Ökonomen-Barometer

Schwächere Aussichten für die Konjunktur

19.09.15 08:00 Uhr

Schwächere Aussichten für die Konjunktur | finanzen.net

Die Volkswirte in Deutschland werden pessimistischer, ein Wachstumseinbruch ist jedoch nicht zu erwarten. Experten sind mehrheitlich für Versorgerhaftung bei Atomausstieg.

von Sonja Funke, Euro am Sonntag

Die Stimmung ist ver­halten: Die von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv befragten Volkswirte sind angesichts der jüngsten Börsenturbulenzen in China und der Konjunkturabschwächung in den Schwellenländern so pessimistisch wie zuletzt im Februar.



Nachdem das Ökonomen-Barometer in den vergangenen drei Monaten auf nahezu demselben Niveau verharrte, sank es im September. Die führenden deutschen Ökonomen bewerten die aktuelle konjunkturelle Lage mit 61,9 Punkten. Das sind 0,8 Punkte oder 1,3 Prozent weniger als im August. Damit setzt das Ökonomen-Barometer den leichten Abwärtstrend der Sommermonate fort - allerdings ohne sich von den Börsenturbulenzen allzu arg beeindrucken zu lassen.

Die Aussichten für die kommenden zwölf Monate trübten sich hingegen deutlich ein. Mit 62,3 Punkten liegen sie um 2,0 Punkte oder 3,2 Prozent unter dem Vormonatsstand. Beide Werte sind zwar so schwach wie zuletzt im Februar, liegen aber dennoch weiterhin auf ­stabilem Niveau und deutlich über der 50-Punkte-Marke - sie signalisieren damit weiterhin Wachstum.


Die Stimmungsdelle deckt sich mit den jüngst veröffentlichten Daten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Dessen Indikator verbuchte im September den sechsten Rückgang in Folge und sank auf den niedrigsten Wert seit vergangenem November. "Die Konjunkturabschwächung in den Schwellenländern dämpft den Ausblick für die export­orientierte deutsche Volkswirtschaft", erklärte ZEW-Präsident Clemens Fuest.

Kosten für Atomausstieg

Die für das Ökonomen-Barometer befragten Volkswirte befassten sich in der September-Umfrage unter anderem mit den Kosten des Atomausstiegs. Knapp zwei Drittel der teilnehmenden Ökonomen teilen die Sorge, dass sich die vier in Deutschland tätigen Atomkonzerne durch Abspaltung ihrer Atomtöchter aus der Verantwortung für die Rückbaukosten stehlen könnten. Die Bundesregierung will die Energiekonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW per Gesetz mit ihrem kompletten Vermögen in Haftung nehmen. Der Versorger Eon, der sich in zwei Gesellschaften aufspalten will, hat eine Klage gegen das Gesetz ­angekündigt.

34 Prozent der befragten Volkswirte lehnen ein solches Gesetz ab. Die Politik habe mit ihrer "plötzlichen Kehrtwende" immerhin die "Investitionssicherheit der Unternehmen negativ beeinflusst", führt beispielsweise Manfred Schweren von Privalor Vermögensmanage­ment an. "Es wäre folgerichtig, zumindest einen Teil der Ausstiegskosten zu vergemeinschaften", sagt er.


Martin Leschke, VWL-Professor an der Universität Bayreuth, betont die Verantwortung der Konzerne und sagt, es sei "wichtig, dass sich die Konzerne nicht einfach der Haftung entziehen".Andererseits "können wir uns bei unkalkulierbaren Entsorgungskosten auch keine Pleiten der Großkonzerne leisten", sagt er und folgert: "Insofern wird ein Teil der Kosten sicherlich vergemeinschaftet werden."

EZB-Kaufprogramm floppt

Einig sind die Befragten indes bei der Verlängerung des EZB-­Kaufprogramms für Staatsanleihen über September 2016 hinaus. 68 Prozent der Ökonomen halten es für äußerst wahrscheinlich, dass die EZB das Programm verlängern oder erweitern wird. Nur 28 Prozent sind gegenteiliger Ansicht.

Allerdings glauben die meisten Volkswirte nicht, dass die EZB ihre Ziele mit dem Kaufprogramm erreicht. Nur 27 Prozent erwarten, dass mit ihm die Ziel-Inflationsrate von nahe zwei Prozent erreicht wird. Lediglich 29 Prozent rechnen damit, dass die Kreditvergabe der Geschäftsbanken angekurbelt wird. Mit einem höheren Wirtschaftswachstum durch das Programm rechnen sogar nur 22 Prozent. Zwei Drittel der Befragten erwarten keine positiven Wirkungen. Entweder werde es nur Nebenwirkungen auf den Geld- und Vermögensmärkten geben, oder es würde einfach keines der Ziele erreicht.

"Präsident Draghi ist nicht von seiner fixen Idee abzubringen, die wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum geldpolitisch steuern zu können, was er aber nicht kann", sagt Juergen Donges, Emeritus der Uni Köln. Zu viele Faktoren, von der Lage der Weltwirtschaft bis zu ungelösten Haushaltsproblemen und strukturellen Verwerfungen in verschiedenen Euroländern, sind im Spiel; darauf hat die EZB keinen Einfluss."

Bildquellen: gopixa / Shutterstock.com