Robert Halver: Der Grexit ist das geringere Übel
Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone haben sich im Hellas-Streit doch noch auf einen Kompromiss verständigt. Aber die Zweifel bleiben. Ein Ausscheiden Griechenlands wäre das geringere Übel, erklärt etwa Robert Halver, Kapitalmarktexperte der Baader Bank.
Herr Halver, die jüngste Krisengipfel hat nach einer 17-stündigen Marathon-Sitzung heute Morgen doch noch einen Durchbruch erzielt. Was halten Sie von der Vereinbarung?
Robert Halver: Wir haben weißen Rauch, wir haben ein Ergebnis. Und das monatelange Hin und Her, diese Verunsicherung ist zunächst in den Hintergrund getreten.
Also wird jetzt endlich alles gut?
Die Kuh ist zwar einstweilen vom Eis. Aber leider wird die Kuh nicht im Stall angebunden, so dass sie wieder aufs das Eis laufen kann. Die Reformmaßnahmen mögen weit über das hinausgehen, was bislang an Reformen angesprochen wurde. Aber was relativ gut ist, muss nicht absolut richtig sein. Es geht nicht primär darum, dass möglichst viel gespart wird und Schulden bezahlt werden. Natürlich ist das auch wichtig. Auch die Einrichtung eines Treuhandfonds, der ähnlich wie bei der Deutschen Wiedervereinigung über Privatsierungen Geld zur Schuldentilgung einnehmen soll. Und mir gefällt grundsätzlich auch, dass das Motto praktiziert wird: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Und was gefällt Ihnen nicht so gut?
Leider muss man Wasser in den süßen griechischen Wein schütten. Kriegsentscheidend ist, dass die wirklich wichtigen Reformen, die Strukturreformen z.B. im Verwaltungswesen, auf den Arbeitsmärkten eher nur als schöne Absichtsbekundungen formuliert werden. Und dass hinzubekommen, ist die Quadratur des Kreises. Erst wenn Unternehmen in einer Volkswirtschaft freiwillig investieren, weil sie die Standortbedingungen gut finden, ist ein Land wirtschaftlich gesund. Davon sind wir weit entfernt. Auf Griechenland als Standort hat kein Investor gewartet.
Insofern haben wir nur eine Lösung, die mal wieder eher der politischen Räson entspricht und weniger der ökonomischen Vernunft. Schöne politische Worte sind ökonomisch nicht wahr, wahre ökonomische Worte sind politisch nicht schön. Es geht um wirtschaftliche Perspektive, nicht um politische Ruhe im Euro-Karton.
Aufgrund keiner wirklichen Strukturreformen wird die EZB der Ausputzer Griechenlands bleiben müssen. Das Obligo der EZB wird sich so weit erhöhen, dass ein Kreditausfall Griechenlands zu einer Systemkrise der Euro-Finanzwelt führen würde.
Das heißt?
Wir kommen aus der Rettung Griechenlands nicht mehr heraus.
Nach dem dritten Hilfspaket wird es auch ein viertes geben. Aber bis zur Bundestagswahl 2017 haben wir zuerst einmal Ruhe. Die Euro-Politiker können schon einmal ein Wiedervorlagebuch bereitstellen.
Die Schulden Griechenlands werden unaufhörlich wachsen, ähnlich wie bei einem Kuchen, der zu viel Hefe abbekommen hat.
Die Eurozone ist viel zu wenig Stabilitätsunion und viel zu sehr Kuschelunion.
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Bildquellen: Robert Halver