Dividendenstarke Aktien sind wieder im Kommen
Das vergangene Jahrzehnt hat die Anlagewelt verändert. Doch was erwartet Investoren in dieser Dekade? Unter anderem die Wiederentdeckung dividendenstarker Aktien.
von Andreas Hohenadl und Andreas Höß, €uro am Sonntag
Es ist ein ziemlich kryptisches Kürzel, und doch sind in ihm die Ängste einer globalisierten Welt vor dem Übergang ins neue Jahrtausend konzentriert: Y2K. Die Buchstaben-Zahlen-Kombination stand für das Jahr-2000-Problem – die Befürchtung, beim Jahreswechsel 1999/2000 würden weltweit die Computer verrückt spielen. Die Szenarien reichten bis hin zur Weltwirtschaftskrise oder dem ungewollten Auslösen eines Atomkriegs.
Doch das befürchtete Chaos blieb aus. Und nicht Y2K, sondern wiederkehrender Realitätssinn ließ einige Monate später die Börsenkurse einbrechen. Aus den astronomisch hohen Bewertungen der Tech- und Internetwerte entwich die Luft. Eine nötige Korrektur, und doch eine, die den Siegeszug der neuen Technologien und des World Wide Web nicht aufhalten konnte. Der Computerbauer Apple mischte die Musik- und Mobiltelefonbranche auf, der Suchmaschinenbetreiber Google wurde zum Herrscher des Internets.
Doch ist zum Ende des ersten Jahrzehnts die einst so bezeichnete New Economy bei Weitem nicht das Einzige, was Anleger beschäftigt. Die vergangene Dekade steht ebenso für ein Comeback der Rohstoffe, angetrieben durch die enorm gestiegene Nachfrage aus den Schwellenländern. Und auch in puncto Energie geht die Entwicklung immer mehr weg von fossilen Brennstoffen hin zu regenerativen Quellen wie Sonne und Wind. Bezeichnend dafür ist der Ölmulti BP, der sich bereits im Jahr 2000 den Slogan „beyond petroleum“ (jenseits des Öls) verpasste.
Welche großen Trends und Umbrüche das vergangene Jahrzehnt bestimmten und vor welchem Hintergrund Anleger ihre Entscheidungen in der neuen Dekade treffen müssen, das beleuchtet €uro am Sonntag in einer neuen Serie. Was beim Rückblick auf die abgelaufene Dekade schnell klar wird: Aktienanleger, die in den breiten Markt investierten, sind nach zehn Jahren per saldo nicht vom Fleck gekommen. Im Gegenteil: Wer Anfang 2000 sein Geld in DAX-Aktien steckte, verlor bis heute im Schnitt 0,3 Prozent pro Jahr. Berücksichtigt man zusätzlich die Inflation, steht sogar ein jährliches Minus von zwei Prozent zu Buche, wie Richard Stehle, Professor für Betriebswirtschaft an der Berliner Humboldt-Universität, berechnet hat.
Ähnlich das Bild an der US-Börse: Wer vor zehn Jahren 100 Dollar in amerikanische Aktien steckte, ist Ende 2009 um zehn Dollar ärmer (siehe Grafik in der Investor-Info). Anleger, die Rohstoffe kauften, sind dagegen deutlich im Plus. Ein 100-Dollar-Goldinvestment ist heute sogar rund 380 Dollar wert.
Ein verlorenes Jahrzehnt an den Börsen, unken deshalb viele Kommentatoren. Doch das gilt nur für passive Anleger. Wenn die vergangene Dekade mit ihren zwei großen Kurseinbrüchen eins gezeigt hat, dann das: Eine Buy-and-Hold-Strategie war nicht der Königsweg. Wer jedoch die Aufwärtsphasen an den Märkten – von 2003 bis 2008 und seit März 2009 – geschickt ausnutzte, erzielte Traumrenditen. Die sind auch im neuen Jahrzehnt möglich. Doch noch mehr als in der abgelaufenen Dekade wird das Markttiming der entscheidende Faktor sein. Denn die Gefahr von Vermögenspreisblasen ist hoch, und Investoren tun gut daran, sich auf stark schwankende Märkte einzustellen. Ein gewisses Fundament im Depot können vor diesem Hintergrund substanzstarke Unternehmen aus defensiven Sektoren bieten. Wie nachhaltig ein Geschäftsmodell ist, belegen zum Beispiel regelmäßige Dividendenausschüttungen. Sie sind für Anleger wieder wichtiger geworden. „2000 herrschte Wachstumseuphorie, und Dividenden waren total unterschätzt“, sagt Thomas Schüssler, Fondsmanager des DWS Top Dividende. „Bei zweistelligen Kurssteigerungen pro Jahr haben sich Investoren für ein paar Prozent Dividende überhaupt nicht interessiert.“
Doch diese Einstellung hat sich gewandelt, und „Ausschüttungen sind als Teil der Gesamtrendite im Aktienmarkt wichtiger geworden“, sagt Schüssler. Er schätzt, dass künftig die Hälfte oder mehr der Wertentwicklung am Aktienmarkt aus Dividenden kommen könnte. Langfristig liege der Schnitt bei rund 40 Prozent. „In einem Umfeld, in dem sich auf lange Sicht der Gesamtmarkt per saldo nicht positiv entwickelt, kommt es stark auf die Ausschüttungen der Unternehmen an“, so Schüssler. Aktuell sind dividendenstarke Titel hoch attraktiv, denn „die Dividendenrenditen bei vielen Aktien liegen deutlich über dem, was Anleger mit den Anleihen des betreffenden Unternehmens bekommen“, sagt der DWS-Fondsmanager. Doch wer in solche Titel investieren will, sollte das Geschäftsmodell des jeweiligen Unternehmens genau betrachten: Wie nachhaltig sind die Erträge, wie solide die Cashflow-Entwicklung? Dabei wird es große branchenspezifische Unterschiede geben.
Konsumgüterhersteller bieten nach Ansicht von Jürgen Meyer, Leiter Aktien Euroland bei SEB Asset Management, ein besonders stabiles Geschäftsmodell: „Die Macht der Gewohnheit ihrer Kunden sichert ihnen einen verlässlichen Einnahmestrom. Diese Macht ist gewaltig. Konsumgüterriesen wie die Schweizer Nestlé bieten eine stetigere Einnahmequelle als staatlich reglementierte Monopole wie Versorger oder Telekomfirmen“, erklärt Meyer.
Doch auch bei den Energieversorgern erwartet der Fondsmanager relativ sichere Dividenden für die nächsten Jahre. Allerdings müssen sich Energiekonzerne zunehmend der Aufgabe stellen, alte Kraftwerke durch neue, energieeffizientere Anlagen zu ersetzen. Diese Investitionen drückten auf die Kapitalrenditen. „Die Profitabilität der letzten Jahre ist nicht ganz richtungsweisend für das, was der Sektor in den kommenden Jahren verdienen kann“, so Meyer. „Ich halte es trotzdem für möglich, dass die Konzerne die Dividendenzahlungen stabil halten.“
Ähnlich seine Einschätzung für Telekomunternehmen, bei denen hohe Investitionen in schnelle Übertragungsnetze wie VDSL anstehen. „Die Profitabilität gibt es wohl her, dass die Ausschüttungen stabil bleiben. Aber mir fehlt die Fantasie, dass ich als Aktionär über die kommenden zehn Jahre mit diesen Konzernen mehr als die Dividenden verdiene“, so Meyer. Wer dennoch auf diese Unternehmen setzt, sollte dies besser nicht nach der alten Buy-and-Hold-Strategie tun. Vielmehr gilt im neuen Jahrzehnt: Buy and be alert, kaufe und sei wachsam. Eine gute Formel – und weniger kryptisch als Y2K.
Dekadenrückblick:
Rohstoffrally und Aktienfrust
In einer Gruppe von sechs wichtigen Anlageklassen schnitten Aktien im vergangenen Jahrzehnt am schlechtesten ab. Der amerikanische S & P 500 Total Return Index verlor in diesem Zeitraum rund zehn Prozent. Freuen dürfen sich dagegen Rohstoffanleger: Aus einem Kapitaleinsatz von 100 Dollar Anfang 2000 wären zum Ende des Jahrzehnts über 350 Dollar geworden. Mit Gold konnten Anleger ihren Einsatz fast vervierfachen.
Investment-Tipps
DWS Top Dividende: Fokus auf soliden Unternehmen
Sich auf dividendenstarke Unternehmen zu konzentrieren ist für Thomas Schüssler, Fondsmanager des DWS Top Dividende, „keine Strategie, die exorbitante Gewinne verspricht. Aber als Anleger schlafen Sie deutlich besser.“ Schüssler investiert weltweit in Aktien mit überdurchschnittlicher Dividendenrendite. Zugleich müssen die Unternehmen gute Fundamentaldaten und ein kompetentes Management aufweisen.
WKN: 984811
ETF DJ Stoxx Select Dividend 30:
Europas Dividendenriesen
Eine günstige Möglichkeit, in ein Portfolio von Dividendenaktien zu investieren, bieten börsengehandelte Fonds, kurz ETFs. Es gibt sie auf verschiedene nationale und internationale Dividendenindizes. Mit dem Produkt von Lyxor setzen Anleger auf die Entwicklung des Index DJ Stoxx Select Dividend 30, in dem Unternehmen aus 18 europäischen Ländern versammelt sind, die überdurchschnittlich hohe Ausschüttungen bieten.
WKN: LYXSEL
Do-it-yourself-Strategie:
O’Higgins-Methode
Eine der bekanntesten Dividendenstrategien geht zurück auf den US-Vermögensverwalter Michael O’Higgins:
Der Investor wählt aus einem Index die zehn dividendenstärksten Aktien aus, dann filtert er jene fünf Titel mit dem absolut niedrigsten Aktienkurs heraus. In diese investiert er am Jahresanfang sein Kapital zu gleichen Teilen. Nach einem Jahr wird wieder umgeschichtet. Diese Strategie hätte seit 1998 in neun von zwölf Jahren den Euro Stoxx 50 geschlagen und ein Plus von rund 130 Prozent gebracht (Euro Stoxx 50: etwa drei Prozent).
Den zweiten Teil der Serie lesen Sie kommenden Dienstag, 12. Januar
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Bildquellen: Julian Mezger