Kopf der Woche

BMW-Lobbyist: "Der nächste Trip geht nach Sacramento"

13.12.10 06:00 Uhr

Thomas Becker leitet im BMW-Konzern den Bereich Politik und ist immer auf dem Sprung. Seine Abteilung sieht er in einer Art Radarfunktion – als Frühwarnsystem für künftige Anforderungen aus Berlin, Brüssel, Washington oder Peking.

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von Christiane Habrich-Böcker

Der 44-jährige Thomas Becker ist promovierter Volkswirt und arbeitete unter anderem beim Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Danach war er stellvertretender Geschäftsführer beim Verband der Automobilindustrie (VDA). Seit 2007 leitet Becker, verheiratet, zwei Kinder, bei BMW die Funktion Politik, koordiniert also die weltweiten politischen Repräsentanzen des Münchner Konzerns.

€uro am Sonntag: Herr Becker, stört es Sie, wenn man Sie als Lobbyist bezeichnet?
Thomas Becker: Der Begriff Lobbyist wurde von einem US-Präsidenten in einer Hotellobby erfunden – also einem Raum, in dem Interessenvertreter und Politiker miteinander reden. Somit hat der Begriff eigentlich nichts Anrüchiges. Ich verstehe meine Tätigkeit aber eher als Kommunikationsdienstleister. Denn es reicht schon lange nicht mehr, mit breiter Brust aufzutreten und zu sagen, ich will das jetzt aber so. Oder zu sagen: Das geht nicht. Sie müssen mit Fakten, Transparenz und Lösungen argu­mentieren. Nur so überzeugen Sie.

Allein in Brüssel sollen 25 000 Interessenvertreter arbeiten. Welchen Einfluss hat da überhaupt ein Einzelner?
Gerade in der Autoindustrie kommunizieren die Unternehmen zum Beispiel bei Regulierungsthemen ihre Sichtweise gebündelt über die Verbände. Im Fall von Europa ist das beispielsweise die European Automobile Manufacturers’ Association, kurz ACEA.

Wie argumentieren Sie?
Es ist entscheidend, Glaubwürdigkeit und Plausibilität konkret darzustellen. Politische Positionen werden erst dann glaubwürdig, wenn die Hersteller zunächst zukunfts­weisende Technologien in ihren Produkten umsetzen und damit einen Beitrag zur Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen leisten. Da hat gerade die BMW Group eine Menge zu bieten.

In welchen Themen sind Sie momentan unterwegs?
Sicher ist aktuell ein Schwerpunkt die Elektromobilität. Hier gibt es noch zahlreiche Aufgaben zu er­ledigen.


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Und wie könnten die Themen in zehn Jahren lauten?
Wir diskutierten heute bereits in den USA die Flottenverbrauchsstandards für die Zeit von 2017 bis 2025. Da geht es zunächst um mehr Effizienz bei otto- und dieselgetriebenen Fahrzeugen. Es geht aber ganz wesentlich auch um die Erwartungen zum künftigen Antriebsmix: Wie viele Hybride sind realistisch? Wie viele batteriebetriebene Fahrzeuge? Wie viele mit Wasserstoff? Das bedeutet: Aus der heutigen alleinigen Dominanz des Verbrennungsantriebs heraus geht es in Zukunft nicht um das Umschalten in eine andere Technologie, sondern um eine größere Vielfalt konkurrierender Antriebssysteme. Und diese Konkurrenz braucht Regeln – auch damit die Kunden erkennen, welches Antriebskonzept für sie am Ende die richtige Wahl ist.

Welche Aufgabe kommt Ihnen bei einem solchen Thema konkret zu?
Die Aufgabe unserer Abteilung ist eine Radarfunktion. Wir ­vermitteln zum einen als eine Art Frühwarnsystem die möglichen künftigen Anforderungen der Regierun­gen und anderer politischen Einfluss­größen in unser Haus. Langfristige Verantwortung und Profitabilität machen es erforderlich, frühzeitig künftige politische Themen zu erkennen. Deshalb arbeiten wir auch sehr eng mit den Strategiefunktio­nen, unseren Entwicklern und den Kommunikatoren zusammen. Und um­gekehrt versorgen wir Regierungs­stellen mit Fachinformationen.

Wie sieht das im Alltag aus? Reisen Sie um den Globus, speisen mit den Mächtigen der Welt und versuchen, en passant die BMW-Interessen zu platzieren?
Nein, so läuft das nicht. Wir vermitteln Ansprechpartner und Experten zu den anstehenden Themen aus unserem Unternehmen – übrigens meistens in die mittlere Hierarchieebene, die ja die Entscheidungen vorbereitet. Und wir übersetzen technische Sachverhalte und wirtschaftliche Bewertungen in politische Argumente. Das Verdichten von Fakten und das Vermitteln von Know-how leisten wir übrigens nicht nur ausschließlich für Politiker, sondern auch für nichtpolitische Institutionen und Forschungseinrichtungen. Dabei bieten wir auch eine Plattform für die Diskussion. So haben wir vor Kurzem in Berlin bei einer Veran­staltung mit Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle unsere Ko­operation mit dem weltweit größten Stromversorger State Grid aus China präsentiert.

Welches Reiseziel steht als nächstes an?
Der nächste Trip geht nach Sacramento, denn Kalifornien ist für uns nicht nur als Markt der wichtigste Bundesstaat in den USA, sondern hat in den zurückliegenden Jahrzehnten auch die Anforderungen an das Auto massiv mitbestimmt. Politik ist aber ein zyklisches Geschäft. Heute reden wir in den USA über den Zeitraum 2016 bis 2025, nächstes Jahr wird die EU-Kommission die ­Debatte über die Ziele für 2020 in ­Eu­ropa starten.

Müssten Sie nicht mehr in China präsent sein?
Das hält sich ungefähr die Waage.

Ist es schwieriger, die Regierenden in China als beispielsweise die Amerikaner zu überzeugen?
Nein, die Chinesen sind sehr offen für Sachargumente und orientieren sich stets an internationalen Standards – im Fall der Emissions­reduzierung übrigens sehr stark an den kalifornischen und denen der EU. Gerade in China schauen sich die Behörden vor einem eigenen Gesetz häufig erst mal gründlich an, was ­anderswo zu dem Thema bereits gemacht wurde. Wenn das zu mehr Konvergenz bei der Regulierung führt, erleichtert das natürlich auch unser Leben.

Kann man Ihre Tätigkeit ökonomisch messen?
Nein, das geht nicht – wie wollen Sie den Wert von Information oder umgekehrt den Preis einer nicht getroffenen Fehlentscheidung beziffern? Der Job meines Teams ist ein Beitrag von ganz vielen dazu, am Ende mit unseren Produkten erfolgreich zu sein.

Wie legen Sie privat Ihr Geld an?
Bei uns in der Familie hat das Thema Wohnimmobilie Priorität. Da braucht man bei den Preisen in München erst mal nicht mehr über weitere Anlagemöglichkeiten nachzudenken.

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