent an Wert gewonnen. Die Devisenreserven stiegen 2010 auf das Rekordniveau von 275 Milliarden Euro, auch weil die brasilianische Notenbank seit Monaten durch massive Dollarkäufe den Höhenflug der eigenen Währung aufzuhalten versucht. „Die Notenbank wird ihre straffe Zinspolitik weiter fortsetzen“, prophezeit Heinz Mewes, der frühere Chefvolkswirt der Dresdner Bank Lateinamerika. Anfang Januar 2011 hatte der Währungsrat den Leitzins um 50 Punkte auf 11,25 Prozent angehoben. „Bis Ende des Jahres wird er auf mindestens 12,5 Prozent ansteigen“, prognostiziert der heutige Chef des Beratungshauses LatAmConsult.
Folge der Zinsanhebungen: Das Wirtschaftswachstum des Kontinents dürfte von sechs Prozent im vergangenen Jahr auf 4,6 Prozent fallen. Das gebremste Tempo ist nach Ansicht von Mewes aber kein Problem für Lateinamerikas größte Volkswirtschaft: „Brasilien steht vor einer Überhitzung, deshalb tut eine Abkühlung gut.“ Seine einzige Sorge gilt der Preisentwicklung. „Wenn die Inflationsraten in Südamerika anspringen, werden alle nervös.“ Denn es ist keine 20 Jahre her, dass für Brasilien Teuerungsraten von mehr als 2000 Prozent Alltag waren. Mewes erwartet aber, dass die Preise 2011 wegen der Politik des teuren Geldes in der Region nur moderat um knapp sechs Prozent steigen werden.
„Die Differenz zwischen Inflation und Zinsen ist in Brasilien im internationalen Vergleich sehr attraktiv. Das dürfte auch 2011 auf ein hohes Interesse bei den Anlegern stoßen“, schätzt Benjamin Theurer, Fondsmanager für lateinamerikanische Aktien bei der DWS. Davon könnte der brasilianische Aktienmarkt profitieren, der zuletzt schwächelte. „2010 war ein Jahr der Konsolidierung nach dem starken Wachstum von weit über 100 Prozent im Jahr zuvor“, erklärt er. Außerdem habe die beispiellose Kapitalerhöhung des Ölriesen Petrobras über 70 Milliarden Dollar viel Liquidität aus dem Markt gezogen. Die Konsolidierung könnte im Zuge diverser Börsengänge, die ebenfalls Kapital aufsaugen, zwar weitergehen. Doch für eine weitere Rally bestehen laut Theurer langfristig gute Chancen.
Anleger, die gern in Aktien aus Lateinamerika investieren, sollten bei den Newcomern des vergangenen Jahres, Peru und Kolumbien, besonders vorsichtig sein. Deren Aktienmärkte waren 2010 um 65 beziehungsweise 33 Prozent gestiegen. Die Märkte sind klein, volatil und hängen immer noch stark an der Entwicklung der Rohstoffpreise. Oft bewegen die Aktien von wenigen großen Unternehmen den gesamten Markt. John Pollen, Fondsmanager bei Pioneer Investments, hält die Minenbranche nach wie vor für attraktiv und ist etwa in die peruanische Minengesellschaft Buenaventura und das kolumbianische Ölunternehmen Pacific Rubiales investiert.
Wegen seiner schieren Größe steht bei Lateinamerika-Investoren Schwergewicht Mexiko meist neben Brasilien im Fokus. Vor dem Hintergrund der Erholung der US-Wirtschaft erwartet LatAmConsult ein Wachstum des Schwergewichts von vier Prozent. Handel und Konsum sind wichtige Themen in dem Land, das auch das aufstrebende Hinterland und Länder wie Guatemala, Nicaragua, Costa Rica und Panama mit Gütern und Lebensmitteln versorgt. Das könnte dem Peso Auftrieb geben, der seit 2008 gegenüber dem schwachen Dollar 20 Prozent an Wert verloren hat. „Mexiko besitzt ein attraktives Umfeld für Direktinvestitionen“, nennt DWS-Manager Theurer einen Aufwertungsgrund.
Die Erwartung eines erstarkenden Pesos ist auch ein Argument für mexikanische Aktien, wobei der Fondsmanager eine gezielte Auswahl von Titeln empfiehlt. Denn allein das Telekomunternehmen America Móvil macht rund 25 Prozent des Aktienindexes IPC aus, der 2010 um 20 Prozent zulegen konnte.
Attraktiv sind Konsumgüterwerte, die eine wachsende Absatzbasis bei der spanischsprachigen Bevölkerung der USA finden, sowie Handelsketten. Wer auf Rohstoffe setzen will, ist in Mexiko dank der breiten Wirtschaftsstruktur vergleichsweise sicher unterwegs. Zu den Titeln, die mit Dividendenzahlungen eine zusätzliche Renditekomponente bieten, zählen der Kupferförderer Grupo Mexico, Silberproduzent Industrias Peñoles sowie Eisen- und Manganspezialist Mineras Autlan.
Eine spannende Entwicklung verspricht Argentinien. „Die Anzeichen mehren sich, dass sich Argentinien endlich mit seinen Anleihegläubigern einigt“, sagt Volkswirt Mewes. Das Land der Gauchos hatte 2001 den Schuldendienst eingestellt und ist seitdem vom internationalen Kapitalmarkt weitgehend abgeschnitten. Ein Grund, weshalb argentinische Titel in den Portfolios der Fondsmanager kaum eine Rolle spielen. Die aufgelaufenen Schulden inklusive Zinsen betragen rund 7,5 Milliarden Dollar.
Angesichts von Devisenreserven in Höhe von mehr als 50 Milliarden Dollar wäre die Begleichung für die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas kein Problem. Sollte eine Einigung mit den Gläubigern gelingen, würden argentinische Aktien und Anleihen starken Rückenwind erhalten.
Denn auch die Aussichten für die Wirtschaft sind gut. Der LAV sieht 2011 mit sechs und 2012 mit 5,5 Prozent für Argentinien nach Panama und Uruguay den dritthöchsten Zuwachs aller lateinamerikanischen Staaten voraus. Der Aktienindex Merval ist auf dem Vormarsch, gewann 2010 rund 50 Prozent an Wert, dürfte aber immer noch Potenzial haben, da der Markt gemessen an der Größe der Wirtschaft noch relativ klein ist. Zuletzt kündigte die spanische Bank Santander den Börsengang ihrer Tochter in Buenos Aires an und setzt dabei auf den wachsenden Finanzierungsbedarf der gesamten Wirtschaft und nicht mehr wie einst der Hof in Madrid allein auf Gold und Silber.
Investor-Info
Vale
Günstiger Eisenerzgigant
Die Brasilianer dominieren mit den australischen Konzernen BHP Billiton und Rio Tinto den Markt für Eisenerz. Das lukrative Oligopol bringt Vale Milliardengewinne. Darüber hinaus sind die Brasilianer Förderer von Nickel, aber auch Gold, Silber, Platin, Kupfer, Kohle und des für die Aluproduktion erforderlichen Bauxits. Im vierten Quartal 2010 vervierfachte Vale den Profit gegenüber dem Vorjahr auf knapp sechs Milliarden US-Dollar. Aktie günstig bewertet. Zur Beimischung. (pg)
Fidelity Latin America
Nicht nur stark in Rohstoffen
Mit einem Plus von über 93 Prozent in den vergangenen fünf Jahren zählt der von Angel Ortiz gemanagte Fidelity Latin America zu den besten Lateinamerika-Fonds. Zwar ist er zu über 50 Prozent in Brasilien investiert, aber auch Aktien aus kleineren Staaten werden beobachtet. „Ich gehe davon aus, dass 2011 besonders in den Peripherieländern wie Peru und Kolumbien aussichtsreiche Investmentgelegenheiten zu finden sein werden“, meint Ortiz. Grundstoff- und Energietitel machen über 30 Prozent des Fonds aus, knapp 27 Prozent sind in Finanzwerten angelegt. Wichtigster Rohstofftitel im Portfolio ist der mexikanische Kupferkonzern Grupo Mexico. (pg)
BNY Mellon Brazil
Brasilianische Wundertüte
Wer sich in Lateinamerikas größter Volkswirtschaft engagieren will, kann auf den Fonds BNY Mellon Brazil setzen. Die Fondsmanager Rogerio Poppe und Andre Jakurskige setzen auf eine breite Auswahl brasilianischer Aktien. Rohstoffaktien machen derzeit rund ein Drittel des Portfolios aus. Der db xtrackers MSCI Brazil-ETF (ISIN: LU 029 210 934 4) ist eine deutlich kostengünstigere Alternative zu dem aktiv gemanagten BNY Mellon Brazil. (pg)
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