Im Interview

Prof. Max Otte: "Der Brexit wäre ein schöner Traum"

22.06.16 17:22 Uhr

Prof. Max Otte: "Der Brexit wäre ein schöner Traum" | finanzen.net

Prof. Max Otte im Interview mit finanzen.net über den "Traum vom Brexit" und was Anleger jetzt tun sollten.

finanzen.net: Am 23. Juni stimmen die Briten über ihren Verbleib in der Europäischen Union ab. Herr Prof. Otte, rechnen Sie mit einem "Brexit"?

Prof. Max Otte: Der Brexit wäre ein schöner Traum. Er wäre eine Riesenchance für die EU, ihre falschen und dysfunktionalen Strukturen zu reformieren. Ein Kerneuropa, wie von Wolfgang Schäuble 1994, vorgeschlagen und von Helmut Kohl abgelehnt, hätte viele Vorteile. Der Rest der EU könnte endlich enger zusammenwachsen. Auch Deutschland Position würde gestärkt.
Großbritannien hat sich aufgrund seiner lange stolzen kolonialen Tradition nie wirklich als Teil Europas gesehen, sonder eher als Richter über das Schicksal Europas - Stichwort: "Balance of Power". Großbritannien hat eine sehr eigene Identität, und viele Entscheidungsprozesse behindert. Immer wieder hat Großbritannien Sonderregelungen verlangt. Bis heute gehört England nicht zur Eurozone, aber Englisch ist die Haupt-Amtssprache der EU. Diese Trittbrettfahrerei könnte nach einem Brexit aufhören. Zum Nutzen aller.
Aber der Brexit wird - leider - nicht kommen. Die Medienmacht und die Finanzeliten stehen hinter der EU in ihrer jetzigen Form. Bereits im Falle des Referendums zur schottischen Unabhängigkeit schrieben 16 von 17 schottischen Tageszeitungen gegen die Unabhängigkeit und gegen das eigene Volk, denn im Zweifel steht man den großen Werbekunden näher. Bezahlte Regierungswerber zogen von Haustür zu Haustür, um alten Menschen einzureden, dass sie ihre Pensionen verlieren, wenn sie für die schottische Unabhängigkeit stimmen. Bei der Frage des Brexit sind die Kräfteverhältnisse ähnlich. Er wird daher ein schöner Traum bleiben.

finanzen.net: Welche Marktreaktionen erwarten Sie im Falle eines "Brexit"?

Prof. Max Otte:Die EZB könnte sich gezwungen sehen, die Zinsen heraufzusetzen. Das wiederum würde in der jetzigen angespannten Weltlage zu Insolvenzen von Staaten und Unternehmen führen. Es könnte sich die nächste Finanzkrise entwickeln.

finanzen.net: Angenommen die Briten entscheiden sich für den Verbleib in der EU. Wie schätzen Sie die Reaktionen des Marktes in diesem Szenario ein?

Prof. Max Otte: Der Brexit war eingepreist. Kaufen Sie europäische Aktien, weil der Brexit nicht kommen wird. Die Kurse werden nach oben gehen.

finanzen.net: Wozu würden Sie Anlegern im aktuellen Marktumfeld raten?

Prof. Max Otte: Weiter eine hohe Aktienquote fahren und auch Gold halten. Mit Geldforderungen können Sie auf Dauer nur verlieren.

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Redaktion finanzen.net

Bildquellen: Oliver Schmauch