Kopf der Woche

Desertec-Chef: Die Vision ist machbar

aktualisiert 01.05.11 18:31 Uhr

In 40 Jahren sollen bis zu 15 Prozent des europäischen Stroms aus den Wüsten Nordafrikas kommen. Vom neuen Energiekonzept der Regierung erwartet Paul van Son, Chef der Desertec-Initiative, Unterstützung für das ehrgeizige Projekt.

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von Stephan Bauer, €uro am Sonntag

Ein Büro zum Innenhof der Konzernzentrale der Munich Re. Paul van Son, Chef der Dii, der Desertec Industrieinitiative, hat seinen Arbeitsplatz mit großformatigen Sahara-Bildern dekoriert. Denn die Wüste ist das Element des Holländers, seit er vor gut zwei Jahren die Koordination des ambitionierten Wüstenstromprojekts übernahm. Bis zum Jahr 2050 sollen demnach große Solar- und Windkraftwerke Energie über moderne Stromautobahnen auch nach Europa liefern. Bis zu 15 Prozent des Strombedarfs könnte der Wüstenstrom decken. €uro am Sonntag sprach mit van Son über die he­rausfordernde Finanzierung, die Fortschritte beim ersten Kraftwerkprojekt in Marokko – und den Preis des Wüstenstroms.

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€uro am Sonntag: Bis 2050 reicht der Zeithorizont der Desertec-Vision. Worin liegt der Reiz, sich einer solchen Mammutaufgabe zu stellen?
Paul van Son:
Wir erleben gerade einen historischen Umbruch in der internationalen Energiebranche, das macht die Aufgabe so reizvoll. Die Verbrennung fossiler Energieträger beschert uns ein Klimaproblem und führt uns in eine Sackgasse. Die Kernenergie, der große Hoffnungsträger der 70er-Jahre, hat sich inzwischen als risikoreich herausgestellt. Als neue nachhaltige Energiequellen bleiben Sonne und Windkraft. Desertec kann hier einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung dieser Technologien leisten.

Setzen Sie darauf, dass Fukushima und die Diskussion um die deutsche Energiewende das Projekt beschleunigen?
In Deutschland sieht man, dass die Frage der Kernenergie nicht an den Landesgrenzen endet. Und man erkennt, dass es zwar sinnvoll ist, eigene regenerative Energien zu fördern, dass es aber auch Sinn macht, das dort zu tun, wo mehr Sonnenenergie vorhanden ist. Wir glauben, dass Desertec im neuen Energiekonzept der Bundesregierung weitaus stärker berücksichtigt wird.

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Erwarten Sie konkrete Zusagen für eine Förderung des Wüstenstroms?
Wir erwarten vom neuen Energiekonzept definierte Förderungsansätze. Das können Zusagen für eine Einspeisevergütung sein. Das könnten auch Finanzierungshilfen etwa aus den Mitteln der KfW sein. Möglichkeiten gibt es viele.

Die politischen Rahmenbedingungen in Nordafrika sind unsicherer geworden. Bremsen die Unruhen und Umbrüche im Nahen Osten das Projekt?
Im Gegenteil. Die Demokratisierungswelle führt tendenziell zur Förderung von alternativen Energiequellen. In Tunesien etwa sind wir in guten Gesprächen mit der neuen Regierung, die großes Interesse an erneuerbaren Energien zeigt. Wir starten dort mit einer Machbarkeitsstudie für ein mögliches Projekt. In Marokko sind wir weiter: Die politischen Voraussetzungen sind günstig, es gibt einen langfristigen Förderungsplan für regenerative Energien. Und es gibt eine Stromleitung nach Spanien. In Marokko planen wir auch unser erstes Referenzprojekt.

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Wann soll der Bau Ihres ersten Solarkraftwerks beginnen?
In den kommenden Wochen beginnen wir an verschiedenen Standorten mit den Messungen der Sonneneinstrahlung. Dann werden Finanzierungsfragen und technische Details geklärt. Wenn nächstes Jahr alle Daten und Fakten vorhanden sind, wird das Projekt endgültig definiert. Anschließend geben wir die Informationen an die staatliche Ener­gieagentur Marokkos weiter, die das Projekt ausschreiben wird. Dann geht es an den Markt. Baubeginn kann 2014 sein. Der erste Strom könnte schon 2015 nach Deutschland fließen.

Warum baut die Initiative ihr erstes Referenzprojekt in Nordafrika nicht selbst?
Wir stoßen die Dinge nur an, wir sind keine Investoren oder Entwickler. Dieses Projekt soll zeigen, dass die Technologien vorhanden und die Vision realisierbar ist. Wenn das Referenzprojekt ausgeschrieben wird, sind wir als Dii aus dem Spiel.

Unternehmen, die Desertec mitgegründet haben oder Partner sind, werden aber sicher zum Zuge kommen?
Die Investoren oder Gesetzgeber können gute Gründe haben, das Ausschreibungsverfahren auf bestimmte Anbieter zu beschränken. Für unsere Partner ist es wichtig, dass sie bei der Auftragsvergabe faire Chancen haben.

Mitglieder wie etwa die Infrastrukturhersteller ABB oder Siemens konkurrieren um Aufträge. Wie verhalten Sie sich in diesem Spannungsverhältnis?
Wir konzentrieren uns auf die Entwicklung von Märkten – unparteiisch und neutral. Mit dem Wettbewerb um die Aufträge haben wir nichts zu tun.

Wie soll die Finanzierung aussehen?
Selbstverständlich haben einige Dii-Gesellschafter Interesse, hier zu investieren. Darüber hinaus gibt es Förderprogramme von Instituten wie KfW oder Weltbank. All die­se Institute stellen jedoch Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit.

Angenommen, Ihre Pläne gehen auf und das erste Referenzprojekt liefert ab 2015: Wie teuer wird der Strom für Europa?
Der Wüstenstrom wird günstiger sein als heimische Sonnenenergie. Man muss zunächst aber auch diese Solarenergie fördern. Das dauert vielleicht 15 Jahre. Danach werden Projekte ohne Förderung rentabel, denn in der Sahara gibt es dreimal so viel Sonne wie in Deutschland. Und man kann mit solarthermischen Kraftwerken auch verschiedene Marktanforderungen bedienen. Desertec-Strom ergänzt die heimische Solarkraft.

Wie viel müsste Berlin konkret für das erste Projekt in Marokko zuschießen?
Eine erste Anlage mit 500 Megawatt Leistung (Anm. der Red.: reicht für rund 200.000 Haushalte) und einer Exportquote von 80 Prozent würde ungefähr 2,2 Milliarden Euro kosten. Davon würde der Markt bis zu einem Drittel übernehmen. Die verbleibende Lücke muss geschlossen werden.

Das sind Milliardenbeträge. Wie sehen denn die Sicherheiten etwa für deutsche Steuerzahler aus, später auch wirklich günstigen Strom zu erhalten?
Technisch ist das kein Problem, die Anlagen laufen lange bei entsprechender Wartung. Um langfristig auch vertragliche Verlässlichkeit zu schaffen, müssen sich Europa und Nordafrika politisch weiter annähern. Wir setzen darauf, dass es künftig Rahmenabkommen geben wird. Das kann sehr schnell gehen. EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat das Thema bereits in die Diskussion gebracht.

Die Unsicherheiten sind groß – rechnen Sie mit einer Investitionsbereitschaft in Höhe von 400 Milliarden Euro?
Es geht natürlich um eine schrittweise Entwicklung über 40 Jahre. Primär mangelt es nicht an Geld. Aber die einzelnen Projekte werden nur zustande kommen, wenn sie ausreichend sicher für Investoren sind. Eine wichtige Voraussetzung wäre eine Einspeisevergütung oder eine anders gestaltete Förderung. Ohne die Politik wird es Desertec nicht geben.

Kritiker – auch in Nordafrika – sprechen von einer zweiten Kolonialisierung des Kontinents. Können Sie die Bedenken verstehen?
Ich verstehe die Kritik. In manchen Ländern hat man schlechte Erfahrungen beispielsweise mit der Öl- und Gasindustrie gemacht. Da­raus hat sich keine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ergeben. Mit Sonnenenergie ist das anders: Sie verschwindet, wenn man sie nicht nutzt. Es werden keine Rohstoffe abgebaut. Zudem entstehen bei der Nutzung von Sonne und Wind viele Arbeitsplätze und eine lokale Industrie.

Was möchten Sie als Desertec-Chef erreichen?
Bis Ende nächsten Jahres soll vor allem die Langfristplanung einschließlich der Investitionslinien stehen. Das Wichtigste aber ist: Wir wollen zeigen, dass die Vision machbar ist – und dass sie vom Markt, von der Politik und von der Bevölkerung aufgenommen wird.

zur Person:

Dii-Chef Paul van Son (58),
Wüstenstrom-Visionär

Der Holländer leitet nach einer Karriere in der Energiebranche seit 2009 die Desertec Industrieinitiative (Dii). Die Initiative ist ein Zusammenschluss von inzwischen 19 Mitgliedern, zu denen Industriekonzerne wie ABB und Siemens, Versorger wie Eon und RWE, Solarunternehmen wie Solar Millennium und Finanzdienstleister wie die Munich Re zählen. Die Vision Desertec geht in einem Szenario davon aus, dass bis zum Jahr 2050 schrittweise rund 400 Milliarden Euro in Solarthermie-, Fotovoltaik- und Windkraftanlagen in Nordafrika und dem Mittleren Osten sowie in Stromtrassen nach Europa investiert werden.

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