Entsorgungsindustrie

Abfall und Recycling: Milliarden mit Müll

10.02.10 06:00 Uhr

Müll ist ein Milliardengeschäft mit hohen Wachstumsraten. Wer an Entsorgung oder ­Recycling wirklich verdient, richtet sich nach den Abfallsystemen der einzelnen Länder. Die besten Investments.

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von Carl Batisweiler, Euro am Sonntag

Der Jahresumsatz der Abfallindustrie in Deutschland beträgt rund 50 Milliarden Euro im Jahr, schätzt das Bundesministerium für Umwelt. Und obwohl die Abfallmenge pro Kopf in der Bundesrepublik seit Ende der 90er-Jahre kontinuierlich abnimmt, werden die Kosten für die Entsorgung immer höher. Weltweit werden jährlich rund zwölf Milliarden Tonnen Abfall produziert, bis zum Jahr 2020 dürfte ­diese Zahl wegen der zunehmenden Urbanisierung und der wachsenden Weltbevölkerung sogar auf 18 Milliarden Tonnen zunehmen.

Abfallentsorgung ist also schon wegen der schieren Müllmenge ein Riesenmarkt. Wachsendes Umweltbewusstsein auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern dürfte das Umsatzvolumen der Entsorger weltweit noch stärker hebeln: „Bis 2020 wird der Weltmarkt allein für Anlagen der Abfall- und Recyclingwirtschaft um mehr als die Hälfte auf 53 Milliarden Euro wachsen“, schätzt das Berliner Ministerium. Entsprechend groß sind auch die Chancen für Anleger, mit Investitionen in Müll­entsorgung Geld zu verdienen.

Doch für Außenstehende ist es gar nicht einfach zu verstehen, wie die Abfallbranche wirklich funktioniert. Und das nicht nur, weil fast jeder Landkreis zwischen Flensburg und Garmisch seine Bürger unterschiedlich an die Tonnen zitiert.

So gärt es aktuell ganz fürchterlich in Deutschlands Müllbranche. Denn im vermeintlichen Musterland der Mülltrennung, des Recyclings und des Dosenpfands klafft eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Zumindest beim Dualen System, das einst mit dem Grünen Punkt und dem gelben Sack die Nation zu Wiederverwertern machte: Fürs erste Quartal 2010 hatten Hersteller oder Importeure von Lebensmitteln oder Haushaltswaren, die für die Entsorgung von Kunststoff oder Glas 2009 rund 1,2 Milliarden Euro vorab bezahlen mussten, ein Drittel weniger Müll angemeldet als ein Jahr zuvor – obwohl kein Trend zu weniger Verpackung oder Konsum erkennbar ist.

„Die gelbe Tonne droht zu explodieren“, meldeten deshalb Branchendienste zum Jahreswechsel. Stefan Schreiter, Chef des Exmonopolisten Duales System Deutschand (DSD), sah das System schon „kollabieren“. Von rund vier Millionen Tonnen angemeldeter Menge Haushaltsver­packungen war die Rede, tatsächlich seien 2009 rund sechs Millionen im Abfall der Republik gelandet.

Prompt kam es jetzt zu einer wundersamen Müllvermehrung: Die gemeinsame Stelle Dualer Systeme in Deutschland meldete, dass Handel und Industrie nun doch mehr Müll als im Vorjahr angemeldet und da-mit ihr „Interesse am Erhalt des Systems“ deutlich gemacht hätten.


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Dabei legen die inzwischen neun Wettbewerber im Dualen System gar nicht mal selbst Hand an den Müll: „Wir sorgen dafür, dass der Inverkehrbringer der Verpackung für die Entsorgung bezahlt, dann vereinbaren wir mit Entsorgern und Verwertern, wie viel sie für die Erfassung oder Sortierung beziehungsweise thermische Verwertung erhalten“, erklärt Michael Heising, Chef des Systembetreibers VfW. „Es liegt im Geschick des Betreibers, die Preise auf beiden Seiten richtig anzusetzen.“

Dieses Geschick scheint den eins­tigen Alleinunterhalter des Systems, DSD, ein wenig verlassen zu haben, seit die EU 2001 den Markt für Wettbewerber öffnete. Der DSD-Umsatz sinkt seit Jahren, nach 850 Millionen Euro 2007 rechnet Firmenchef Schreiter für 2010 nur noch mit gut 700 Millionen Euro. Der letzte Betriebsgewinn (Ebit), den das DSD kommunizierte, waren rund 70 Millionen im Jahr 2007, inzwischen sei er deutlich geringer.

Das ist auch ein Grund, warum in der Branche immer wieder Gerüchte auftauchen, das DSD würde verkauft. 2004 hatte der US-Investor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) das 1990 von Industrie und Handel als Reaktion auf die deutsche Verpackungsordnung installierte Unternehmen für offiziell 260 Millionen Euro übernommen. Beim DSD heißt es auf Anfrage: „Von solchen Plänen wissen wir nichts.“ Ein DSD-Verkauf wäre freilich für KKR sinnvoll.

Zum einen hat das Investment nach der Übernahme 2004 nun die typischen sechs bis sieben Jahre Investmentdauer erreicht, das eingesetzte Kapital ist längst mehrfach aus dem Unternehmen gezogen worden. Zum anderen sanken in den vergangenen Jahren die Chancen durch den neuen Wettbewerb beständig. Wenn mit dem DSD für KKR noch einmal Geld zu machen ist, dann jetzt. Als Beleg nennen Branchenkenner den zum Jahreswechsel angekündigten Ausstieg aus einem gemeinsamen Entsorgerverband mit der VfW und der Firma Reclay nach nicht einmal einem Jahr.

Auch die oft kolportierte Zerlegung des DSD in mehrere Teile passt ins Konzept der Investoren: Mit fast 50 Prozent Marktanteil ist der Systemanbieter noch zu groß, um von einem Konkurrenten übernommen zu werden, ohne Probleme mit dem Kartellamt zu bekommen. Als Käufer für DSD-Sparten im Gespräch sind die Großen der Branche in Deutschland: Remondis im Besitz der Unternehmerfamilie Rethmann, Alba sowie die börsennotierte Interseroh. Allerdings hält Alba große Anteile an dem Kölner Entsorger und Betreiber von Müllverbrennungsanlagen, der mit etwa 22 Prozent Marktanteil die Nummer 2 unter den Betreibern der Dualen Systeme ist.

Neuen Schwung erhofft man sich bei den Dualen Systemen allerdings von einer Einführung der sogenannten Wertstofftonne durch den Gesetzgeber: In die kämen dann auch Abfälle, die nicht vorher durch die Verpackungsordnung lizenziert und bezahlt wurden. Die Systembetreiber könnten mit den darin anfallenden Wertstoffen aber mehr Umsatz beim Recycling machen und zudem Skaleneffekte nutzen, wobei die Kosten für dieses Material dann über die Müllgebühren beglichen werden. „Das wäre eine sinnvolle Lösung für alle Beteiligten“, sagt Michael Heising von der VfW, die zum Ent­sorgungslogistiker RLG gehört. Und DSD-Chef Schreiter äußerte sich deshalb gegenüber der FAZ optimistisch: „Wenn sich die politische Diskussion in diese Richtung weiter­entwickelt, gibt es neue Wachstums­chancen und vielleicht eine Börsenstory für DSD.“

Die Goldgräberzeiten auf dem deutschen Entsorgungsmarkt sind allerdings vorbei. Ganz anders als im hierzulande streng durchregulierten Müllmarkt mit seiner Struktur aus wenigen großen privaten und vielen kommunalen Entsorgern sieht es in anderen Ländern aus. In Polen etwa sind im Dualen System rund 40 Betreiber unterwegs. Andere EU-Länder sind noch dabei, Recycling- und Verwertungssysteme zu entwickeln und nach den Regeln der Gemeinschaft zu strukturieren, die die gesonderte Verwertung von Batterien oder Elektroschrott fordern. Das bietet große Chancen für private Unternehmen und deren Investoren.

CCR beispielsweise ist inzwischen mit einem Rückholsystem von Verpackungen in der Industrie in 15 europäischen Ländern unterwegs oder steuert mit seiner Software die Pfandsysteme für Infusionsflaschen in Kliniken. „In die Vereinigten Staaten expandieren wir gerade“, so Unternehmensgründer Achim Winter. Angefangen hatten die Bayern Anfang der 90er-Jahre mit dem Ein­sammeln von Abfall in Autovertragswerkstätten.

Besonders in Schwellenländern besteht für Entsorger das größte Potenzial. Für die vom Bundesumweltministerium Kreislaufwirtschaft genannte Abfallentsorgung sieht eine mit Daten von Roland Berger erstellte Studie bis 2020 starkes Wachstum der Absatzmärkte für die Entsorgungstechnik vor allem in Russland, Indien und China.

„Der Markt für automatische Stofftrennungsanlagen wird Expertenschätzungen zufolge um 15 Prozent jährlich auf bis zu 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2020 wachsen“, heißt es in der Studie. Demnach sind deutsche Unternehmen mit einem Weltmarktanteil von nahezu zwei Drittel führend in dieser Sparte. Ein Beispiel: die Firmenholding Max-Automation, deren Tochter Vecoplan Müllzerkleinerungsanlagen herstellt. Je besser dadurch getrennt werden kann, desto größer ist die Ausbeute an wiederverwendbaren Rohstoffen. Bei steigenden Rohstoffpreisen für die Entsorger weltweit also eine lohnende Investition.

Von immer strengeren Umweltstandards bei der Entsorgung sollte auch der in Deutschland an der Börse notierte Hersteller von Müllverbrennungsanlagen ZhongDe aus China profitieren. Die wilde Deponierung von Abfällen verseucht das Grundwasser nicht nur der rasant wachsenden Megastädte im Reich der Mitte, die thermische Verwertung dagegen spart Platz und liefert zudem Energie. Die chinesischen Müllofenspezialisten haben schon so viel Erfahrung gewonnen, dass ihre Technik mit westlichen Anlagen mithält.

Zwischen 20 und 30 Prozent ihrer Haushaltsmittel geben Städte und Gemeinden im weltweiten Durchschnitt für Sammlung und Entsorgung von Müll aus, schätzen die Vereinten Nationen. Die Investitionen in Kreislaufsysteme machen sich deshalb nicht nur wegen der Umweltschutzkosten schnell bezahlt.

Weil wegen der fehlenden Technik und Infrastruktur in Entwicklungsländern rund 70 Prozent des Abfalls noch organisches Material sind, werden auf den Deponien Faulgase frei, die ein 14-fach stärkerer Klimakiller sind als Kohlendioxid.

In den Industrieländern werden solche Gase hingegen oft schon zur Energiegewinnung genutzt. So hat sich der US-Entsorgerriese Waste Management jüngst beim Kompostierspezialisten Harvest Power beteiligt. „Wir wollen mehr Wert aus dem Material holen, das wir verwerten, als irgendein anderes Unternehmen in unserer Branche“, verkündete Waste-Management-Vorstand Tim Cesarek zum Aufbau eines Netzwerks von Kompostieranlagen in den USA und Kanada.

Rohstoff für Kompost oder Energie gibt es bei 180 Millionen Tonnen organischer Abfälle jährlich in Nordamerika genug. Welches Kurspotenzial in so manchem vermeintlich langweiligem Entsorger in Europa steckt, beweist das britische Unternehmen Shanks. Als der Finanz­investor Carlyle Anfang Dezember sein Interesse bekundete, sprang der Kurs um 50 Prozent auf ein 13-Monats-Hoch.

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Investor-Info

Waste Management: Die Nummer 1 in den USA
Der in Texas beheimatete Konzern ist mit rund zwölf Milliarden Dollar Jahresumsatz der größte Entsorger der USA. Die wirtschaftlichen Rückschläge der Branche hat das Management genutzt, um andere Unternehmen aufzukaufen und damit von der reinen Entsorgung über ­Recycling oder Kompostierung auch alternative Energien aus Müllverwertung anbieten zu können. Waste Management dürfte von den neuen Umweltgesetzen in den Staaten überproportional profitieren. Klarer Kauf.

Stericycle: Gute Geschäfte mit Krankheit
Das US-Unternehmen hat sich auf die Entsorgung von ­Abfall aus Kliniken, Apotheken und Laboren spezialisiert und schnell in Nord- und Südamerika sowie in Großbritannien und Irland expandiert. Der Umsatz 2009 liegt bei rund 1,3 Milliarden Dollar, der operative Gewinn bei rund 300 Millionen Dollar. Stericycle gehört zu den 32 Titeln im S?&?P 500, die 2009 überdurchschnittlich den Umsatz steigerten und Wert schufen, beim Aktienkurs aber dennoch kaum zulegten. Kaufen.

ZhongDe Waste Technology: Müllverbrennung in China
2007 suchte der chinesische Anlagenbauer willige In­vestoren und fand sie beim Börsengang in Deutschland. Doch der Hype um den Spezialisten für mittelgroße Müllverbrennungsanlagen verlor sich schnell, der Aktienkurs rutschte von über 40 Euro auf aktuell rund elf Euro. Chinas Entsorgungsmarkt ist sehr intransparent, doch das neue Umweltbewusstsein sollte ZhongDe vermehrt Aufträge bringen. Sehr spekulativer Kauf.

CCR Logistics: Software fürs Recycling
Die Spezialisten aus Dornach bei München managen Rücknahme- und Clearingsysteme, die von zahlreichen Kunden aus den Bereichen Automotive, Elektro/Electronics, anderen Industrien und dem Handel genutzt wird. Basis ist eine Software zur Sendungsverfolgung plus webgestütztem Auftrags- und Dokumenta­tionssystem. Rund vier Prozent Garantiedividende; bei nur zehn Prozent Free Float nur streng ­limitiert ordern.

Interseroh: Alles hängt am Rohstoffpreis
Das Unternehmen hält knapp ein Viertel Marktanteil im Dualen System, das Hauptgeschäft ist aber das stoffliche Recycling, vor allem von Altmetall. Deshalb sind die Kölner stark von den jeweiligen Rohstoffpreisen abhängig. Die einstige Überfliegeraktie ist derzeit nicht interessant.

Zwei Zertifikate auf Entsorger: Die Branche in einem Papier
Das SGI Global Waste Management der Société Générale basiert auf einem Index mit 20 bis 50 Titeln auf Basis ihrer Marktkapitalisierung. Der Basisindex des S-Box-Waste-Management-Papiers der Citibank hat stets 30 Werte, unterteilt in drei Sparten. Die Wertentwicklung der Open-End-Zertifikate ist relativ ähnlich, sie berücksichtigen Dividenden. Gute Depotbeimischung.

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04.10.2017Waste Management HoldStifel, Nicolaus & Co., Inc.
18.07.2017Waste Management BuyStifel, Nicolaus & Co., Inc.
01.03.2017Waste Management Equal WeightBarclays Capital
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11.12.2017Waste Management BuyStifel, Nicolaus & Co., Inc.
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13.10.2016Waste Management NeutralWedbush Morgan Securities Inc.
29.04.2016Waste Management In-lineImperial Capital
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