Dirk Müller: "Inflation und Stagnation führen in die Katastrophe"
Mr. Dax kritisiert die Politik des billigen Geldes und die Anleihekäufe der EZB. Er favorisiert Sachwerte und bereitet sich auf den Zusammenbruch der Währungsunion vor.
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von Benjamin Summa
Herr Müller, der DAX hat vergangene Woche nach dem „Ja“ des Bundesverfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm den höchsten Stand seit 14 Monaten erreicht. Erwarten Sie jetzt noch eine Herbstrallye oder ist das Gros der Kursfantasie bereits eingepreist?
Dirk Müller: Es wurde natürlich sehr viel Spannung im Vorfeld dieses Urteils aufgebaut. Das Signal ist jetzt eindeutig: Enorme Mengen Geld werden gedruckt und ein Kollaps steht nicht unmittelbar bevor. Das nimmt natürlich erst einmal die Unsicherheit aus den Märkten. Aktien, besonders Minenwerte, Rohstoffe und Edelmetalle werden von diesem Trend stark profitieren. Jeder sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass durch die Geldschwemme kein einziges Problem gelöst worden ist. Der augenblickliche positive Trend hat nämlich nichts mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung zu tun, er ist rein liquiditätsgetrieben.
Zwei Szenarien, erstens: Die finanzielle Power von ESM, EZB und IWF reicht aus, um die Euro-Krise mittelfristig in den Griff zu bekommen. Zweitens: Die Staatspleite Athens wird die Zweifel am Bestand der Eurozone massiv verstärken und Spanien, Italien, vielleicht sogar Frankreich ins Visier der Spekulanten rücken. Welches ist aus Ihrer Sicht wahrscheinlicher?
Die finanzielle Kraft der EZB ist unbegrenzt, sie kann so viel Geld drucken wie sie will. Die Liquidität reicht also aus, um die Renditen in den Krisenländern der EU erst mal niedrig zu halten. Aber diese Politik des billigen Geldes verhindert, dass die enormen strukturellen Probleme der Eurozone angegangen werden. Die Politik hat derzeit nur ein Ziel: Die Rettung der Euro-Zone. Darauf sollte aus meiner Sicht jedoch nicht das Augenmerk gelegt werden. Vielmehr muss Europa als gemeinsamer Markt gerettet werden. Ob das mit einer gemeinsamen Währung geschehen kann, ist derzeit mehr als fraglich. Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Spanien, Italien, Griechenland auf der einen und Deutschland auf der anderen Seite sind so dramatisch groß, dass eine gemeinsame Währung nach allen Gesetzen der Logik nur scheitern kann. Um ein gemeinsames Europa zu schaffen, bräuchten wir halbwegs vergleichbare Strukturen in Bezug auf Steuergesetzgebung und Arbeitsmarktbedingungen. Ich plädiere sehr dafür, Reformansätze in diesen Krisenländern zu unterstützen, denn Spardiktate alleine führen in die Katastrophe.
Das Verfassungsgericht hat im aktuellen Urteil auch eine Breitseite gegen die Machenschaften der EZB losgelassen. Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass sich die Europäische Zentralbank durch die Anleihekäufe künftig zur Bad-Bank für europäische Schrott-Papiere entwickelt?
Die Gefahr ist sehr groß. Die EZB kauft nun alles das auf, was die Großinvestoren nicht mehr wollen. Diese institutionellen Anleger haben in den vergangenen Monaten die Ramschanleihen zu Höchstzinsen und niedrigen Kursen gekauft und können diese jetzt zu „Puffpreisen“ an die EZB verscherbeln. Die meisten werden aus Anleihen aussteigen und ihr Glück in Realwerten wie Aktien, Edelmetallen, Rohstoffen und Immobilien suchen. Das wird nicht nur in Europa so laufen, sondern auch in den USA und England.
Mit der neuen Lockerungsrunde greift auch die amerikanische Notenbank ähnlich verzerrend in die Märkte ein wie die EZB. Die Fed will nun so lange unbegrenzt Geld drucken, bis die Konjunktur wieder läuft. Weltweit warnen Experten vor dramatischen Inflationsraten, wenn die Weltwirtschaft irgendwann wieder anziehen sollte. Ist Inflation also der Preis, der bezahlt werden muss, um die europäischen Peripheriestaaten und den US-Immobilienmarkt zu retten?
Ja, das sehe ich so. Die Gesamtverschuldung liegt in Großbritannien bei mittlerweile 500 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, in Deutschland bei fast 300 Prozent und in den USA bei knapp 400 Prozent. Die Bürger müssen diese Schulden finanzieren: Die eigenen selbst, die des Staates über die Steuern und die der Industrie über die Warenpreise. Eine starke Inflationierung wird also notwendig sein, um die Gesamtverschuldung der westlichen Welt in den Griff zu bekommen.
Der Begriff „Finanzielle Repression“ macht unter namhaften Finanzexperten die Runde. Gemeint ist damit eine schleichende Enteignung von Sparern und Anlegern, indem die Zinsen durch Markteingriffe unter die Inflationsrate gedrückt werden. Damit die so geschröpften Sparer nicht flüchten, könnten Kapitalverkehrskontrollen, Zwangsabgaben und Strafsteuern eingeführt werden – insbesondere eine Gefahr für Besitzer von Rendite-Immobilien. Wie wahrscheinlich ist ein solches Szenario aus Ihrer Sicht?
Sehr wahrscheinlich. Ein Teil der Schulden und Guthaben werden gegeneinander neutralisiert, also inflationiert. Eine solche Inflationspolitik machte aber eigentlich nur Sinn, wenn gleichzeitig das zusätzlich geschöpfte Geld auch dazu eingesetzt würde, Konjunkturpakete zu finanzieren und den Arbeitsmarkt zu stimulieren. Daraus könnten dann Wachstumsimpulse entstehen. Wir werden jedoch eine Phase der Inflation sehen, die nicht einhergeht mit steigender Wirtschaftsleistung und weniger Arbeitslosen. Das Gegenteil wird der Fall sein: Wir werden eine Stagflation bekommen, also eine schrumpfende Wirtschaft, zunehmende Arbeitslosigkeit und gleichzeitig steigende Preise. Eine Katastrophe für die Bevölkerung!
Viele Anleger setzen auf Kaufkrafterhalt, Renditen treten in den Hintergrund. Immer mehr greifen zur Anti-Inflationswährung schlechthin, dem Gold. Das Edelmetall verteuerte sich in der vergangenen Woche auf über 1777 Dollar je Feinunze und war damit so teuer wie zuletzt Ende Februar. Welche Prognose wagen Sie derzeit für die Entwicklung des Goldpreises?
Die Metallpreise werden vor dem Hintergrund des gerade vorhin formulierten Szenarios deutlich anziehen. Aber Anleger müssen auch bei den Edelmetallen jederzeit mit Korrekturen rechnen – eine Gelegenheit nachzukaufen.
Welche Assetklassen eignen sich neben Gold prinzipiell zum Vermögensschutz bei hoher Papiergeldentwertung?
Ich investiere momentan ausschließlich in Aktien und Edelmetalle, weil ich nur diese Sachwerte für den Fall absichern kann, dass die Märkte noch einmal stark korrigieren. Das ist mit Immobilien und anderen Sachanlagen nicht möglich. In normalen Zeiten rate ich zu breiterer Streuung. Aber wir haben keine normalen Zeiten. Die Krise wird uns noch Jahre begleiten.
Nach der Mega-Pleite von Lehman Brothers vor genau vier Jahren haben sich die Spielregeln für Banken geändert. Die Eigenkapitalvorschriften wurden verschärft, die Boni zumindest kritisch hinterfragt und die Kontrolle sowie der Anlegerschutz verbessert. Die Deutsche Bank hat nun ihr Renditeziel deutlich heruntergeschraubt und dies als Kulturwandel verkauft. Ist das ein reiner PR-Gag oder tut sich aus Ihrer Sicht wirklich etwas in der Finanzwelt?
„Wohl hör´ ich die Worte, doch fehlt mir der Glaube!“ Wenn ich sehe, dass die Deutsche Bank eine Bilanzsumme von aktuell 2,3 Billionen Euro hat bei einem mickrigen Eigenkapital von 38 Milliarden Euro, dann sind wir noch Welten von einer nachhaltigen Finanzwelt entfernt.
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Dirk Müller alias „Mister Dax“ ist einer der gefragtesten Börsenexperten in TV-Interviews, Vorträgen und Zeitungsberichten. Anfang 2009 erschien sein Bestseller C(r)ashkurs, in dem er über die Hintergründe der Börsen-‐ und Finanzwelt aufklärt und die Missstände unseres Wirtschaftssystems deutlich ausspricht. Am 12. September erschien sein zweites Buch Cashkurs – ein Finanzratgeber für Einsteiger und Fortgeschrittene. Dirk Müller ist Geschäftsführer der Finanzethos GmbH und außerdem Betreiber der Internetseite cashkurs.com, wo er sich ebenfalls das Ziel gesteckt hat, die Menschen über Hintergründe und Zusammenhänge der Wirtschaft und Finanzmärkte aufzuklären.
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