Kohlekraftwerke: Teure Dreckschleudern
Der Energieversorger RWE verschmutzt die Luft wie kein anderes Unternehmen in Europa. Das kann sich der DAX-Konzern aber nicht mehr lange leisten
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Von Sabine Gusbeth, €uro
Europas größter Kohlendioxid-Emittent – dieses Superlativ ist heutzutage, da sich jedes Unternehmen ein „grünes“ Image zuzulegen versucht, ein Armutszeugnis. Dem Stromversorger RWE, bis 1990 Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke, jedoch bescherten seine schmutzigen Kohlekraftwerke bislang nicht nur hohe CO2-Emissionen, sondern auch Milliardengewinne. Doch damit ist bald Schluss.
Ehrgeizige Klimaschutzziele, teure Verschmutzungszertifikate, das baldige Ende der Subventionen für Steinkohle und das im September verabschiedete Energiekonzept der Bundesregierung – die veränderten politisch-regulatorischen Rahmenbedingungen machen Kohlestrom für Energiekonzerne immer weniger profitabel. Und kein Versorger hat damit mehr zu kämpfen als RWE.
Über 50 Prozent der Kraftwerkskapazitäten des Essener Konzerns stammen derzeit aus dem Bereich Kohle. Allein 100 Millionen Tonnen Braunkohle fördert das Unternehmen jährlich. Doch in den nächsten 15 Jahren will RWE den Kohleanteil mehr als halbieren. Denn wenn fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Gas verbrannt werden, entsteht umweltschädigendes Kohlendioxid. Das Treibhausgas wird als Verursacher der Erderwärmung verdächtigt.
Lesen Sie auf der folgenden Seite, warum RWE seine Stromsparte radikal umbauen muss.

Zwei Drittel des Konzernumsatzes von fast 48 Milliarden Euro erwirtschaftete der hinter Eon zweitgrößte deutsche Energiekonzern im vergangenen Jahr im Stromgeschäft. Das macht deutlich, wie viel für RWE beim Konzernumbau auf dem Spiel steht.
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland über 500 Milliarden Kilowattstunden Elektrizität verbraucht. Mehr als 40 Prozent davon stammen aus Kohlekraftwerken, fast ein Viertel aus Atomkraftwerken und 16 Prozent steuerten erneuerbare Energien bei. Experten gehen davon aus, dass der Stromverbrauch in den kommenden Jahren weiter steigen wird.
Rechenfehler. Noch ist Kohle der billigste Weg zur Stromgewinnung. Bislang kostet die Produzenten eine Kilowattstunde aus Braunkohle weniger als drei Cent, aus Atomkraft 3,5 Cent, aus Gas knapp über vier, aus Windkraft um die zehn und aus Photovoltaik sogar bis zu 50 Cent. Wie profitabel das Geschäft ist, zeigt der 2009er Rekordbetriebsgewinn von RWE in Höhe von 7,1 Milliarden Euro – trotz Wirtschaftskrise. Das Gros brachte der Kohlestrom.
Diese Rechnung gilt aber nur, solange die Stromerzeuger nicht für die Luftverschmutzung durch ihre Kraftwerke bezahlen müssen. Ein Braunkohlewerk zum Beispiel erzeugt pro Kilowattstunde Strom um die 1000 Gramm CO2. In einem Kernkraftwerk fallen nur etwa 20 Gramm CO2 und in Windparks noch weniger an. Im Krisenjahr 2009 bliesen RWE-Kraftwerke über 140 Millionen Tonnen CO2 in die Luft – deutlich mehr als die der Konkurrenten Eon und Vattenfall. Kostenfalle. Noch fallen für die Verschmutzung vergleichsweise geringe Kosten an. Trotzdem kaufte RWE 2009 bereits CO2-Emissionsrechte im Wert von über einer Milliarde Euro hinzu – und das, obwohl die Versorger einen Großteil der Zertifikate derzeit noch kostenlos erhalten.
Das ändert sich 2013. Dann müssen die Energiekonzerne für jede Tonne CO2, die ihre Werke ausstoßen, ein Verschmutzungsrecht kaufen. Und je mehr Luft verschmutzt wird, desto teurer wird es für den Verursacher. RWE kalkuliert für 2013 mit einem Preis von 20 bis 30 Euro pro Tonne CO2. Das würde Kosten in Milliardenhöhe bedeuten – zusätzlich zu den Milliardenbeträgen für die Atomsteuer (offizieller Name: Brennstoffsteuer), auf die sich die Bundesregierung und die Energieversorger Eon, RWE, Vattenfall und EnBW jüngst verständigt haben. Analysten rechnen hier für RWE zwischen 2011 bis 2016 mit Kosten von drei Milliarden Euro.
Lesen Sie auf der folgenden Seite, welche Milliardenkosten auf RWE zukommen und was das für die Dividende der Aktie bedeutet.

Gewinneinbußen. Trotz – oder gerade wegen dieser Unsicherheit bleibt RWE-Chef Großmann keine andere Wahl, als den Konzernumbau zu forcieren. Denn die Kosten aus dem europäischen Emissionshandel fallen auf jeden Fall ab 2013 an. Versorger mit hohem Kohleanteil, wie RWE und Vattenfall, sind davon besonders betroffen. „Auf sie könnten 2013 zusätzliche Belastungen in Höhe von mehr als 40 Prozent ihres operativen Ergebnisses von 2009 zukommen“, errechneten die Berater von Roland Berger Ende August. Bei EnBW, die aufgrund ihrer vielen Kernkraftwerke stärker von der Atomsteuer betroffen ist, wären es 36 Prozent, bei Eon etwa 25 Prozent.
Das weiß auch Großmann – und fürchtet herbe Gewinneinbußen: „Verschärfungen der Klimaschutzziele, steigende Rohstoffpreise bei stagnierenden Strom- und Gaspreisen sowie in Deutschland zu erwartende zusätzliche fiskalische Eingriffe wie die Brennstoffsteuer, belasten die Ertragskraft“, ließ er jüngst verlauten. Daher müssten Kosten gesenkt werden. Es gebe Überlegungen, Investitionen zu kürzen, Geschäftsbereiche zu verkaufen sowie die geplante Dividende auf den Prüfstand zu stellen. 2009 zählte RWE mit einer Rendite von 5,2 Prozent zu den besten Dividendentiteln im DAX.
Radikalumbau. Doch sparen allein reicht nicht. Großmann, dessen Vertrag bis Herbst 2012 läuft, muss die CO2-Bilanz von RWE radikal verbessern. Zwar werden in Deutschland derzeit noch zwei neue Kraftwerke fertiggestellt, doch Strategievorstand Leonhard Birnbaum, 43, betont: „Unter den jetzigen Rahmenbedingungen ist es derzeit in der EU nicht wirtschaftlich, neue Kohlekraftwerke in Angriff zu nehmen.“
Stattdessen setzen die RWE-Strategen auf erneuerbare Energien: Pro Jahr investiert der Konzern 1,4 Milliarden Euro, hauptsächlich in Windkraft und Biomasse. So baut RWE gemeinsam mit Siemens und den Stadtwerken München ab 2011 einen weiteren Offshore-Windpark in der Liverpool Bay mit einer Leistung von 576 Megawatt. Auf diese Weise könnten ab 2014 jährlich 1,7 Millionen Tonnen CO2 vermieden werden.
Atomkraft. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien setzt RWE weiter auf Atomkraft – wenn auch nicht in der politisch immer grüner werdenden Heimat. Kernenergie ist für den Konzern weiterhin ein Wachstumsmarkt. Gemeinsam mit Eon will RWE in Großbritannien Atomkraftwerke mit einer Kapazität von mindestens sechs Gigawatt bauen und betreiben. Darüber hinaus ist der Konzern an einer Projektgesellschaft für den Bau mehrerer Reaktorblöcke in Rumänien beteiligt. Diese Projekte seien aber erst der Anfang, heißt es.
Auf der folgenden Seite erfahren Sie, welche Bedeutung die Abspaltung und Speicherung oder Nutzung von CO2 hat und welche Konzerne davon profitieren können.
Nicht zuletzt forscht RWE intensiv daran, Kohlekraftwerke effizienter zu machen und zu vermeiden, dass CO2 beim Verbrennen in die Atmosphäre entweicht. Am Braunkohlekraftwerk Niederaußem in Nordrhein-Westfalen betreibt der Konzern daher ein „Innovationszentrum Kohle“. Dort erprobt RWE mit Unternehmen wie BASF, Bayer, Linde und Siemens, wie CO2 abgespalten und anschließend gespeichert und sogar genutzt werden kann (siehe Kasten unten). Die Methode ist zwar Erfolg versprechend, doch selbst nach optimistischsten Schätzungen frühestens 2025 marktreif.
So viel Zeit bleibt RWE aber nicht. Die Amtszeit von Großmann endet Ende 2012. Bis dahin wird er von seinem Chefsessel aus noch viel Dampf machen müssen, um den aus seinen Kraftwerksschloten zu reduzieren.
Weltweit werden 30 Prozent des Stroms aus Kohle gewonnen – Tendenz steigend. Das gilt vor allem für Schwellenländer. Rund um den Globus erforschen deshalb Unternehmen und Wissenschaftler, wie Kohle „sauber“ gemacht werden kann. Dabei konkurrieren nicht nur Konzerne wie Siemens und RWE, sondern auch unbekannte Firmen wie Greenpoint Energy aus den USA, Clean Coal aus England oder Qiyuan Eco aus China.
Versorger, aber auch energieintensive Unternehmen etwa aus der Chemie- und Stahlindustrie interessieren sich für die Technologien, da bei ihnen große Mengen CO2 entstehen.
Eine Methode, die große Hoffnung macht, ist, CO2 bei der Verbrennung abzuspalten. Es kann anschließend im Boden gespeichert (Carbon Capture and Storage, CCS) oder in der Industrie als Rohstoff genutzt werden (Carbon Capture and Use, CCU). Letzteres klingt vielversprechend, die Forschung dazu befindet sich allerdings erst in den Anfängen.
CCS ist in Deutschland umstritten. Denn die Entstehung des Klimagases wird nicht vermieden, sondern CO2 lediglich im Boden gespeichert. Vor allem in Schleswig-Holstein und Niedersachsen finden sich geeignete Gesteinsformationen. Doch der Widerstand der Bürger ist groß. Per Pipeline müsste das Gas aus den Kohlekraftwerken, die vor allem im Ruhrgebiet stehen, Hunderte Kilometer transportiert werden. Auch deshalb halten Experten CCS in Deutschland für unwirtschaftlich. Weltweit gilt es jedoch als unverzichtbar, um den Klimawandel zu stoppen.
Die Bundesregierung hofft, aus der Technologie einen Exportschlager machen zu können. Ursprünglich wollte sie in ihrem Energiekonzept ein Gesetz verankern, das die CCS-Erprobung erlaubt, strich den Passus jedoch kurzfristig wieder. Die meisten Kraftwerksbetreiber haben ihre Pläne für CCS-Werke in Deutschland ohnehin schon auf Eis gelegt. Sowohl Eon als auch RWE bauen oder planen „Demonstrations- Werke“ in den Niederlanden. (sg)
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Bildquellen: www.bilder.cdu.de
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15.05.2020 | RWE Reduce | Kepler Cheuvreux |
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