Windkraft: Welche Aktien das Rennen machen
Die EU-Länder haben festgelegt, wie sie in Zukunft sauberen Strom erzeugen wollen. Speziell die Windenergie darf mit Rückenwind rechnen.
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von Oliver Ristau, Euro am Sonntag
Selbst bei gutem Wetter sind sie kaum zu sehen: Knapp über dem Horizont der Ostsee recken sich die zehn weißen Windmühlen in die klare Luft und drehen ihre Flügel. Aus der Ferne wirken sie wie Spielzeug. Seit 2003 sorgt der Windpark Samsö vor der Nordküste der dänischen Insel Fünen für grünen Strom und zählt damit zu den ersten Offshorewindparks der Welt.
Doch auch wenn er nur vier Kilometer von der Heimatinsel des Märchendichters Hans-Christian Andersen entfernt steht, von einem Märchen kann im Fall der dänischen Windkraft längst keine Rede mehr sein. Der einstige Weltmarktführer rangiert selbst in Europa nur noch unter „ferner liefen“. Der Pioniergeist der Dänen hat sich indes nachhaltig über den gesamten Kontinent ausgebreitet. Immer mehr Länder setzen in Sachen grüner Strom auf die rotierenden Riesen.
Weiteren Rückenwind erhält die Branche jetzt von neuen Plänen der Politik. Denn 23 der 27 EU-Staaten haben in den vergangenen Wochen so ausführliche und detaillierte Ausbaupläne zur Förderung regenerativer Energien bis 2020 vorgelegt wie noch nie. Diese „Nationalen Aktionspläne“ gehen auf eine Anordnung der EU-Kommission zur Durchsetzung des Klimaschutzziels der Gemeinschaft zurück. Damit verpflichtet die Kommission jedes Land darauf, seinen Beitrag zu leisten, um 2020 mit grünen Energien mindestens 20 Prozent des Energieverbrauchs der EU zu decken. Noch liegt die Quote EU-weit bei der Hälfte.
Eine Analyse der Aktionspläne durch €uro am Sonntag zeigt, dass neben der Biomasse insbesondere die Wind- und Solarenergie mit großen Zuwächsen rechnen können. So planen die 23 Staaten, ihre Windkraftkapazitäten von derzeit 82 Gigawatt (GW) bis 2020 um mehr als 150 Prozent auf 208 GW auszubauen.
Selbst klamme Staaten wie Großbritannien machen trotz Krise Ernst mit dem Ökostrom und haben ihre Versorger zu einem Ausbau verpflichtet. Das Ziel einer Versiebenfachung der Windkapazitäten auf 28 GW ist deshalb mehr als ein Lippenbekenntnis. Insgesamt kommt allein auf die Windkraftanlagenbauer durch die neuen EU-Vorhaben ein Marktvolumen von deutlich über 100 Milliarden Euro zu.
Für die Branche sind das gute Nachrichten. Denn 2009 und 2010 waren von Finanzierungsengpässen und Überkapazitäten geprägt. „Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Windkraft von einem Anbieter- zu einem Käufermarkt gewandelt“, sagt HSH-Nordbank-Analyst Arndt Krakau. Galten 2008 noch Lieferzeiten von mehr als einem Jahr, werden die Maschinen heute binnen weniger Wochen ausgeliefert. 2010 rechnet die Bank mit einem Rückgang des internationalen Windkraftanlagenbauvolumens um acht Prozent auf 35 GW. Das liegt zwar vor allem am Einbruch in den USA, aber auch in Europa stagnieren die Neuinstallationen bei gut zehn GW. Entsprechend kräftig gingen auch die Aktienkurse der Windturbinenbauer im laufenden Jahr in die Knie. Doch die geschundenen Anleger haben Grund zur Hoffnung: Schon 2011 soll der Markt nach HSH-Nordbank-Prognose in Europa wieder um 25 Prozent auf 13,8 GW steigen.
Dafür sieht Krakau mehrere Gründe. Waren es früher vor allem wenige große Märkte, in die die Turbinenbauer ihre Anlagen verkauften, wie Dänemark, Deutschland, Spanien und Großbritannien, so können sie künftig mit einer breiteren Nachfrage aus ganz Europa rechnen. Machen osteuropäische Länder wie Rumänien oder Bulgarien, wo bisher Windstille herrscht, mit ihren Plänen Ernst, locken künftig jährlich dreistellige Millionenumsätze. Auch Finnland, Schweden und Irland wollen mehrere Tausend Anlagen neu installieren. Und selbst in kleineren Staaten wie Lettland, Litauen und der Slowakei kann die Branche mit lukrativen Großaufträgen rechnen.
Als Investoren stehen Geschlossene Fonds, Versicherungen oder Infrastrukturunternehmen bereit, um die Pläne der Politik umzusetzen. Für nachhaltige Investments besteht am Kapitalmarkt eine steigende Nachfrage. Außerdem werden nationale und globale Energieversorger ihr Engagement für saubere Kapazitäten aus betriebswirtschaftlichen Gründen verstärken.
Denn ab 2013 wird für sie der Ausstoß von Kohlendioxid aus ihren Kohle- und Gaskraftwerken deutlich teurer. Ab diesem Zeitpunkt werden die Emissionszertifikate, die zur Freisetzung des Treibhausgases berechtigen, nicht mehr kostenlos durch die EU-Staaten ausgegeben. Kein Wunder, dass Versorger mit einer Vielzahl großer Kohlekraftwerke in Europa wie die schwedische Vattenfall nach grünen Alternativen Ausschau halten. Eine Ausnahmesituation besteht allerdings in Deutschland. Durch die Verlängerung der Laufzeiten der CO2-freien Kernkraftwerke ist die gute Klimabilanz der Versorger für die nächsten Jahre gesichert. Das erklärt, warum etwa der Essener Stromriese RWE seine Investitionen in regenerative Energien nicht weiter steigern will.
Dafür investieren europäische Wettbewerber umso mehr. Iberdrola Renovables, eine Tochter des spanischen Strom- und Gaskonzerns Iberdrola, ist mit zwölf GW installierter Leistung – davon zwei Drittel in Europa – weltweit der größte Produzent von Windstrom und will diese Position weiter ausbauen. Im jüngsten Quartalsbericht nennt das Unternehmen eine langfristige Projektpipeline von 62 GW. Konkret verfolgt es in Europa Projekte mit mehreren Tausend Megawatt.
Auch der Grünstromversorger EDP Renovaveis, eine Tochter des portugiesischen Stromriesen EDP, expandiert. In den nächsten Jahren will Europas Nummer 3 ihre Windstromkapazitäten von rund 3500 MW mehr als verdoppeln. In diesem lukrativen Geschäft mischt auch Enel Green Power mit, die Ökostromtochter des italienischen Versorgers Enel, die Anfang November den Schritt an die Börse wagen will. Mit bis zu 3,4 Milliarden Euro Emissionserlös wird es der größte Börsengang in Europa drei Jahre nach Iberdrola Renovables sein.
Die Windturbinenbauer litten dagegen an Überkapazitäten auf dem Markt. Weltmarktführer Vestas etwa hatte in den ersten beiden Quartalen 2010 einen Verlust von 0,99 Euro je Aktie angehäuft, auch Wettbewerber wie die deutsche Nordex und die spanische Gamesa gerieten ins Straucheln. Gamesas Bruttogewinn (Ebit) sackte um die Hälfte ab, Nordex’ um 25 Prozent. Die Umsätze waren sogar um bis zu 50 Prozent eingebrochen. Doch diese schweren Zeiten scheinen sich dem Ende zu nähern. So sieht das japanische Analysehaus Nomura in einer aktuellen Studie den Tiefpunkt der Branche erreicht. Ein Beleg ist der anziehende Auftragseingang bei den Lieferanten.
So vermeldete der Hamburger Windkraftanlagenbauer Repower für die Monate April bis September zwar einen Umsatzrückgang von 18 Prozent, dafür aber ein Auftragswachstum von 60 Prozent. Die UBS erwartet beim dänischen Weltmarktführer Vestas im vierten Quartal einen kräftigen Turnaround. Zum dritten Quartal war der Weltmarktführer in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt, schockte die Börse aber mit der Aussage, dass der Markt schwierig bleibe.
Dass die Margen trotz Wachstums in Europa weiterhin unter Druck stehen werden, hat mit der angespannten Finanzlage der öffentlichen Kassen zu tun. Die Zeiten üppiger staatlicher Subventionen sind vorbei. „Der Kostendruck hält an“, sagt Christoph Aubin-Nury, Manager des Green-Energy-Funds der Investmentgesellschaft Hathor Capital. So enttäuschte etwa Gamesa die Analysten bei Vorstellung des Businessplans 2011 bis 2013 mit der geplanten Ebit-Marge von sechs bis sieben Prozent. Und auch in Norderstedt beim drittgrößten deutschen Turbinenbauer, Nordex, herrscht Zurückhaltung. „Die Perspektiven hellen sich auf“, sagt Sprecher Ralf Peters. Doch noch sei es zu früh, in Jubel auszubrechen, da die Pläne der EU-Staaten erst noch umgesetzt werden müssten.
Und auch die Zurückhaltung der Banken bei der Finanzierung neuer Windparks ist noch nicht vorbei, obwohl sich die Lage laut Peters verbessere. „Der hohe Finanzbedarf und die Schwierigkeiten bei der Kreditvergabe werden die Konsolidierung der Branche vorantreiben“, prognostiziert Fondsmanager Aubin-Nury. Und UBS-Analyst Patrick Hummel ergänzt: „Insbesondere asiatische Unternehmen könnten mittelfristig Interesse an Windkraft-Know-how aus Europa haben, um hier Fuß zu fassen.“
Vor diesem Hintergrund sind auch die Bewegungen im Aktionärskreis von Nordex und Gamesa zu verstehen. Die Großaktionäre Klatten bei Nordex sowie Iberdrola bei Gamesa haben im laufenden Jahr ihre Beteiligungen auf 25 und 15 Prozent ausgebaut und verbessern damit ihre Positionen für etwaige Offerten. Bei Repower ist die Situation anders. Der indische Mehrheitsgesellschafter Suzlon könnte Teile seines Aktienpakets wegen eigener finanzieller Engpässe verkaufen wollen.
Konsolidierungstendenzen sieht Aubin-Nury vor allem aber in der Solarbranche, da dort die Zahl der unterkapitalisierten Gesellschaften höher als bei den Windmüllern ist. Ob das mit Übernahmen deutscher Hersteller einhergeht, ist für Hummel eher fraglich. „Wer soll an teuren Produktionskapazitäten Interesse haben?“ Die heimischen Solarproduzenten sieht er bei den Produktionskosten gegenüber den asiatischen Wettbewerbern dauerhaft im Nachteil. „Eine Produktion in Deutschland rechnet sich nur bei hoher Förderung.“ Firmen wie Conergy, Solon oder SolarWorld wären davon betroffen. Hummel verweist auf die Aktienkurse deutscher Produzenten, die sich im laufenden Jahr eher nach unten entwickelt hätten, „obwohl der Weltmarkt 2010 um 130 Prozent wächst“. Das Marktwachstum aber wird in Europa weitergehen, auch zur Freude asiatischer Wettbewerber. Denn die EU-Mitglieder haben die Sonnenenergie zu einer der wichtigsten Quellen der künftigen CO2-Reduktion erklärt und planen bis 2020 eine Verdreifachung der Solarstromkapazitäten auf 83 GW. Zwar entfallen auf Deutschland mit 52 GW rund zwei Drittel davon, doch in den kommenden zwei Jahren ist auch andernorts für Sonnenschein gesorgt. „Die hohen Einspeisevergütungen werden in Italien den Fotovoltaikmarkt boomen lassen“, erwartet Jochen Hauff von der Unternehmensberatung A. T. Kearney.
Allerdings berge die sehr hohe Vergütung dort zugleich die Gefahr, dass die Förderung drastisch beschnitten werden könnte, „sobald die Politik merkt, dass ihnen die Kosten aus dem Ruder“ laufen. Das macht die Zukunft der Solarenergie unsicherer als die der Windbranche in Europa. Denn die Windkraft erhält für die Stromerzeugung deutlich weniger Förderung und stellt damit eine geringere Belastung der Staatsbudgets und Stromkunden dar. „Die Solarfirmen können sich auf Europa nicht ausruhen. Sie müssen in Richtung Schwellenländer expandieren“, zieht Hauff ein Resümee. UBS-Analyst Hummel erwartet deshalb, dass von dem globalen Wachstum vor allem die deutschen Maschinenbauer profitieren, die weltweit neue Fabriken aufstellen. Dazu zählen Centrotherm, Manz und Roth & Rau.
Doch nicht in allen europäischen Ländern können die Firmen mit lukrativen Geschäften rechnen. Dänemark etwa will seine Solarstromkapazitäten in den nächsten zehn Jahren auf sechs Megawatt (MW) ausbauen. Das wäre weniger als die Hälfte dessen, was in Deutschland im laufenden Jahr an einem Tag installiert wird. Von einem solaren Pioniergeist wird an der dänischen Ostseeküste deshalb anders als beim Wind auch in Zukunft nichts zu sehen sein.
Investor-Info
Nordex
Mit Potenzial
Die Aktie des deutschen Windanlagenbauers ist eine Enttäuschung. Seit Jahresbeginn hat sie stark verloren, zuletzt ging es seitwärts. Angesichts des immer noch flauen Geschäfts gab es jüngst zwei Verkaufsempfehlungen mit Kurszielen von 6,00 beziehungsweise 6,15 Euro. Wir sehen das anders: Fundamental ist der Wert auf diesem Niveau fair bewertet und nicht zu teuer. Und: Sollte das weltweite Geschäft wieder anziehen, hat die Aktie enormes Potenzial. Auf die Watchlist setzen.
Vestas
Mit Problemen
Im dritten Quartal kam Vestas wieder in die schwarzen Zahlen. Und jetzt der Schock, dass die Dänen wegen der schwierigen Lage 3000 Jobs streichen wollen. Diverse Banken empfehlen die Aktie dennoch zum Kauf. Kein Wunder: 25 Prozent der weltweiten Neubestellungen von Windkraftanlagen in diesem Jahr sind bei den Dänen eingegangen, Vestas hat damit seinen Marktanteil von 13 Prozent 2009 deutlich ausgebaut. Aktie ist charttechnisch schwer angeschlagen. Abwarten.
Repower
Mit Rückenwind
Unser aktueller Favorit unter den Windkraftanlagenherstellern ist Repower. Die Hamburger Firma, die auch im Projektgeschäft tätig ist, hat im ersten Halbjahr zwar einen geringeren Umsatz ausgewiesen, dafür stieg der Gewinn. Und auch bei den Aufträgen sieht es gut aus. Im zweiten Quartal wurden so viele Bestellungen verbucht wie seit zwei Jahren nicht mehr. Auch charttechnisch gut. Dennoch nur für spekulativere Anleger.
Zertifikate
Windaktien im Paket
Anleger, die das Risiko streuen möchten, können dies über Zertifikate tun, die gleichzeitig auf mehrere Aktien aus der Windbranche setzen. So bietet die Deutsche Bank ein Produkt (ISIN: DE000DB1WND2) auf den Solactive-Global-Wind-Performance-Index an, der die Kursentwicklung der zwölf größten internationalen Unternehmen aus der globalen Windenergiebranche abbildet. Die Royal Bank of Scotland bietet ein ähnlich gestricktes Zertifikat (ISIN: NL0000856722) auf den hauseigenen Windindex RBS Wind TR an, der zehn Aktien der weltweiten Windindustrie umfasst.Allerdings: Die Kursentwicklung ist bei beiden Produkten desaströs, von einem Investment ist vorerst abzuraten. Aber: Wenn weltweit das Windgeschäft wieder anzieht, dürften auch die Zertifikate laufen.
Sarasin New Power Fund B
Hoffnung auf mehr Energie
Portfolios mit Fokus auf regenerative Energien wie der Fonds Sarasin New Power sind 2010 schlecht gelaufen. Doch der Fonds bietet neben Windenergie wie Vestas und untergewichteten Solartiteln vor allem Unternehmen an, die Innovationen zur Energieeffizienz anbieten. So können langfristig orientierte Investoren von den Chancen alternativer Energien wie auch von neuen Energietechnologien und Fördertechniken profitieren.
UBS Em. Markets Innovators
Wachstumsmärkte im Blick
Der Fonds ist auf Schwellenländerwerte fokussiert, die auch im Bereich Erneuerbare Energien und Energieeffizienz tätig sind. Vorteil: Emerging-Markets-Unternehmen haben Kostenvorteile gegenüber der Konkurrenz aus den Industrienationen. Zur Beimischung.
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