Börsenstar Robert Halver: Ein Crash ist sehr unwahrscheinlich
Robert Halver wagt im Interview einen Ausblick ins kommende Börsenjahr. Einen Aktien-Crash schließt er nahezu aus. Er glaubt an eine deutliche konjunkturelle Aufhellung und bessere Unternehmensgewinne.
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von Benjamin Summa
Herr Halver, Anfang August 2013 sagten Sie im Interview mit finanzen.net einen Jahresschlussstand beim Dax von 8.800 Punkten voraus - damals notierte der Leitindex bei 8.300 Punkten. Jetzt stehen wir bei rund 9.300 Punkten. Gehen Sie auch ins neue Jahr hoffnungsfroh?
Robert Halver: Ich gehe grundsätzlich hoffnungsfroh ins neue Jahr, auch wenn wir aller Voraussicht nach 2014 sehr viel stärkere Schwankungen an den Aktienmärkten erleben werden, da die Eurokrise nicht vorbei ist und die Schuldenorgien weitergehen werden. Insgesamt wirken aber zwei massive Unterstützungsfaktoren: Zum einen die extrem üppige Geldpolitik in den USA, Europa und Japan sowie die Erholung der Weltkonjunktur, die sich jetzt schon in den Frühindikatoren deutlich abzeichnet.
Die Zinsen werden immer weiter gesenkt, zudem pumpen die Notenbanken weltweit Billionen Euro in die Märkte. Der positive Nebeneffekt: Die Aktienkurse sind explodiert. Welche negativen Effekte hat diese Politik?
Die Abhängigkeit der Finanzmärkte von der Droge "Geld" nimmt immer mehr zu. Wir haben uns regelrecht daran gewöhnt. Die entscheidende Frage ist, wie man jemals wieder die extreme Geldmengenausweitung zurückfahren will. Der Entzug wird mit jedem Tag schwieriger. Ich glaube, dass das nie wieder wirklich gelingen wird, weil ansonsten die Kapitalmärkte und vor allem die Weltkonjunktur massiven Schaden nehmen würden. Das wird keine Notenbank riskieren.
Wie hoch schätzen Sie die Gefahr eines Crashs in den kommenden zwölf Monaten ein?
Die Crashgefahr ist nur eine theoretische Größe, praktisch aber nicht wahrscheinlich. Zwar sind früher Liquiditätsblasen an den Aktienmärkten - siehe die Dotcom-Euphorie 2000 oder die Immobilienhausse 2008 - durch Restriktionen der Notenbanken, insbesondere durch Zinserhöhungen zerstört worden, wegen der schwelenden Euro-Krise aber wird sich an der geldpolitischen Vollkaskoversicherung von Mario Draghi noch lange nichts ändern. Sicherlich kann es 2014 Konsolidierungsdellen geben, aber wahrscheinlich keine wirklich schmerzhaften Beulen. Wer auf die Zinswende der EZB wartet, kann auch darauf warten, dass Streuobstwiesen unkrautfrei werden.
In den vergangenen Tagen wurden aus den USA ordentliche Konjunkturdaten gemeldet und ein neuer US-Budgetkonflikt in den USA ist vom Tisch. Insofern war der Beginn der Rückführung der Staatsanleihenaufkäufe durch die US-Notenbank folgerichtig. Wie geht es geldpolitisch in den USA weiter? Und wie sieht die zukünftige Notenbankpolitik in der Eurozone aus, wo sich die konjunkturelle Stimmung etwas erholt hat?
Es wurden Tatsachen geschaffen. Endlich ist die Katze aus dem Sack. Da die Drosselung der Liquiditätszuführung in den USA jedoch nur homöopathisch erfolgen wird, bleibt es bei der ultralockeren Geldpolitik. Insgesamt wird die Finanzwelt auch nach dem Tapering-Beginn in Liquidität ertrinken. Denn die Fed und ihre neue Notenbankchefin wissen genau, dass sie Fürsorge nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Welt, insbesondere für die Emerging Markets, wahrnehmen müssen. Insofern ist ihre feine Gelddiplomatie gefragt. Auch Amerika hat demnächst seine Mutti.
Beruhigend ist für die Finanzmärkte insbesondere, dass das geldpolitisch wirklich restriktive Instrument - Zinserhöhungen - noch in weiter Ferne liegt. Es gibt keine logische Konsequenz zwischen dem Tapering und nachfolgenden Zinsrestriktionen. Damit können die Aktienmärkte insgesamt gut leben und im Trend weiterlaufen.
Die EZB hat nicht die geringste Veranlassung, ihre offensiven Zins- und Liquiditätsmaßnahmen einzuschränken. Im Gegenteil, die hoch verschuldeten und konjunkturell noch schwachen Euroländer sowie die eigenkapitalschwachen Banken brauchen eine noch dynamischere Geldpolitik der EZB und werden diese auch erhalten.
Wird sich eine konjunkturelle Erholung im kommenden Jahr auch positiv auf die Gewinne der Unternehmen auswirken?
Im kommenden Jahr kann aufgrund der weltkonjunkturellen Beschleunigung bei weiterer Rationalisierung durchaus mit einem deutschen Gewinnwachstum von durchschnittlich 12 Prozent gerechnet werden. Das kommt deutschen Unternehmen mit Exportfantasie zugute. Damit würden sich auch die aktuell sportlichen Bewertungen der Aktienmärkte wieder entspannen und somit hat der Aktienmarkt 2014 die Kraft der zwei Herzen: Liquidität und Gewinne.
Viele Aktien sind bereits prima gelaufen, am Immobilienmarkt entwickeln sich Blasen und mit Anleihen kann man in Zeiten mickriger Zinsen keine gute Rendite einfahren. Kurzum: Für die meisten Menschen ist das Thema "Geldanlage" derzeit eine große Herausforderung. Welche Strategie würden Sie Menschen ohne Expertenwissen empfehlen?
Das große Problem ist, dass die Sparer, die nach wie vor noch überwiegend in Geldwerten investiert sind, sich derzeit Jahr für Jahr entsparen. Sie werden entreichert. Die Zinsen sind einfach zu niedrig und die tatsächliche Inflation ist bei vier Prozent und nicht wie offiziell ausgewiesen bei 1,3 Prozent. Aktien sind - gerade auch zum Aufbau einer vernünftigen Altersvorsorge - unverzichtbar. Naturgemäß sind Aktien zwar mit Risiken verbunden. Hierbei ist ein Königsweg das regelmäßige Ansparen. Hält man das durch, egal ob die Sonne scheint oder ob es stürmt und schneit, reduzieren die Aktienanleger das Risiko, den falschen Kaufzeitpunkt zu erwischen. Und nur so können die Sparer den sogenannten Cost-Average-Effekt ausnutzen: Wenn die Kurse steigen, freuen sie sich über ein gestiegenes Vermögen. Wenn die Kurse fallen, bekommen sie für das gleiche Geld mehr Aktienanteile. Überhaupt, die laufenden Erträge, die früher über Zinsen erzielt wurden, sollten jetzt über Aktien mit hoher Dividendenrendite kommen. Grundsätzlich sind europäische Substanzwerte zu empfehlen - übrigens auch die aus der Euro-Südzone. In den USA ist der Konsum- und Technologiesektor interessant. Japanische Titel haben aufgrund der geldpolitischen Offensive nach wie vor die Kaufargumente auf ihrer Seite. Nicht zuletzt dürften die Emerging Markets wieder verbesserte Konjunkturdaten zeigen.
Bitte schätzen Sie folgende Branchen-Aktien mit einem Satz ein …
Aktien von Versorgern:
Die Versorger könnten 2014 die Überraschungsbranche werden, da sie "systemrelevant" für die SPD sind. Vor allem im SPD-regierten NRW stehen Kohlekraftwerke, und RWE und Eon sind starke Arbeitgeber in dieser Region. Die neue Bundesregierung mit SPD-Beteiligung wird den Versorgern vermutlich nicht so stark die Daumenschrauben anziehen.
Finanzwerte wie Deutsche Bank:
Diese dürften sich in der zweiten Jahreshälfte 2014 besser entwickeln. Dann kommt die gesamte Branche in ruhigeres Fahrwasser. Die Stresstests sind dann vorüber und die Aufsicht über zunächst 130 Banken der Eurozone wird dann bei der EZB angesiedelt sein, die die Liquiditätsproblemerkennung und die Liquiditätsproblembeseitigung in Personalunion betreibt.
Rohstoff-Aktien:
Hier bin ich zunächst vorsichtig. Derzeit kann der Rohstoffbedarf in den Emerging Markets gut selbst gedeckt werden. Wir brauchen tatsächlich bessere Konjunkturaussichten, die für das zweite Halbjahr 2014 zu erwarten sind.
Emerging Markets:
Aktien der Schwellenländer sind günstig bewertet, doch ihre unreflektierte Sturm-und-Drang-Zeit ist vorbei. Die Selektion ist entscheidend: Anleger sollten auf China, Thailand, Südkorea und Malaysia setzen, Länder also, die neben dem Export und Investitionen mittlerweile auch über eine stärkere Binnenkonjunktur verfügen.
Blue-Chips:
Solche Aktien gehören strategisch in jedes Depot. Die großen Substanztitel werden auch künftig neben der ultralaxen Geldpolitik von der steigenden Weltbevölkerung, der stabilen Weltkonjunktur und ihrer Wettbewerbsstärke profitieren.
Zum ersten Mal seit 2001 wird der Goldpreis in US-Dollar 2013 wohl im Minus abschließen. Einige Analysten unken bereits, dies sei der Beweis dafür, dass der Mythos als unkaputtbare Währung zerstört sei. Wie sehen Sie das?
Nein, der Mythos von Gold ist nicht zerstört. Einbahnstraßen nach oben gibt es bei keiner Anlageklasse. Gold leidet unter der Golddrückung der Notenbanken und erfährt momentan aufgrund eines professionellen geldpolitischen Krisenmanagements weniger Beachtung. Aber die Krisen sind nicht vorbei, sondern nur mit neuen Schulden und durch die Geldpolitik nett eingepackt. Längerfristig können diese künstlichen Befruchtungen jedoch keine auf Reformen und Investitionen basierenden, also nachhaltig wachsende Volkswirtschaften ersetzen. Die Bonität der Staatshaushalte der westlichen Welt wird sich weiter verschlechtern und der wirkliche Liquiditätsentzug nicht mehr gelingen. Damit hat Gold, aber auch Silber, nach wie vor eine exzellente Funktion als Werterhaltungsmittel. Sie dienen der Depotversicherung bis zehn Prozent des liquiden Anlagevermögens.
Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist Unternehmenssprecher der pro aurum OHG, München
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