Mehr Druck, weniger Bürokratie
Deutschlands führende Volkswirte sehen die Konjunktur in Deutschland wieder deutlich optimistischer. Das geht aus dem aktuellen Ökonomen-Barometer von Euro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv hervor.
von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag
Danach stieg die Einschätzung der aktuellen Lage um knapp drei Prozent auf 54,3 Punkte. Der Prognosewert, der die erwartete wirtschaftliche Entwicklung auf Jahressicht widerspiegelt, stieg gar um rund zehn Prozent auf 56,3 Punkte. Damit liegen beide Werte wieder deutlich über der Marke von 50 Punkten, die wirtschaftliche Expansion signalisiert. Zugleich deuten die Zahlen auch auf einen weiteren Anstieg des ifo-Geschäftsklimaindex’ hin. Die Ergebnisse der ifo-Juni-Umfrage werden am Montag veröffentlicht.
Der viel beachtete Konjunkturindikator war bereits im Mai unerwartet kräftig gestiegen. Neben dem Abflauen der Euro-Krise halfen dabei auch die jüngsten Wirtschaftsdaten. So war die Industrieproduktion in Deutschland zuletzt drei Mal in Folge gestiegen. Auch unter Verbrauchern ist die Stimmung prima. Angetrieben von einem stabilen Arbeitsmarkt, steigenden Löhnen und geringer Inflation notierte der GfK-Konsumklimaindex im Mai mit 6,5 Punkten auf dem höchsten Stand sei September 2007.
Unterdessen hat sich angesichts der jüngsten Hochwasserkatastrophe eine deutliche Mehrheit für ein härteres staatliches Vorgehen bei nötigen Baumaßnahmen oder der Ausweisung von Hochwasserschutzzonen ausgesprochen. So plädierten immerhin 80 Prozent der Ökonomen für staatliche Eingriffe bis hin zu Enteignungen, lediglich 14 Prozent lehnten schärfere Maßnahmen ab.
Nach dem vorangegangen Hochwasserflut 2002 waren zahlreiche Hochwasserschutzmaßnahmen durch Rechtsstreitigkeiten mit Bürgern verzögert oder komplett verhindert worden. Viele Städte und Gemeinden, die bereits 2002 von Elbe oder Donau und ihren Nebenflüssen besonders stark heimgesucht wurden, erwischte es nun erneut. Angesichts dessen hatte sich der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer für ein härteres Durchgreifen bis hin zu Enteignungen ausgesprochen.
Die weit überwiegende Mehrheit der Ökonomen hält dies für angemessen: Es bestehe „ein allgemeines Schutzbedürfnis, dem der Staat nachkommen muss“, sagte etwa Prof. Frank Bulthaupt von der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe. Einer möglichen Enteignung müsse aber eine angemessene Entschädung aus Steuergeldern folgen. Es sei „nicht einzusehen, dass Partikularinteressen die Gemeinschaft gefährdeten, mahnte auch Prof. Horst Löchel von der Frankfurt School of Finance & Management. Noch deutlicher wurde Prof. Franz Peter Lang (TU Braunschweig): Über Enteignungen würde „der unseligen Protestmode ökofanatischer Dogmatiker und Polit-Karrieristen zumindest teilweise die schadenbefördernde Grundlage entzogen“.
Allerdings machten zahlreiche Volkswirte auch die Behörden für den teils schleppenden Bau von Dämmen oder Hochwasserschutzmauern nach dem Jahrhundert-Hochwasser von 2002 verantwortlich: Häufig seien „politische Verzögerungen für das Ausmaß der Katastrophe ursächlich“, kritisierte Prof. Wilfried Fuhrmann (Uni Potsdam).
Lob für Hochwasserfonds
Der von Bund und Ländern geplante Hochwasser-Hilfsfonds mit einem Volumen von bis zu acht Milliarden Euro trifft unter den Experten grundsätzlich auf Unterstützung. Allerdings ist der angemessen Hilfsumfang umstritten.
So erklärten 30 Prozent der Ökonomen, sie hielten zinsgünstige Darlehen für angemessen, die drei Viertel der Schäden abdeckten. 19 Prozent plädierten für zinsgünstige Darlehen für den Gesamtschaden. Weitere 18 Prozent halten zinsgünstige Kredite für die Hälfte der Schäden für angemessen. Als Maxime müsse gelten: Je absehbarer der Schaden war, desto geringer die Entschädigung“, riet Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim.
Eine Komplettübernahme der Schäden durch den Staat lehnten die Experten einhellig ab: Eine Eigenbeteiligung der Geschädigten müsse spürbar sein, „um die Eigeninitiative zum Hochwasserschutz aufrecht zu erhalten“, sagte Manfred Schweren, Vorstand bei der Vermögensverwaltung Privalor.
Einige Volkswirte stellten die Hilfen ganz in Frage: Ein Kollektivereignis bedeute „nicht immer gleich Staat“, mahnte Prof. Ulrich Blum (Uni Halle-Wittenberg). Auch Prof. Bruno Schönfelder von der TU Freiberg äußerte sich skeptisch: „Wer keine Versicherung abgeschlossen hat, hat gespielt - und verloren“. Eine Ausnahme könne es nur im Bereich historischer und aus Gründen des Denkmalschutzes erhaltungswürdiger Altstädten. Sie seien häufig an Stellen gebaut, an denen man heute nicht mehr bauen würde. „In diesem Spezialfall sollte der Staat helfen - und nur in diesem”, sagte Schönfelder.
Hier lesen Sie die vollständigen Kommentare der Volkswirte (PDF)