IPO im Anflug

Börsengang: #twitter - Wall Street auf Vogeljagd

05.11.13 03:00 Uhr

Übermorgen geht Twitter an die Börse. Im Vorfeld ist die Aufregung groß. Während einige Wall-Street-Gurus eine Kursrally erwarten, ist der Konzern noch auf der Suche nach der Strategie der Zukunft.

Werte in diesem Artikel
Aktien

159,02 EUR -0,82 EUR -0,51%

538,20 EUR 4,50 EUR 0,84%

397,15 EUR -2,15 EUR -0,54%

Indizes

20.804,9 PKT 28,7 PKT 0,14%

19.054,8 PKT 51,2 PKT 0,27%

2.873,3 PKT 4,2 PKT 0,15%

5.987,4 PKT 18,0 PKT 0,30%

von Nele Husmann, Euro am Sonntag

Der Aktienkurs von Twitter wird sich innerhalb des ersten Monats verdoppeln — oder schon früher“, twitterte der US-Aktienguru Doug Kass am vergangenen Montag — und sorgt seitdem für heftige Diskussionen innerhalb und außerhalb der Twitter-Welt. Schließlich verfolgen über 68.000 Menschen, was Kass mit maximal 140 Zeichen so alles von sich gibt. Selbst das „Wall Street Journal“ hat seinen Kommentar in der Berichterstattung über den spektakulärsten Börsengang (IPO) seit Facebook aufgegriffen.

Dabei versucht das Twitter-Management auf Teufel komm raus, einen Erfolg zu garantieren und Fehler wie beim Facebook-IPO zu vermeiden: So wird die Aktie moderat zwischen 17 und 20 Dollar angeboten. Damit wird Twitter maximal ­11,1 Milliarden Dollar wert sein, deutlich weniger als Google oder Facebook zum Zeitpunkt ihres Börsengangs. Und die New York Stock Exchange stellte in einem Stresstest sicher, dass ihre Systeme einem Ansturm wie bei Facebook standhalten würden.

Spannung zum ersten Tag
Viele Investoren an der Wall Street rechnen damit, dass die Kurse nach dem Börsenstart am Donnerstag kräftig steigen. Langfristig ist jedoch eine andere Frage relevanter: Wie will der Konzern mit dem niedlichen Vogellogo dauerhaft Geld verdienen? Denn noch macht er — anders als Facebook — enorme Verluste.

Twitter bietet im Prinzip einen simplen Dienst an: Einmal angemeldet, können Nutzer vom PC oder Handy aus auf einer Länge von maximal 140 Zeichen alles mögliche „tweeten“ (zwitschern): Was man gerade liest, wenn man wo gesehen hat oder was man von einer bestimmten Aktie hält. Man kann ­dabei auf andere Webseiten hinweisen, Fotos einbauen oder auf Videos verlinken. Alle, die sich für die Kurznachrichten der betreffenden Person (oder einer Firma) interessieren, erhalten als sogenannte Follower sämtliche Tweets des Absenders. Auch €uro am Sonntag hat einen Twitterkanal. 7.890 Follower verfolgen momentan unsere Kurznachrichten.

Dass Twitter weit entfernt ist von schwarzen Zahlen, ist nicht der einzige problematische Aspekt. Auch anhand anderer Statistiken steht Twitter wesentlich schlechter da als ­andere Konzerne vor dem Börsengang. Google zum Beispiel wurde mit einem Preis von 12,3 Dollar je Dollar Umsatz bewertet, das Berufsnetzwerk LinkedIn mit 14,5 und Facebook mit 26. Bei Twitter sind es satte 28,6 Dollar.

Bei Google lag der Umsatz je Mitarbeiter im vergangenen Jahr vor dem ­Börsengang bei 980.000 Dollar, bei ­Facebook sogar bei 1,2 Millionen Dollar, bei Twitter sind es nur 224.000 Dollar. Besonders besorgniserregend ist jedoch, dass Twitter allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres 134 Millionen Dollar Verlust machte. Google verdiente im Jahr vor dem IPO 144 Millionen Dollar, Facebook 974 Millionen Dollar.

Twitter nennt sich selbst eine „globale Plattform für öffentliche Selbstdarstellung und Echtzeitkonversation“. Bezüglich des Geschäftsmodells funktionieren die Kalifornier aber eher wie ein Fernsehsender. Wie die TV-Anstalten verkauft Twitter Anzeigen zu Inhalten, die von Dritten (in diesem Fall von Twitter-Nutzern) beigesteuert werden. Der Anzeigenvertrieb macht derzeit 87 Prozent des Umsatzes aus.

Angesichts dessen, dass immer mehr Anzeigenkunden digital werben, ist das an sich nicht schlecht. Jedoch bevorzugen Investoren eine breitere Basis. So setzt der US-Fernsehsender CBS alles daran, nicht mehr so abhängig von Werbespots zu sein. 2007 machten diese 72 Prozent des Umsatzes aus. Heute sind es nur noch 57 Prozent, während mehr Geld mit Onlinestreaming und internationaler Vermarktung verdient wird. Es ist kein Zufall, dass die Aktie auf Allzeithoch notiert.

Problematisch für Twitter ist zudem, dass zweimal mehr Nutzer im Ausland wohnen als in den USA. Und im Ausland kann der Microblog-­Service weit weniger Anzeigen verbuchen als auf dem Heimatmarkt, wo die Hinwendung zu digitalen Medien viel stärker fortgeschritten ist.

Neue Einkommensquelle
Inzwischen hat das Management reagiert und eine zweite Einkommensquelle erschlossen: Es lizenziert Daten, die durch die Tweets veröffentlich werden, an sogenannte Datenweiterverkäufer. Diese bereiten die Daten auf und verkaufen sie weiter — unter anderem an Großkonzerne wie Dell, IBM oder Oracle. Das Konzept hat Charme. 230 Millionen aktive Nutzer tragen pro Tag (!) 500 Millionen Nachrichten zusammen. Wer hier einzelne Strömungen von Meinungen und Interessen herauslesen kann, schafft großen Mehrwert. So legte das Management von Justin Bieber anhand einer Aus­wertung der Twitter-Daten fest, an welchen Orten der US-Teenie­star bei seiner Türkei-Tournee auftreten soll, um möglichst viele Fans zu erreichen — und somit den größtmöglichen Profit zu erzielen.

Von weltweit 2,4 Milliarden Menschen, die ans Internet angeschlossen sind, erreicht Twitter bislang weniger als zehn Prozent. Facebook dagegen hat über 1,1 Milliarden Nutzer. Insofern ist da noch viel Platz für Wachstum. Andererseits lebt ein Drittel der Twitter-Nutzer in den USA. Das wiederum ist ein Problem. Denn da davon auszugehen ist, dass jeder Amerikaner mit Internet­verbindung von Twitter gehört hat, dürfte sich der Rest aktiv gegen den Kurznachrichtendienst entschieden haben. Weiteres Wachstum auf dem Heimatmarkt ist deshalb schwierig.

Kooperation mit TV-Sendern
Das Dilemma hat auch Konzernchef Dick Costolo erkannt. Um noch mehr Amerikaner anzusprechen, will Twitter in dem Medium relevanter werden, für das die US-Bürger noch immer die größte Leidenschaft hegen: das Fernsehen. So taucht das Wort „TV“ 42-mal im Prospekt zum Börsengang auf. Costolos Idee: Die Zuschauer sollen ihre Meinungen tweeten, während sie ihre Lieblingssendungen im TV anschauen. Dafür hat Twitter bereits Kooperationen mit Fernsehsendern wie A+E und The Weather Channel geschlossen. Der Konzern erhofft sich, dieselben Werbekunden zu gewinnen wie die Sender selbst. Im Gegenzug bewirbt Twitter einzelne TV-Shows, indem deren Clips via Tweet verschickt werden.

Ob das Konzept aufgeht, wird sich zeigen. Dasselbe gilt für die Prognose von Börsenguru Kass. Skepsis und Euphorie liegen vor dem Börsengang jedenfalls dicht beieinander.

Unfreier Vogel
Strenge Vorgaben des Konzerns

Der Twitter-Vogel, Markenzeichen des Konzerns, ist ein Gefangener seiner selbst. Der Konzern hat strikte Regeln erlassen, wie das Logo einzusetzen ist. Demnach
— darf der Vogel nur nach rechts schauen,
— ist das Drehen oder Spiegeln des Vogels untersagt,
— dürfen keine Sprechblasen oder Wörter um den Vogel herum verwendet werden,
— sind Mehrfachabbildungen verboten,
— darf die Farbe nicht verändert werden,
— sind andere Logos verboten, um Twitter zu repräsentieren,
— müssen 150 Prozent Freiraum um den Vogel herum eingeräumt werden

Starke Entwicklung
Die Grafik zeigt: Alle großen US-Internetfirmen sind heute mehr wert als beim Börsengang (IPO).

Neuemission Twitter Schwierige Bewertung Twitter ist der bedeutendste Börsengang in der Internet-Branche seit Facebook. Gemessen am Umsatz wächst der Konzern rasant. In den ersten neun Monaten stiegen die Erlöse auf 422 Millionen Dollar, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. Allerdings schossen die Verluste von 70,7 auf 133,9 Millionen in die Höhe. Für das Gesamtjahr werden knapp 600 Millionen Dollar Umsatz erwartet, 2014 sollen es 950 Millionen sei. Experten gehen davon aus, dass frühestens ab 2015 die Gewinnschwelle erreicht wird. Gemessen daran sind 11,1 Milliarden Dollar Börsenwert ganz schön happig. Andererseits: Alle Internetfimen sind heute zum Teil deutlich mehr Wert als beim Börsengang. jos Fazit: Anleger sollten die zu erwartenden Turbulenzen der ersten Handelstage abwarten. Investor-Info Facebook Starkes Wachstum, teure Aktie Das sind Margen: Im jüngsten Quartal stieg der Umsatz um 60 Prozent auf 2,0 Milliarden Dollar, der Gewinn lag bei satten 422 Millionen. Die Zahlen fielen klar besser aus als erwartet. Die Aktie ist extrem schwer einzuschätzen: Die jungen Nutzer fangen offenbar an sich abzuwenden, gleichwohl steigen die Werbeeinnahmen massiv an. Sämtliche Analysten sind optimistisch und sehen deutliches Kurspotenzial — trotz der hohen Bewertung. Spekulativ.jos Google Immer mehr Angebote Am 18. Oktober sprang die Google-Aktie erstmals über die 1000-Dollar-Marke. Der Konzern, weit mehr als lediglich eine Internetsuchmaschine, ist inzwischen fast 350 Millionen Dollar wert. Doch angesichts jährlicher Wachstumsraten von 20 Prozent ist die Aktie bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 immer noch nicht zu teuer. Ständig neue Geschäftsmodelle mit guten Margen machen die Aktie langfristig weiter attraktiv. Kaufen.jos

Ausgewählte Hebelprodukte auf Alphabet A (ex Google)

Mit Knock-outs können spekulative Anleger überproportional an Kursbewegungen partizipieren. Wählen Sie einfach den gewünschten Hebel und wir zeigen Ihnen passende Open-End Produkte auf Alphabet A (ex Google)

NameHebelKOEmittent
NameHebelKOEmittent
Wer­bung

Nachrichten zu Twitter

Analysen zu Twitter

DatumRatingAnalyst
11.07.2022Twitter HoldJefferies & Company Inc.
17.05.2022Twitter HoldJefferies & Company Inc.
14.04.2022Twitter HoldJefferies & Company Inc.
17.11.2021Twitter SellGoldman Sachs Group Inc.
13.09.2021Twitter SellGoldman Sachs Group Inc.
DatumRatingAnalyst
10.02.2021Twitter overweightJP Morgan Chase & Co.
16.12.2020Twitter overweightJP Morgan Chase & Co.
20.07.2020Twitter buyGoldman Sachs Group Inc.
01.05.2020Twitter buyGoldman Sachs Group Inc.
03.04.2020Twitter buyGoldman Sachs Group Inc.
DatumRatingAnalyst
11.07.2022Twitter HoldJefferies & Company Inc.
17.05.2022Twitter HoldJefferies & Company Inc.
14.04.2022Twitter HoldJefferies & Company Inc.
21.07.2020Twitter HoldDeutsche Bank AG
07.02.2020Twitter HoldJefferies & Company Inc.
DatumRatingAnalyst
17.11.2021Twitter SellGoldman Sachs Group Inc.
13.09.2021Twitter SellGoldman Sachs Group Inc.
26.10.2018Twitter UnderweightBarclays Capital
27.07.2018Twitter SellPivotal Research Group
11.07.2018Twitter ReduceNomura

Um die Übersicht zu verbessern, haben Sie die Möglichkeit, die Analysen für Twitter nach folgenden Kriterien zu filtern.

Alle: Alle Empfehlungen

Buy: Kaufempfehlungen wie z.B. "kaufen" oder "buy"
Hold: Halten-Empfehlungen wie z.B. "halten" oder "neutral"
Sell: Verkaufsempfehlungn wie z.B. "verkaufen" oder "reduce"