Dirk Müller, haben Sie Angst vor dem Börsenjahr 2015?
Mr. Dax ist zwar von einer Jahresendrally überzeugt. Dramatische Korrekturen wie Ende September seien aber 2015 jederzeit möglich.
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von Benjamin Summa
Herr Müller, der Dax hat zuletzt den höchsten Stand seit zwei Monaten erklommen. Die Gründe sind Zinssenkungen in China und Hoffnungen auf noch mehr billiges Geld von der EZB. Freuen Sie sich auf eine Jahresendrallye?
Dirk Müller: Alles deutet derzeit tatsächlich auf eine Jahresendrallye hin. Das ist auch alles andere als überraschend: Immer, wenn die eklatanten Probleme, die wir ja zweifelsohne haben, zum Tragen kommen, pumpen die Notenbanken der Amerikaner, der Briten, der Chinesen, der Schweizer oder eben der EU wieder Unmengen Geld ins System. Es wird ein riesengroßes Monster aufgeblasen - klar ist, dass durch eine Notenbankpolitik, die allein auf billiges Geld setzt, enorm viele Anreize zur Fehlallokation geschaffen und Marktmechanismen außer Kraft gesetzt werden. Keiner kann sagen, wann das Kartenhaus zusammenbricht, aber alle ernst zu nehmenden Fachleute wissen, dass die verheerende Politik der Notenbanken in großen Turbulenzen enden muss.
2001 gab es den Crash am Neuen Markt, 2008 den Börsencrash im Zuge der Finanzkrise - müssen sich die Anleger vor dem Jahr 2015 sorgen?
Der Spannungsmix aus billigem Geld und zahlreichen großen Problemen wird auch 2015 die Märkte bestimmen. Dramatische Korrekturen sind dann jederzeit möglich. Für den Absturz Ende September sorgte ein Mix aus schlechten Wirtschaftsdaten, geopolitischen Krisenmeldungen und neuen Sorgen in Sachen Eurokrise - der Funke kann in solch unsicheren Zeiten enorm schnell überspringen.
EZB-Aktionen wie die Leitzinssenkung auf 0,05 Prozent oder Strafzinsen für Einlagen bei der Zentralbank haben bislang eher enttäuscht. Mit welchen Maßnahmen seitens der EZB rechnen Sie im kommenden Jahr?
Die EZB wird im kommenden Jahr in großem Stil sogenannte Asset Backed Securities kaufen, verbriefte Kredite also. Bisher hat sie das für gute Kredite angekündigt. Gehen Sie also davon aus, dass die EZB nächstes Jahr jeden noch so faulen Kredit aufkauft, den die Banken über den Tresen schieben wollen. Das Ziel der Notenbank ist, die Kreditvergabe im Euroraum und damit die bislang schlechte Wirtschaftsentwicklung anzukurbeln. Das Problem ist nur, dass dann Kredite auch an Leute und Firmen vergeben werden, die es sich eigentlich gar nicht leisten können. Im Ergebnis werden Kreditrisiken auf die Notenbank abgewälzt.
Die Notenbankpolitik ist derzeit zweifelsohne das wichtigste Treibmittel für die globalen Börsen. Wie bewerten Sie auf der anderen Seite die Konjunkturaussichten?
Die OECD hat Europa kürzlich vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit, des geringen Wachstums und der kaum vorhandenen Inflation zur "Risikozone" erklärt. Viele Marktbeobachter gehen derzeit davon aus, dass die Konjunkturerholung in der Eurozone viel dürftiger ausfallen wird, als das vor einigen Monaten noch erwartet wurde. Eine Hoffnung gibt es aber aus meiner Sicht: Sollte das umstrittene Anleihen-Aufkauf-Programm der EZB, flankiert durch enorme Infrastrukturmaßnahmen, durchschlagen, dann könnten wir durchaus einen überraschenden Umschwung in Europa sehen.
Pessimistischer bin ich in Bezug auf China. Dort wächst die Wirtschaft längst nicht mehr so wie früher. Schon die offiziellen Zahlen sind schlecht, die inoffiziellen sind viel dramatischer. Das Land hat einen beispiellosen Boom in den vergangenen 30 Jahren erlebt - damit gehen auch immer dramatische Fehlallokationen einher. In zahlreichen Großbanken Chinas häufen sich die faulen Kredite - das ist ein Pulverfass.
Die US-Wirtschaft hat sich zuletzt im Höhenflug befunden: Die privaten Konsumausgaben, eine sehr wichtige Kennziffer in Amerika, entwickelten sich ordentlich. Zudem investierten Unternehmen deutlich mehr. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass dieses Strohfeuer mit riesigen Strohballen angefacht wurde: Die Staatsschulden wurden seit 2008 um 80 Prozent ausgeweitet, die Notenbankbilanz um 550 Prozent. Die Empfänger von Lebensmittelmarken haben um 50 Prozent zugelegt. Als Output bekommt die US-Regierung ein kumuliertes Wachstum von 8,5 Prozent.
Sie haben kürzlich eine Neuauflage Ihres Buches "Showdown: Der Kampf um Europa und unser Geld" herausgebracht. Ein Extra-Kapitel handelt vom Ukraine-Konflikt. Wie gefährlich ist diese Krise für den Frieden in Europa?
Vor einigen Jahren wäre eine mögliche kriegerische Auseinandersetzung zwischen Russland und dem Westen unvorstellbar gewesen. Und jetzt scheint dieses Szenario möglich. Ein Wahnsinn! Unter der Ägide der Politiker der vergangenen Jahrzehnte wäre es aus meiner Sicht sicherlich nicht so weit gekommen. Diese hatten den Horror des Zweiten Weltkrieges noch plastisch vor Augen. Die Politiker unserer Zeit kennen das nur noch aus den Geschichtsbüchern. Verteidigungsministerin von der Leyen begründet Pläne zur Anschaffung neuer Panzer mit der geänderten Sicherheitslage - sie bezieht sich damit eindeutig auf die Russland-Krise. Aus meiner Sicht eine völlig falsche und gefährliche Politik.
Themawechsel. Inzwischen hat in Deutschland die erste Bank von ihren Privatkunden für Tagesgelder einen Negativzins verlangt. Weitere könnten diesem Beispiel folgen. Wie sollen Sparer darauf reagieren?
Die Sparer können sich darauf einstellen, dass wir es auch in den kommenden Jahren mit niedrigsten oder sogar negativen Zinsen zu tun haben werden. Solange die Verschuldung so hoch bleibt wie aktuell, sind höhere Zinsen gar nicht möglich. Kleine, kosmetische Anhebungen vielleicht, aber Leitzinsen jenseits der fünf Prozent sind Geschichte. Privatanlegern bleibt gar nichts anderes übrig, als sich Alternativen zu Geldwerten zu suchen. Wir müssen uns an der Wirtschaft und den Unternehmen beteiligen. Im Dax gibt es noch immer Dividendenrenditen von durchschnittlich drei Prozent. Siemens liegt bei 3,6 Prozent und spanische Staatsanleihen bei unter zwei Prozent. Wer will mir erzählen, dass spanische Staatsanleihen solider sind als die Firma Siemens?
Die Immobilienpreise in Deutschland steigen ungebremst, im gesamtdeutschen Durchschnitt sind Eigentumswohnungen beispielsweise seit Anfang 2010 um gut 17 Prozent teurer geworden. Wie weit sind wir von einer handfesten Immobilienblase hierzulande entfernt?
Zehn bis 13 Jahresnettokaltmieten für eine Immobilie waren früher ein ordentlicher Preis. Wir sind mittlerweile bei 20 bis 30 Jahresnettokaltmieten angekommen. Das ist zumindest eine deutliche Überbewertung - aus meiner Sicht ist es nicht sinnvoll, auf diesem hohen Niveau eine Immobilie als Geldanlage zu erwerben.
Der Goldpreis hat zuletzt stark nachgegeben. Wie wird es hier weitergehen?
Der jetzige Preis für das Edelmetall liegt nahe bei den Produktionskosten. Wenn ich diese "ewige Währung" zu einem Preis bekomme, dass es sich für die Produzenten schon fast nicht mehr lohnt, Gold zu fördern, dann ist dieser sicherlich nicht zu hoch. Natürlich könnte der Goldpreis noch einmal um 20 oder 30 Prozent zurückfallen, es wird aber nie wertlos werden. Deshalb sollten 10 bis 20 Prozent des liquiden Anlagevermögens stets in Gold und Silber gehalten werden - als Versicherung, zur Beruhigung.
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Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist Unternehmenssprecher der pro aurum KG, München.
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