Schäuble schließt ungeplanten Euro-Austritt Griechenlands nicht aus
Wolfgang Schäuble (CDU) hält einen ungeplanten Austritt Griechenlands aus der Eurozone nicht für ausgeschlossen.
Er könne einen solchen Fall "nicht ausschließen", sagte Schäuble am Donnerstagabend dem Österreichischen Rundfunk. "Da ja die Verantwortung, die Möglichkeit, zu entscheiden was passiert, nur bei Griechenland liegt, und da wir nicht so genau wissen, was die Verantwortlichen in Griechenland tun, können wir es nicht ausschließen", sagte Schäuble in dem Interview. Europa sei bereit, Griechenland zu helfen, "aber Griechenland muss bereit sein, sich helfen zu lassen".
Eine Sprecherin des Finanzministeriums erklärte dazu, niemand wolle, dass Griechenland aus dem Euro ausscheide. Man müsse aber auch betonen, dass Griechenland jetzt am Zug sei. Es gebe keinen Blankoscheck für Athen. Leistungen gebe es nur bei Gegenleistung. Konkrete Fallszenarien für einen Ausstieg Griechenlands habe das Ministerium nicht.
Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Schäuble in Wien hatte sich zuvor auch der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling besorgt über ein versehentliches Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone gezeigt. Die Unerfahrenheit der griechischen Regierung erhöhe "das Risiko eines möglichen Unfalls", sagte Schelling bei der Diskussionsveranstaltung.
Die Euro-Länder hatten das Hilfsprogramm für das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland Ende Februar um nochmals vier Monate verlängert. Athen muss im Gegenzug bis Ende April ein belastbares Reformprogramm vorlegen, um weitere finanzielle Unterstützung zu erhalten. Die Verhandlungen dazu gestalten sich bisher schwierig.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte am Freitag nach einem Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in Brüssel, er schließe ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone und ein Scheitern der Verhandlungen "vollkommen aus". Er sei aber "mit den Entwicklungen der letzten Wochen nicht zufrieden".
Auch sonst liegen die Nerven im Streit über die Hilfszahlungen für Griechenland langsam blank. Nach einer offiziellen Beschwerde der Hellenen über Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble trat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bei einem Krisengipfel in Brüssel am Freitag auf die Bremse. Er habe den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras gebeten, seine Minister besser unter Kontrolle zu halten, sagte Schulz.
Schulz bezog sich nicht konkret auf angebliche Äußerungen Schäubles und der griechischen Beschwerde, die Athen beim Auswärtigen Amt vorgebracht hatte. Die Stoßrichtung des SPD-Politikers war jedoch eindeutig. In einem N24-Interview sagte Schulz, er habe Tsipras "klipp und klar gesagt: Du hast in Deiner Regierung einige Minister, denen musst Du einfach mal sagen, dass man sich manchmal auch zurückhalten muss". Tsipras habe ihm das zugesagt.
Offiziell Beschwerde über Schäuble
Am Donnerstag hatte sich der griechische Botschafter in Berlin im Auswärtigen Amt offiziell über Schäuble beschwert. Die sogenannte Demarche ging telefonisch ein, man habe sie "zur Kenntnis" genommen, sagte eine Außenamtssprecherin.
Welche Äußerung die Beschwerde auslöste, wollte die deutsche Seite nicht sagen. Griechischen Medienberichten zufolge geht es um eine Bemerkung Schäubles beim EU-Finanzministertreffen in Brüssel. Der Minister soll seinen griechischen Amtskollegen Yanis Varoufakis als "dümmlich naiv" bezeichnet haben. Schäuble bestreitet das.
Thema Reparationszahlungen
Martin Schulz verwies noch auf einen anderen Aspekt im laufenden Streit. Er habe Tsipras gesagt, dass es völlig kontraproduktiv sei, dass der größte Geldgeber bei der Bewältigung der griechischen Schuldenkrise, also Deutschland, mit Reparationsforderungen konfrontiert werde. Es sei gefährlich, beide Dinge miteinander zu vermischen. "Ich bin froh, dass der Ministerpräsident das genauso sieht", sagte Schulz. Tsipras hatte erst am Mittwoch in einer Rede die Forderungen bekräftigt, die nach griechischem Verständnis aus der Zeit der deutschen Besatzung des Landes im Zweiten Weltkrieg herrühren.
Tsipras sieht alle in der Pflicht
Tsipras reagierte in Brüssel eher verhalten auf die Aufforderungen zum Maßhalten. Sein Land habe damit begonnen, seine Verpflichtungen so zu erfüllen, wie es die Eurogruppe fordere, sagte er. Griechenland versuche, seinen Teil zu tun und erwarte dies im Gegenzug auch von seinen Euro-Partnern. "Ich bin optimistisch, dass wir zu einer Lösung kommen werden", sagte Tsipras.
Gleichzeitig wollte er die Schuld für den derzeitigen Krach zwischen Athen, Brüssel und Berlin nicht allein in seiner Regierung sehen. Es gebe kein griechisches Problem, "es ist ein europäisches Problem", sagte Tsipras.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beschwor derweil erneut den Zusammenhalt im Euroraum. "Ich schließe ein Scheitern vollkommen aus", sagte Juncker in Brüssel mit Blick auf die laufenden Verhandlungen. Er sei aber "mit den Entwicklungen der letzten Wochen nicht zufrieden". Er werde Tsipras deshalb "eine Reihe von Vorschlägen machen", sagte Juncker.
Hellenen überweisen an den IWF
Die Euro-Länder hatten das Hilfsprogramm für das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland Ende Februar um nochmals vier Monate verlängert. Athen muss im Gegenzug bis Ende April ein belastbares Reformprogramm vorlegen, um weitere finanzielle Unterstützung zu erhalten. Die Verhandlungen dazu gestalten sich bisher schwierig. Eine Sprecherin des Finanzministeriums in Berlin erklärte, man habe noch keinerlei Überblick über die Haushaltslage des griechischen Staates.
Zumal das Land finanziellen Verpflichtungen hat. So muss Athen unter anderem im März insgesamt 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) überweisen. Eine erste Rate von 310 Millionen Euro war vor einer Woche gezahlt worden. Am Freitag sollten weitere 340 Millionen Euro auf den Weg gehen. "Der Überweisungsauftrag ist gegeben", sagte Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis.
Wegen des Verhaltens der griechischen Regierung in der Schuldenkrise sinkt dem ZDF-Politbarometer zufolge die Zustimmung der Bundesbürger zu einem Verbleib des Landes im Euro: In der am Freitag veröffentlichten Umfrage sprechen sich 52 Prozent gegen einen Verbleib des krisengeschüttelten Landes in der Gemeinschaftswährung aus. Im Februar waren es noch 41 Prozent gewesen. Im Gegenzug wollen nur noch 40 Prozent, dass Griechenland den Euro behält. Zwei Wochen zuvor waren es noch 52 Prozent gewesen.
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March 13, 2015 06:55 ET (10:55 GMT)
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