Ökonomen-Barometer

Deutschlands Volkswirte erwarten Fortsetzung des Aufschwungs

18.12.10 08:00 Uhr

Deutschlands führende Volkswirte blicken mit Optimismus aufs kommende Jahr. Das geht aus dem Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv hervor.

von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag

Danach erwarten die Experten für 2011 ein Wachstum von 2,3 Prozent. Im laufenden Jahr dürfte die Wirtschaftskraft nach Schätzung des Münchner Ifo-Instituts um 3,7 Prozent zulegen. „Die deutsche Wirtschaft dürfte den Rest des Euroraums auch 2011 hinter sich lassen“, sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Seit der Euroeinführung seien die Lohnstückkosten in Deutschland kaum gestiegen, die Wirtschaft sei „sehr wettbewerbsfähig.

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Außerdem exportiert Deutschland überproportional viel in die schnell wachsenden Volkswirtschaften Asiens“, so Krämer. Auch der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier, zeigte sich optimistisch: „Der Aufschwung setzt sich auf breiterer Basis fort, wenn auch mit etwas geringerem Tempo.“

Angesichts des anhaltenden Wirtschaftswachstums prognostizieren die Experten zudem eine weitere Entspannung am Arbeitsmarkt. Danach dürfte die Zahl der Menschen ohne Job 2011 im Jahresdurchschnitt um gut 300 000 auf 2,92 Millionen sinken. „Die Exportstärke schiebt die inländischen Investitionen und den Arbeitsmarkt an – und zunehmend auch den heimischen Konsum“, sagte DIHK-Chef-Volkswirt Treier. Damit dürften die Verbraucher im kommenden Jahr neben dem Export zum wichtigsten Wachstumspfeiler werden.

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Allerdings warnten mehrere Volkswirte vor allzu großer Euphorie. So sei ein Teil der sinkenden Arbeitslosigkeit auf statistische Effekte zurückzuführen: „Immer mehr Arbeitslose gehen in Rente“, sagte Prof. Hermann Locarek-Junge von der TU Dresden. Zudem würden die ­verbleibenden Arbeitslosen immer „schwerer vermittelbar“, erinnerte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.


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Mit wachsender Sorge beobachten die Volkswirte derzeit die Entwicklung in der EU: So befürchten 83 Prozent der Ökonomen, dass auf Sicht von sechs bis zwölf Monate nach Irland weitere Länder Finanzhilfen benötigen könnten. 13 Prozent sehen diese Gefahr nicht. „Es gibt Staaten in der EU, deren Finanzsituation ähnlich ungünstig ist wie die Griechenlands oder Irlands“, warnte der Wirtschaftsweise und Chef des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Prof. Christoph M. Schmidt.

„Die Märkte sind nervös, und viele Wackelkandidaten unter den Euroländern müssen demnächst ablaufende Staatsschuldpapiere ersetzen. Dies wird nur zu steigenden Zinsen möglich sein. In diesem Szenario können leicht weitere Rettungsak­tionen notwendig sein“, sagte auch Prof. Ulrich van Suntum von der Uni Münster.

Als größter Wackelkandidat gilt unter den Ökonomen Portugal. Rund die Hälfte der Befragten erwartet, dass das Land Hilfen aus dem EU-Rettungsschirm in Anspruch nehmen muss. Immerhin 21 Prozent sehen auch Spanien als gefährdet.

Eine mögliche Ausweitung des EU-Rettungsschirms lehnten zwei Drittel der Ökonomen ab, ein Drittel hält die von Luxemburg und Italien geforderte Ausweitung der Kredit­garantien für sinnvoll. Der Konjunkturchef des RWI, Prof. Roland Döhrn, erklärte, es sei „zweifelhaft, ob die Ankündigung eines größeren Schirms wirklich beruhigend wirkt, oder ob sie nicht genau das Gegenteil signalisiert, nämlich dass noch mehr Länder ernsthafte Probleme haben.“ Die EU hatte sich auf dem Gipfel am Donnerstag auf eine unbefristete Ver­längerung des Rettungsschirms über 2013 hinaus geeinigt (siehe S. 8). Auf massive Ablehnung treffen zudem Überlegungen, Gemeinschafts­anleihen zu begeben. 83 Prozent der Volkswirte lehnen den Vor­stoß ab, 15 Prozent halten ihn für sinnvoll. Mit den EU-Bonds würden Länder mit Zahlungsschwierigkeiten günstigere Refinanzierungsmöglichkeiten erhalten, für Länder mit hoher Bonität wie Deutschland würde die Refinanzierung dagegen künftig teurer. Mit weitreichenden Folgen: Mit Eurobonds und der gemeinsamen Haftung „würden die Verschuldungsanreize erhöht“, mahnte etwa Prof. Robert Schwager von der Uni Göttingen.

Unterdessen ist das Ökonomen-Barometer im Dezember weiter gestiegen. Zwar verharrte die Einschätzung der aktuellen Lage auf dem Niveau des Vormonats. Dafür legte der Erwartungswert um knapp fünf Prozent auf 70 Punkte zu und notiert damit auf dem höchsten Niveau seit Juli 2007. Für das Ökonomen-Barometer wurden vom 7. bis 16. Dezember insgesamt 300 Volkswirte in Banken, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsverbänden befragt.

Die Kommentare der Volkswirte finden Sie hier (PDF)