Euro am Sonntag-Interview

Gottfried Heller: Verlieb dich nie in eine Aktie

aktualisiert 06.11.12 17:35 Uhr

Gottfried Heller - er gehört zu den bekanntesten ­Vermögensverwaltern Deutschlands. Jetzt hat er seine in 40 Jahren gesammelten Erfahrungen in einem Buch ­zusammengefasst. Der Börsenveteran über Erfolge, Misserfolge und die Zukunft Europas.

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von Wolfgang Ehrensberger, Euro am Sonntag

Sein Büro hat Gottfried Heller noch immer nahe dem Ma­rien­platz in München — im fünften Stock jenes Gebäudes, in dem auch die von ihm mitgegründete Fiduka-Vermögensverwaltung residiert. Ein Gespräch über gute Investments, falsche Entscheidungen und die Zukunft der Börsen.

€uro am Sonntag: Mit welchem Investment haben Sie persönlich den größten Verlust gemacht?
Gottfried Heller:
Das war 1980/81 in den USA zur Zeit von US-Präsident Reagan. Die Inflation erreichte 15 Prozent, und die Notenbank hielt mit drakonischen Maßnahmen dagegen. Der Diskontsatz, der damalige Leitzins, lag bei 20 Prozent. Damals habe ich mich auf eine Zinsspekulation eingelassen.

Was hat Sie dazu veranlasst?
Ein befreundeter Broker sagte zu mir: Mensch, mit Zinskontrakten musst du nicht viel Geld einsetzen, und irgendwann fallen die Zinsen. Da habe ich die Kontrakte gekauft, doch die Zinsen stiegen weiter, und ich musste bei zehn Prozent Eigenkapital immer wieder auf die vollen 100 Prozent nachschießen. Schließlich habe ich die Reißleine gezogen und alles mit großen Verlusten glattgestellt. Ein paar Monate später ging es mit den Zinsen runter.

Mit welcher Aktie haben Sie besonders stark danebengelangt?
Meine erste Aktie überhaupt war die der US-Airline Pan Am. Am 21.12.1988 stürzte dann eine Pan-Am-Maschine bei einem Terroranschlag über Lockerbie ab, es gab 270 Tote. Das war auch das Todesurteil für Pan Am. Ich hatte sie für zehn Dollar je Aktie eingekauft und konnte sie vor der Pleite noch für einen Dollar verkaufen. Ich war aber damals schon breit aufgestellt, was mich davor bewahrt hat, das halbe Vermögen zu verlieren.

Sie haben den Verlust locker weggesteckt?
Natürlich hat es mich geärgert. Aber ich habe nicht gesagt: Bloß die Finger weg von dem Zeug. Gerade diese Anfangsphase hat mich zu einem konservativen Anleger gemacht, hat mich geprägt, bei jedem Investment auf überschaubare Risiken zu achten, breit zu streuen, mich nie in eine Aktie zu verlieben. Davon haben später meine Kunden profitiert.

Ihre Erfahrung haben Sie gerade im Buch „Der einfache Weg zum Wohlstand“ zusammengetragen. „Mehr verdienen — weniger riskieren“, lautet der Untertitel. Warum ködern Sie die Leute mit solchen offen­kundigen Widersprüchen?
Das ist nur dann ein Widerspruch, wenn man an die gängige Weisheit glaubt, dass eine höhere Rendite immer mit höherem Risiko erkauft werden muss. In dem Buch habe ich zusammen mit dem Fondsmanager ­Michael Keppler in mehreren Schritten ein Musterdepot entwickelt, mit dem es gelingt, in langfristigen Anlagezeiträumen Renditen bis zu zehn Prozent zu erzielen — trotz erheb­licher Turbulenzen und Crashs in den untersuchten 30 Jahren. Mein Anliegen ist es, etwas von meinen in über 40 Jahren gesammelten Erfahrungen an die Anleger weiterzu­geben. Ich möchte ihnen die Angst vor Aktien nehmen, und ich zeige ihnen einen Weg, wie man durch ein klug konzipiertes Wertpapierdepot die Rendite steigern und dabei sogar das Risiko reduzieren kann.

Wie soll das aussehen?
Der Anleiheanteil liegt bei 30 Prozent — als Sicherheitspuffer. Der Rest sind Aktieninvestments, breit gestreut und in überlegene Anlage­klassen investiert, also Aktien der Schwellenländer, Nebenwerte und Substanzaktien, bevorzugt Dividendentitel, international verteilt, wenig DAX.

Warum wenig DAX?
Weil wir rückblickend festgestellt haben, dass der DAX über die Jahre wie ein betrunkener Matrose herum­taumelte, teils mit großen Verlusten. Mein Depot kann man mit einer Fußballmannschaft vergleichen: Es gibt robuste Verteidiger, wieselflinke Stürmer und ein Mittelfeld, das nach vorn und hinten arbeitet. Wichtig ist das kompakte Gefüge untereinander, die Stärken und Schwächen müssen gut austariert sein.

Sind Ihre Depots ebenso struk­turiert?
Im Grunde haben sie weitgehend dieselbe Aufstellung wie im Buch beschrieben. Das Einzige, wo wir noch nacharbeiten müssen, sind die Nebenwerte. Die sollte man als Privatanleger immer mit Fonds abdecken, die 100 oder mehr Einzel­titel enthalten. Denn kleine Unternehmen sind anfällig und pleitegefährdet. Die Schwellenländerbörsen haben wir schon immer sehr betont, und wir waren immer stark sub­stanz- und dividendenorientiert — ich persönlich, und die Fiduka auch.

Gold fehlt. Warum?
Haben wir tatsächlich nicht. Wenn überhaupt, haben wir einige Goldminen- und Minenaktien, die bringen zumindest teilweise die Miete mit in Form der Dividende, wenn auch derzeit nicht sehr üppig, während Gold ja zins- und renditelos ist und physisch auch noch Lagerkosten verursacht. Für den Kleinanleger kann es aber sinnvoll sein, eine Prise Gold im Depot zu haben, so wie man Aspirin im Nachtkastl hat.

Was ist denn eine Prise Gold?
Etwa fünf bis acht Prozent.

Haben wir in der Eurokrise das Schlimmste hinter uns?
Der Rettungsschirm ESM und die EZB-Politik sind aus meiner Sicht ein Herumdoktern an Symptomen, das eigentliche Geschwür wird dadurch nicht beseitigt. Die Lebensarten, die Mentalitäten und Arbeitseinstellungen in den romanischen und den germanischen Ländern sind zu verschieden. Wenn man den Euro auf Gedeih und Verderb mit allen derzeitigen Mitgliedern erhalten will, werden wir mehr zahlen müssen und auch mehr Inflation bekommen.

Was schlagen Sie vor?
Einen Schnitt machen, den Griechen ermöglichen, auszutreten, damit sie über eine abgewertete Drachme wieder wettbewerbsfähig werden. Begleiten kann man das mit einer Art Marshallplan der EU, vielleicht ähnlich gestaltet wie die Zonenrand- und Berlin-Förderung bei uns während des Kalten Krieges, also etwa in Form von steuerbegünstigten Anlagen — seien es Anleihen oder Industrieansiedlungen.

Gehen die Finanzmarktreformen in die richtige Richtung?
US-Präsident Roosevelt hat nach der Weltwirtschaftskrise 1933 umfassende Kapitalmarktreformen eingeleitet, die immerhin 70 bis 80 Jahre gehalten haben. Jetzt sind die USA und auch wir vor die Wand gefahren und haben eine ähnliche Situation wie damals. Wir müssen das Finanzmarktmonster mit neuen Regeln und Gesetzen neu bändigen. Die Finanzkrise ist eine ähnliche Zäsur, wie wenn ein Mensch einen Herz­infarkt erleidet und danach ein anderes Leben anfängt.

Das bedeutet, auch die Wirtschaft wird langsamer laufen?
Ich stelle mir vor, dass wir an einer Zeitenwende angelangt sind und der Hebel jetzt in Richtung Entschuldung umgelegt wird. Manches von unserem komfortablen Lebensstandard, auch von unserem überdimensionierten Sozialstaat, werden wir einschränken müssen. Das Wachstum in den Industrieländern wird sich verlangsamen, und die Schwellenländer werden schon in drei bis fünf Jahren mehr als die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung bringen.

Dann brechen auch für die Börsen in den Industriestaaten eher magere Jahre an?
Es ist eine falsche Meinung, dass die Wirtschaft boomen muss, damit die Börse steigen kann. Mäßiges Wachstum ist ein viel günstigeres Umfeld für steigende Börsen, weil eine boomende Wirtschaft zu viel Geld für die Realwirtschaft absaugt. Jetzt sind die meisten in Aktien unter­investiert, nach schweren Baissen an den Börsen in den letzten zwölf Jahren. Dadurch ist es gerade jetzt möglich, dass Aktien goldene Jahre vor sich haben. Also eher magere Jahre für die Wirtschaft und fette Jahre für die Börse.

zur Person:

Investor und Ratgeber
Gottfried Heller (77) gründete 1971 in München gemeinsam mit dem 1999 verstorbenen Börsenaltmeister André Kostolany die Vermögensverwaltung Fiduka. In seiner aktiven Zeit verwaltete der gelernte Wirtschaftsingenieur Einzeldepots privater und institutioneller Anleger und Stiftungen sowie mehrere internationale Aktien- und Rentenfonds. Heute beschränkt sich Heller auf seine Rolle als Ratgeber und Autor. Vor Kurzem erschien sein Buch „Der einfache Weg zum Wohlstand“ (FinanzBuch Verlag, 24,99 €).