Pharma-Übernahmefieber

Shire: DNA des Stärkeren

10.05.15 15:00 Uhr

Shire: DNA des Stärkeren | finanzen.net

Der britisch-irische Pharmakonzern Shire konzentriert sich immer stärker auf die Behandlung seltener Erkrankungen. Für Anleger ist das lukrativ.

von Florian Westermann, Euro am Sonntag

Fressen oder gefressen werden - das gilt im Tierreich ebenso wie in der Wirtschaft. Besonders in der Pharma- und Biotechbranche ist der Appetit auf Übernahmen groß. Der Arzneimittelhersteller Mylan etwa bietet 34 Milliarden Dollar für den Pharmakonzern Perrigo. Der Generikahersteller Teva will seinerseits Mylan für 40 Milliarden Dollar schlucken.

In diesem Haifischbecken überlebt nur der Stärkere - das weiß auch Flemming Ornskov, Chef des britisch-irischen Pharmakonzerns Shire. Im Herbst hing Shire selbst noch am Haken. Der US-Pharma­riese AbbVie wollte den drittgrößten britischen Pharmakonzern für über 50 Milliarden Dollar schlucken. Gesetzesänderungen in den USA hatten den erhofften Steuerspareffekt der Transaktion allerdings zunichte­gemacht - AbbVie blies den Deal ab und zahlte Shire 1,6 Milliarden Dollar als Entschädigung.

Geld, das Ornskov für die Expansion nutzt. Der 56-Jährige will den Konzern zu einem führenden Biotechunternehmen mit Fokus auf Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen, den sogenannten Orphan Drugs, ausbauen. Unter der Regie des Dänen übernahm Shire in zwei Jahren bereits rund ein halbes Dutzend Firmen. Ornskovs jüngster Coup war die Übernahme von NPS Pharmaceuticals. Shire war der Spezialist im Bereich Orphan Drugs über fünf Milliarden Dollar wert.

Geld verdient Shire längst nicht mehr nur mit Medikamenten zur Behandlung der Aufmerksamkeitsstörung ADHS oder von Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts. Medikamente zur Therapie seltener Erkrankungen werden immer wichtiger und steuern inzwischen fast die Hälfte zu den Produktumsätzen bei.

Mit seinen Arzneien erlöste Shire im vergangenen Jahr 5,8 Milliarden Dollar - ein Rekord. Es dürfte nicht der letzte gewesen sein. Bis 2020 will Ornskov mit Medikamenten, die bereits vertrieben werden oder die sich in der Entwicklung befinden, zehn Milliarden Dollar umsetzen. Deshalb pumpt der Däne immense Summen - im vergangenen Jahr 840 Millionen Dollar - in die Forschung. Mit 23 Arzneien in der klinischen Entwicklung verfügt Shire über die "stärkste Produktpipeline der Firmengeschichte", sagt Ornskov.

Für Aufsehen sorgte der Konzern jüngst mit einem Erfolg beim experimentellen Augenmedikament Lifitegrast. Die US-Gesundheitsbehörde FDA sprach dem Mittel den Fast-Track-Status zu. Die FDA verzichtet damit auf die Ergebnisse der abschließenden Studie am Menschen und erteilt der Arznei wohl im Oktober die Zulassung. Die Analysten der Investmentbank JP Morgan erhöhten ihre Umsatzprognose für Lifitegrast für 2020 bereits von 600 Millionen auf 900 Millionen Dollar.

Die Rechte erwarb Shire vor zwei Jahren mit der Übernahme des US- Biotechunternehmens Sarcode Bioscience. Shire legte damals 160 Millionen Dollar auf den Tisch und vereinbarte Meilensteinzahlungen, die beim Erreichen bestimmter Erfolge fällig werden, von über einer halben Milliarde Dollar.

Das Geld dürfte Lifitegrast vielfach wieder einspielen. Auch deshalb setzt Ornskov weiterhin auf Akquisitionen. Gerüchten zufolge hat der Chef-Pillendreher ein Auge auf PTC Therapeutics geworfen. Das mit gut drei Milliarden Dollar bewertete Unternehmen würde mit seiner Produktpipeline im Bereich der Arzneien gegen seltene Erkrankungen gut ins Beuteschema passen.

Interesse wird Ornskov auch an Biomarin nachgesagt. Mit einem Börsenwert von rund 19 Milliarden Dollar wäre eine Akquisition aber ungleich schwerer zu stemmen. Eine Übernahme würde Shire zu einem der führenden Anbieter im Bereich Orphan Drugs machen. Biomarin hat bereits fünf Medikamente zur Marktreife gebracht und verfügt über eine der aussichtsreichsten Produktpipelines in der Branche. Kampflos wird sich der US-Konzern aber nicht schlucken lassen. Ornskov bräuchte gute Argumente und viel Geld, um die Aktionäre von Biomarin auf seine Seite zu ziehen.

Investor-Info

Shire
Auf dem Sprung

Mit den sprudelnden Einnahmen aus dem Stammgeschäft mit Medikamenten zur Behandlung von ADHS und Magen-Darm-Erkrankungen forciert Shire den Ausbau seines Geschäfts mit seltenen Erkrankungen, das auf lange Sicht einen immer größeren Einfluss auf den Geschäftserfolg haben wird. Im Jahr 2018 rechnen Analysten mit Erlösen von 8,7 Milliarden Dollar. Vor Sondereffekten dürfte der Konzern dann bereits 3,5 Milliarden Dollar verdienen. Nicht berücksichtigt sind hierbei mögliche größere Übernahmen, die Umsatz und Ergebnis vor allem auf lange Sicht noch deutlich nach oben schrauben könnten. Im laufenden Jahr rechnen Analysten mit einem Umsatzplus von sieben Prozent auf 6,4 Milliarden Dollar. Der bereinigte Gewinn soll ebenfalls um sieben Prozent auf 2,2 Milliarden Dollar wachsen. Mit einem KGV von 19 für das kommende Jahr ist die Aktie angesichts der hervorragenden Aussichten noch immer moderat bewertet. Kaufen.

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Bildquellen: Javier Correa / Shutterstock.com, PhotoStock10 / Shutterstock.com

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